Kühler Grund
- Manhattan
- Erschienen: Januar 2002
- 8
- London: HarperCollins, 2000, Titel: 'Black Dog', Seiten: 375, Originalsprache
- München: Manhattan, 2002, Seiten: 448, Übersetzt: Regina Rawlinson
- München: Goldmann, 2003, Seiten: 444
- München: Goldmann, 2007, Seiten: 448
- München: Goldmann, 2009, Seiten: 444
Packend und atmosphärisch dicht
Man nehme das typische Pärchen aus den britischen Police Procedurals und vertausche die Rollen. Heraus kommt: ein männlicher Detective Constable vom Land, bekannt wie ein bunter Hund, der sich von seinen Gefühlen leiten lässt, und ein weiblicher Detective Constable aus der Stadt, fast so kalt wie ein Eisberg, der im Beförderungspoker sofort die Nase vorn hat, obwohl er, also sie, gerade erst neu in den Distrikt versetzt wurde.
Ben Cooper und Diane Fry arbeiten zusammen an einem Fall: Die fünfzehnjährige Laura Vernon wird seit ein paar Tagen vermisst und viele Polizisten durchkämmen den Wald, als sie die Meldung erhalten, dass der Turnschuh des Mädchens vom Hund eines Spaziergängers gefunden wurde. Unweit von der Fundstelle liegt auch die Leiche der Vermissten.
Verdrehte Welt
Laut Aussage der Eltern hatte Laura keinen Freund und sie vertraute sich ihnen in allen Dingen an, doch in Wahrheit war sie schon recht frühreif und immer hinter einigen Jungs her. So steht nicht nur der kürzlich entlassene Hilfsgärtner der Vernons unter Verdacht, sondern auch der derzeitige Freund Lauras. Die Ermittlungen kommen nicht so recht voran, denn die Dorfbewohner machen es den Polizisten nicht leicht. Insbesondere Harry Dickinson, der alte Mann, der die Leiche entdeckte, scheint mehr zu wissen, als das, was er zu Protokoll gibt. Ben Cooper vertraut seinem Gefühl, aber er kann seine Kollegen damit nicht überzeugen.
Stephen Booth macht es dem Leser nicht leicht, seine beiden Protagonisten ins Herz zu schließen. Meist ist der Frauenpart mit einer Person besetzt, die eine vermittelnde Position einnimmt und sich von Gefühlen leiten lässt, doch die eiskalte Diane Fry lässt weder ihre neuen Kollegen noch den Leser schnell an sich heran. Nur mühsam erfährt man mehr über sie und sie ruft zunächst kaum Sympathie hervor. Da wäre es an Ben Cooper, diese Rolle zu übernehmen, aber auch er ist nicht nur problembeladen, sondern dadurch auch ungeschickt, manchmal fast ein wenig trottelig. Die beiden sind mit einigen Ecken und Kanten ausgestattet, was mit den erwähnten Einschränkungen gleichwohl als Pluspunkt gewertet werden kann.
Die Idylle trügt
Die Beschreibungen des Dorfes und der Atmosphäre sind zwar recht detailliert, aber dennoch wird man vom Autor was die Fakten betrifft an der kurzen Leine gehalten. Erst nach und nach kann man hinter die Fassade von Verschlossenheit und Misstrauen des Dorfes blicken, die noch nicht einmal von Ben Cooper niedergerissen werden kann, errät aber erst kurz vor Schluss, was wirklich geschehen ist. Auch wenn nicht wirklich viel passiert, ist alles sehr packend und lebendig beschrieben, so dass kaum Langeweile aufkommt.
Wer keine knallharten Thriller bevorzugt und trotz der leisen Töne hier dennoch keinen Friede-Freude-Eierkuchen-Krimi à la Ann Granger erwartet, der wird mit einer außergewöhnlichen Story belohnt, die nachdenklich macht, wenn man erst auf den letzten Seiten angekommen ist. Auch wenn "atmosphärisch dicht" für mich ein abgedroschenes Schlagwort ist, das ich ungern verwende, hier trifft es zu.
Stephen Booth, Manhattan
Deine Meinung zu »Kühler Grund«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!