Der Atem des Jägers
- Hodder & Stoughton
- Erschienen: Januar 2007
- 12
- Pretoria: Lapa, 2004, Titel: 'Infanta', Originalsprache
- London: Hodder & Stoughton, 2007, Titel: 'Devil's Peak', Originalsprache, Bemerkung: Übersetzung aus Afrikaans
- : Lapa, 0
- Berlin: Aufbau, 2009, Seiten: 428, Übersetzt: Ulrich Hoffmann, Bemerkung: Übersetzung aus dem Englischen
Jäger atmen... unterschiedlich!
Wer hätte es gedacht, Thobela Mpayipheli darf ein weiteres Abenteuer erleben. Wer geglaubt hatte, mit "Das Herz des Jägers" hätte der Südafrikaner einen Stand-alone Romane geschrieben, der nicht zu einer Fortsetzung geeignet sei, der irrt. Und for the sake of Wiedererkennungseffekt hat der deutsche Verlag den vom Autor genehmigten englischen Titel Devil's Peak mit ganz ergreifend einfach mit Der Atem des Jägers übersetzt. Der Afrikaanse Originaltitel Infanta macht aber allein deutlich, was der Leser erwarten darf: Es geht um Kinder in diesem Buch, um Verbrechen an Kindern und wie eine Gesellschaft damit umgeht.
Drei Charaktere stehen im Zentrum dieses Romans: Zum einen ist da Thobela, ein ehemaliger Widerstandskämpfer gegen das Apartheid-Regime. Christine van Rooyen ist ein Nymphomanin, die ihren Körper an betuchte Kundschaft verkauft. Einer ihrer Stammkunden, der kolumbianische Drogendealer Carlos, verliebt sich in sie, was dem Geschäft nicht gerade dienlich ist. Außerdem lernt der Leser Benny Griessel kennen, einen Polizisten, der die psychische Belastung seines Berufs mit Alkohol zu bekämpfen versucht. Er ist der heimliche Star dieses Romans.
Im ersten Teil hat Der Atem des Jägers einen Schluckauf: viele und schnelle Perspektivwechsel zwischen drei parallel erzählten Handlungssträngen resultieren in einem galoppierenden Erzähltempo.
Der Ziehsohn von Thobela gerät in den Kugelhagel eines Tankstellenraubes. Thobela will als Zeuge vor Gericht gegen die Gangster aussagen, wird aber aufgrund seiner Vergangenheit vom Verteidiger als unglaubwürdig dargestellt. Als die Angeklagten noch vor Urteilsverkündung fliehen, schwört Thobela das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Seine Jagd führt ihn zurück nach Kapstadt, wo er einem geständigen, aber aufgrund von Verfahrensfehlern nicht verurteilten Kinderschänder begegnet. Angeekelt lauert er ihm mit einem Assegai (dem Kurzspeer der Zulu) auf und lyncht ihn.
Benny Griessel verfolgt gerade einen Frauenmörder, als er von der eigenen Frau vor die Haustür gesetzt wird. Seine jahrelangen Saufeskapaden reichen der resoluten Gattin und auch die beiden Kinder haben sich von ihrem Vater abgewendet. Mit Hilfe eines alten Arztes und Unterstützung seines Chefs versucht Benny trocken zu bleiben und er erkennt, wie viele Chancen er sich durch den Alkohol verbaut hat. Da kommt der neue Fall, von der Presse als "Artemis-Mord" bezeichnet, gerade recht, um ihm als letzte Chance zu dienen. Packend und intensiv ist Griessels Kampf nicht nur gegen den zunächst unbekannten Mörder, sondern besonders auch gegen den Alkohol und für seine Kinder.
Christine hat ganz andere Probleme. Ihre Erzählperspektive ist rückwärts gewandt, sie beichtet einem Priester die Schuld, die sie auf sich geladen hat. Sie erzählt ihm ihre ganz eigene Wahrheit von einem streng religiösen Vater, gegen den sie mit ihren frühen sexuellen Abenteuern rebellierte. Sie erzählt von ungewollter Schwangerschaft, wechselnden Liebhabern und schließlich ihren Einstieg in den Eskort-Service. Und der Priester hört ihr zu, da er - wie auch der Leser - das Geheimnis des Pakets erfahren will, das Christine zu dem Gespräch mitgenommen hat.
Nachdem der Jäger seinen Schluckauf aus dem ersten Teil besiegt hat, atmet er flach, ruhig, aber auch sehr wachsam. Die Erzählung wird weniger sprunghaft, ohne aber an Spannung zu verlieren. In dieser Phase führen die drei Stränge zusammen und dieser leise Atem der Erkenntnis gipfelt schließlich in ein sprichwörtlich atemberaubendes, nach Sauerstoff japsendes Finale aller erster Klasse.
Deon Meyer schafft es mit Der Atem des Jägers spielend, Vergehen an und Gewalt gegen Kinder aus vielen Perspektiven zu beleuchten. Außerdem spielt er mit der schnellen Verachtung und Vorverurteilung der Gesellschaft gegenüber vermeintlich Pädophilen. Thobela, dem einige Polizisten sogar dankbar für seine Morde sind, wird sich erst spät seiner rasenden Wut bewusst; die Erkenntnis, dass Lynchjustiz grundsätzlich falsch ist überlässt der Autor hingegen seinen Lesern. Hierin liegt die wahre Klasse eines guten Autors: ohne den erhobenen Zeigefinger motiviert er seine Leser, moralische Schlüsse zu ziehen. Und nicht nur mit einem Finale, das die Bezeichnung "Kopfkino" redlich verdient hat, lässt er auf eine weitere Fortsetzung hoffen.
Deon Meyer, Hodder & Stoughton
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