Die Farbe der Gier
- Scherz
- Erschienen: Januar 2007
- 1
- London: Macmillan, 205, Titel: 'False impression', Seiten: 384, Originalsprache
- Frankfurt am Main: Scherz, 2007, Seiten: 445, Übersetzt: Tatjana Kruse
- Frankfurt am Main: Fischer, 2008, Seiten: 445, Übersetzt: Tatjana Kruse
Alles für die Kunst
Die katastrophalen Anschläge auf die beiden Türme des World-Trade-Centers auf den bloßen Nervenkitzel eines Wettlaufs mit dem Tod zu reduzieren, wäre vor einigen Jahren wohl kaum denkbar gewesen. Auch jetzt mutet es noch etwas befremdlich an, wenn Jeffrey Archer den Beginn seiner Story auf den 11. September 2001 und in den 82. Stock des Nordturms legt. Wer sich je mit Jeffrey Archers Lebenslauf befasst hat, wird sich über diese kleine - zweifellos verkaufsfördernde - Provokation freilich nicht wundern.
Versteckspiel mit van Gogh
Bryce Fenston lässt sich leicht mit wenigen Worten beschreiben: Er ist Finanzmakler und besitzt eine eigene Privatbank, er ist skrupellos und er hat die Obsession, möglicht alle Kunstwerke von Weltruf, die noch in Privatbesitz sind, in die Hand zu bekommen. Um letzteres zu erreichen, ist ihm jedes Mittel recht. Notfalls bedient sich der gebürtige Rumäne seiner alten Kontakte aus der Ceaucescus-Zeit, um unliebsame Hindernisse von einer Killerin aus dem Weg räumen zu lassen.
Doch meistens funktioniert seine Masche weit weniger blutig und haarscharf am Rande der Legalität. Er sorgt dafür, dass sich die Besitzer der Kunstwerke bei seiner Bank überschulden, um ihnen am Fälligkeitstag des Kredits die geliebten Gemälde zu entreißen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Kunstexpertin Anna, die die Gemälde schätzt und die während eines Geschäfts mit einer englischen Besitzerin des berühmten van Gogh Selbstporträts mit abgeschnittenem Ohr, hinter die Machenschaften ihres Chefs kommt. Sie beschließt einzugreifen und versucht einen Käufer für den van Gogh zu finden, der bereit ist, einen marktüblichen Betrag zu zahlen, um damit die Schulden beim Hause Fenston zu begleichen.
Bryce Fenston greift zu bewährten Mitteln und hetzt seine Killerin auf die Fährte der abtrünnigen Angestellten und es kommt zu einer regelrechten Verfolgungsjagd rund um den Globus, bei der auch ein Agent des FBI eifrig mitmischt. Dort laufen schon lange fieberhafte Ermittlungen, um dem Treiben des skrupellosen Kunstliebhabers ein Ende zu setzen. So werden aus Jägern Gejagte und ein spektakulärer Wettlauf beginnt..
Hohes Erzähltempo - grob gechnitzte Figuren
Jeffrey Archer hat mit "Die Farbe der Gier" eine klassische "Hide and Seek"-Story geschrieben, in der neben der Kunstexpertin Anna, der Killerin Olga und dem FBI-Mann Jack auch der alte van Gogh munter mitspielen darf. Das Versteckspiel führt die Protagonisten dabei in atemberaubender Geschwindigkeit rund um den Erdball, und Archer sorgt mit ebenso hohem Erzähltempo dafür, dass beim Lesen keine Verschnaufpausen entstehen. Dadurch bleibt ihm allerdings offensichtlich keine Zeit für eine ausgefeilte Sprache mit spezifischen Beschreibungen der Orte an die die Akteure geführt werden oder für detailliert ausgearbeitete und facettenreiche Charaktere.
Die Welt von Archer ist klar in gut und böse eingeteilt. Etwas dazwischen oder nur eine Erklärung, warum die Bösen so böse geworden sind, sucht man vergebens. Allen Akteuren gemein ist dagegen, dass sie ein wenig künstlich wirken und grundsätzlich über alle Eigenschaften verfügen, um die ihnen vom Autor zugedachte Rolle optimal zu spielen. Der Daily-Mirror hat einmal geschrieben, Archers Figuren holzschnittartig zu bezeichnen, sei eine Beleidigung des Schreinerhandwerks. Völlig von der Hand zu weisen ist dieser Vorwurf auch in diesem Roman nicht. Anna etwa, ist nicht nur eine der kompetentesten Kunstexpertinnen der Welt, sie verfügt außerdem noch über ein fotografisches Gedächtnis und läuft Marathonbestzeiten. Es versteht sich dabei fast schon von selbst, dass sie außerdem umwerfend aussieht und solo ist.
Dass "Die Farbe der Gier" mangels Tiefgang nicht in gähnender Langeweile versinkt, verdankt der Roman dem Geschichtenerzähler Archer und seiner Fähigkeit, durch wage Vorausdeutungen und Tempowechsel Spannung aufzubauen und bis zum Finale niemals nachzulassen. Die Jagd auf den 82 Millionen teuren van Gogh glänzt mit einigen Wendungen und reichlich Action.
Englischsprachige Rezensenten sprechen im Zusammenhang mit Archer gerne von Pop-Literatur und meinen dabei so etwas wie Fast-Food zum Lesen. Damit lässt sich Archers Roman wohl am besten auf den Punkt bringen: Er ist massenkompatibel, schnell vertilgt und enttäuscht bei angemessener Erwartungshaltung auch nicht.
Jeffrey Archer, Scherz
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