Die Schatten von Montelupo
- Kindler
- Erschienen: Januar 2007
- 3
- Mailand: Frassinelli, 2005, Titel: 'Le ombre di Montelupo', Seiten: 247, Originalsprache
- Berlin: Kindler, 2007, Seiten: 288, Übersetzt: Karin Rother
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2008, Seiten: 287
Ein Dorf in Angst und der Leser fiebert mit!
Es ist November und da Commissario Soneri mehr als urlaubsreif ist, entscheidet er sich für einen kurzen Abstecher in seinen Geburtsort im Apennin unterhalb des Gebirgsmassivs des Montelupo. Dort angekommen scheint sein Urlaub jedoch schnell in Gefahr zu geraten, denn Paride, Sohn des mächtigen Wurstfabrikanten Palmiro Rodolfi, gilt seit geraumer Zeit als verschwunden. Einige Anschläge, wonach sich Paride bester Gesundheit erfreue, machen die Sache noch unklarer für die Dorfbewohner, deren Wohlergehen maßgeblich vom Erfolg der Wurstfabrik abhängt, sind doch die meisten bei dieser beschäftigt.
Während die Unsicherheit der Einwohner zunimmt stößt Soneri, der sich zunehmend für den Fall interessiert, obwohl er offiziell jede Einmischung ablehnt und vorgibt, nur in die Pilze gehen zu wollen, auf eine Mauer des Schweigens. Andeutungen und nur halb ausgesprochene Sätze lassen Soneri erkennen, dass er nach all den Jahren offenbar nicht mehr Bestandteil der verschworenen Dorfgemeinde ist. Vor allem in den Bergen scheint sich einiges verändert zu haben. Oftmals fallen Schüsse, womöglich von Wilderen, doch auch Auswärtige suchen die unwegsame Gegend auf, um sich als Drogenhändler ihren Unterhalt zu verdienen. Zusätzlich fallen immer häufiger LKWs auf, die offensichtlich das Firmengelände der Rodolfis zum Ziel haben.
Als wenig später die Nachricht die Runde macht, dass sich Palmiro Rodolfi umgebracht hat, wird die Stimmung noch bedrohlicher, ähnelt sein Selbstmord doch stark dem des Käsehändlers Capelli. Beide waren zusammen mit Gualerzi in ihrer Jugend ein unzertrennliches Trio. Doch während Rodolfi und Capelli in den letzten Kriegsjahren und der Zeit danach viel Geld machten, zog sich Gualerzi in die Berge zurück. Dort kennt der Emerit jeden Grashalm und ist für die ermittelnden Carabinieri ebenso wenig greifbar wie für Soneri, der kurz nach Palmiros Selbstmord bei einem Spaziergang die Leiche von dessen Sohn Paride entdeckt. Dieser wurde bereits vor mehreren Tagen erschossen...
Einmal mehr besticht der Autor durch eine faszinierende Atmosphäre.
Wie schon bei den voran gegangenen Büchern besticht Valerio Varesi durch eine beeindruckende Atmosphäre. Ein mächtiger Fabrikant hat ein ganzes Dorf im Würgegriff, weil er sich bei dessen Bewohnern Geld geliehen hat, um seine Firma nach Kriegsende groß zu machen. Das Wachstum der Firma sollte auch den Dorfbewohnern zu Gute kommen und so lockte er diese unter anderem mit hohen Zinsversprechungen. Doch die Gerüchte, wonach die Firma vor dem Bankrott steht, halten sich hartnäckig, erst recht, nachdem Paride, der in letzter Zeit zunehmend die Geschicke des Unternehmens geleitet hat, verschwunden ist.
"Man kann alles sehen, was passiert, aber es gibt kaum Leute, die hinschauen."
Sehr gelungen ist die atmosphärische Dichte hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Soneri und den Dorfbewohnern, die ihn von früher her noch kennen. Ständige Andeutungen und Halbsätze lassen den Commissario des Öfteren im Unklaren und geben ihm zu verstehen, dass er nicht mehr dazu gehört. Nur widerwillig lässt er sich daher in die Ermittlungen der Carabinieri um Capitano Bovolenta einbeziehen, einem militärischen Dickschädel, der von seinen festgefahrenen Mustern nie abweichen würde. Doch gegen die allgegenwärtige Angst der Dörfler vor dem Unternehmen Rodolfi kommt selbst Soneri nicht an.
"Man respektiert und achtet sie aus Angst und sieht über die Schweinereien hinweg. Doch auch im schönsten Tier in diesen Wäldern findest du, wenn du ihm den Bauch aufschneidest, innen nichts als Scheiße und Dreck, vergiss das nicht."
Der Roman Die Schatten von Montelupo ist eine Geschichte über den steilen Aufstieg eines einfachen Mannes, der letztendlich seine Karriere nicht mehr in geordnete Bahnen lenken kann und sich noch dazu von seinem ehrgeizigen Sohn vor den Karren spannen lässt. Gut dargestellt ist die Abhängigkeit eines ganzen Dorfes von den Mechanismen, welche entstehen, wenn alle von einer Person, von einem Betrieb abhängig sind. Der Frust auf die Banken, die bis zuletzt Wertpapiere der Fabrik mit großen Versprechungen verkaufen, ist verständlich, die Blauäugigkeit der Betroffenen jedoch ebenso erschreckend. Wie bei vielen italienischen Autoren üblich, schlägt auch Valeri seinen Bogen bis hin zu den Faschisten, die im Widerstand gegen die Nazis kämpften. Dies darf bei ihm nicht fehlen, genauso wenig wie Angela, die Freundin Soneris, die in diesem Roman deutlich mehr Platz einnimmt als noch im Vorgänger, wenngleich fast ausschließlich per Telefon.
Wie schon bei Die Pension in der Via Saffi begibt sich der Commissario (wie sollte es bei Varesi auch anders sein) einmal mehr auf eine melancholische Reise in die eigene Vergangenheit. Valerio Varesi ist einer der Italiener, die es hierzulande noch für viele Leserinnen und Leser zu entdecken gilt. Zumal für jene, die die ruhigen Töne genießen.
Valerio Varesi, Kindler
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