Nachtschatten
- Grafit
- Erschienen: Januar 2005
- 3
- Porvoo: WSOY, 1977, Titel: 'Jäähyväiset rakkaimmalle', Originalsprache
- Dortmund: Grafit, 2005, Seiten: 256, Übersetzt: Gabriele Schrey-Vasara
Ein Fall für die Dunkelziffer
Es ist zwar schon rund 30 Jahre her, dass Pentti Kirstilä den ersten Roman aus der langen Reihe der Kommissar-Hanhivaara-Fälle geschrieben hat, aber hier bewahrheitet sich einmal mehr die Erkenntnis, dass die wirklich guten Krimis auch über Jahre und Jahrzehnte nichts an Unterhaltungswert einbüßen. "Nachtschatten" ist ein dank einer sehr geistreichen Konzeption und eines überraschenden Endes sehr nachhaltig wirkender und beeindruckender Kriminalroman.
Der Roman ist in drei Teile gegliedert:
Im ersten Teil beschreibt ein Zeuge, wie er einen Mord beobachtet. Er glaubt den Mörder zu erkennen und aus der puren Lust, Macht ausüben zu wollen, will er den vermeintlichen Täter erpressen.
Teil Zwei beschreibt die Arbeit der Polizei von Tampere, insbesondere Kommissar Hanhivaara. Der Kommissar ist insbesondere damit beschäftigt, die der toten Frau nahe stehenden Personen zu interviewen und daraus seine Schlussfolgerungen zu ziehen. Sein Verdacht trifft zunächst Antti Koski, den Ex-Mann der Ermordeten, doch der hat ein Alibi. Indizien verdichten sich, dass mindestens eine andere Person, die beiden hätte töten können. Die Verhaftung eines Verdächtigen erfolgt schließlich anhand von Indizien und der Leser ahnt aufgrund von Teil Eins, dass entweder die falsche Person verhaftet wurde oder im ersten Teil gelogen worden ist.
Abschließend wird im dritten Teil in Briefform die Lösung des Rätsels verraten - und die jagt dem Leser einen kalten Schauer den Rücken runter.
Konzeption besonders hervorzuheben
Kirstilä ist zu jeder Zeit Herr der Lage, dabei gelingt ihm ein vielschichtiger Krimi, der insbesondere dank des Perspektivbruchs nach dem ersten Teil eine durchweg hohe Qualität aufweist. Durch diesen Kunstgriff gelingt es dem Autor, nicht nur durch die Suche seines Ermittlers nach dem Mörder, sondern auch die heimliche Suche der Leserschaft nach der Figur des Erpressers zu steuern. Hier hat der Leser dem Ermittler Hanhivaara gegenüber einen deutlichen Vorteil, denn er weiß, dass es überhaupt einen Erpresser gibt und er wird mit der Schlussfolgerung von Hanhivaaras Vorgesetzten ebenso unglücklich sein wie der grüblerische Kommissar.
Auch die Figur Hanhivaara hat Klasse. Der Autor präsentiert seine Hauptfigur als besonders zurückhaltenden Einzelgänger, der jedoch das kriminalistische Gespür von ganz großen Ermittlern besitzt. Die Figur profitiert davon, dass ihr Schöpfer ihr einen sehr vertrauenserfüllten Chef vor die Nase gesetzt hat, der vollstes Verständnis für die Alleingänge seines Mitarbeiters hat und der ihm auch die Befragungen der wesentlichen Verdächtigen ganz allein überlässt. Hanhivaara zeichnet sich hier durch geschickte Fragestellung und schnörkellose Gesprächsführung aus. Desöfteren überlegt der Kommissar, mit welcher Geste er sein gegenüber so beeinflussen kann, dass derjenige ihm offen und ehrlich die gestellten Fragen beantwortet. Hier zeigt sich die Erfahrung eines Ermittlers, der bei seiner Arbeit keine Überraschungen mehr erwartet. Und auch wenn der erste Fall von Hanhivaara nicht so endet wie ein typischer Kriminalroman, so hat Kirstilä ihm die Wesenszüge eines Serienhelden mitgegeben. Es ist ihm gelungen, eine Figur zu schöpfen, mit der sich die Leser anfreunden können.
Fast 30 Jahre hat es gedauert, bis der erste Hanhivaara-Krimi von Pentti Kirstilä auf Deutsch erschien. Zu seiner Zeit musste er in Skandinavien konkurrieren mit den Krimis von Sjöwall/Wahlöö. Vielleicht lag es daran, dass "Nachtschatten" damals nicht in Deutschland angekommen ist. Im Gegensatz zu den Krimis der Schweden fehlt es ihm nämlich an der beißenden Sozialkritik. An seiner Qualität insgesamt kann es aber nicht gelegen haben, denn da ist "Nachtschatten" nicht nur den Krimis der Schweden, sondern auch vielen anderen eine Nasenspitze voraus.
Pentti Kirstilä, Grafit
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