Weißes Licht

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2006
  • 6
  • München: Piper, 2006, Seiten: 281, Originalsprache
  • München: Piper, 2011, Titel: 'Der Bestatter', Seiten: 288, Originalsprache
  • München: Piper, 2008, Seiten: 281, Originalsprache
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Sylvia Rucker
73°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2007

Dramatisches Paukenschlagfinale

Kommissar Christian Beyer aus Hamburg wird zu einem toten Jungen auf einer Waldlichtung ins Saarland gerufen. Dieser Mordfall ist bereits der vierte einer Serie, weshalb vom Innenministerium eine länderübergreifend ermittelnde Sonderkommission unter seiner Leitung ins Leben gerufen worden ist. In allen bisherigen Fällen wurden in immer kürzeren Abständen missbrauchte Jungenleichen im Alter zwischen 7 und 11 Jahren aufgefunden, die wie zu einer Beerdigung sorgsam aufgebahrt und hergerichtet waren. Und zu jedem dieser Opfer hat der Täter einen rätselhaften Bibelvers hinterlassen, was ihm von den Medien schnell den Namen "Bestatter" eingebracht hat. Christian und seine Leute stehen unter sehr hohem Druck, um weitere Fälle zu verhindern, denn bis jetzt gibt es nur wenige Anhaltspunkte und verwertbare Spuren, die Aufschluss über den Täter geben könnten, der auch niemals am gleichen Ort zweimal zugeschlagen hat. Daher tritt auf Wunsch des BKA Pete Altmann, der eine Ausbildung als Profiler in den USA absolviert hat, der SoKo zur Unterstützung bei. Pete soll die psychologischen Hintergründe des Täters analysieren, um einen möglichen Personenkreis bei der Tätersuche einzugrenzen, hat aber zunächst mehr mit den Vorurteilen seiner Kollegen zu kämpfen, die seine Mitarbeit und Methoden wenig schätzen und für unnötig befinden.

Neben den Geschehnissen um die Sonderermittler spielt die Psychologin Anna Maybach eine zentrale Rolle, die durch ihre persönliche Bekanntschaft mit Pete die Verbindung zwischen den beiden Handlungssträngen herstellt. Anna betreibt eine eigene Praxis, in der sie eine Handvoll Patienten betreut und hält nebenher als Gastdozentin an der psychologischen Fakultät der Hamburger Uni Vorträge über die Faszination des Bösen, insbesondere über Frauen, die sich in Mörder verlieben. Bei einem dieser Vorträge ist sie auch Pete zum ersten Mal begegnet und ihm recht schnell recht nah gekommen. Als sie durch ihn von den Machenschaften des Bestatters erfährt, beginnt sie zunächst aus rein beruflicher Neugier sich mit dem Fall zu befassen. Doch schließlich werden ihre Recherchen im Zusammenhang von Kindesmissbrauch und den vom Bestatter verwendeten Bibelzitaten zu einem wichtigen Faktor für die polizeiliche Ermittlungsarbeit und sie wird mehr oder weniger offiziell daran beteiligt. Und letztlich ist es ihren Rückschlüssen und ihrem eigenen Einsatz, der sie unverhofft selbst in Lebensgefahr bringt, zu verdanken, dass der Fall vollends gelöst werden kann.

Marina Heib greift in ihrem psychologischen Debütroman engagiert die allgemein sehr emotional besetzten Themen des organisierten Kinderhandels und Pädophilie auf. Leider bedient sie sich dabei aber auch stark den hierzu gängigen Klischees. So gibt es den brutalen Handlanger der Organisation, der sich um unbequeme Kunden kümmert und die sonst anfallende Drecksarbeit erledigt. Auch ein in der Öffentlichkeit stehender Richter und damit aufgrund seiner pädophilen Neigungen erpressbarer Kunde ist ebenso mit von der Partie wie die am sozialen Abgrund lebende Mutter, die blind und nichts ahnend ihren Sohn dem "väterlichen Freund" anvertraut.

Davon mal abgesehen, ist jedoch schon die durch das Buch hervorgerufene Vorstellung erschreckend, dass dies zwar sicher ein Teil der Realität ist, daneben aber vermutlich noch sehr viel mehr an Missbrauch und Misshandlung in einem vermeintlich normalen gutbürgerlichen Leben passiert. Und das vielleicht sogar beim nächsten Nachbarn hinter der verschlossenen Tür.

Der sprachliche Ausdruck ist glatt und direkt, wirkt aber streckenweise gerade zu Beginn des Romans etwas zu angestrengt. Oft hat man den Eindruck, dass sich die Autorin extrem um eine übertriebene sprachliche Lebendigkeit bemüht. Doch irgendwann hat man sich daran gewöhnt und man kann der Geschichte gut folgen. Im weiteren Verlauf gehen beide Handlungsstränge immer stärker ineinander über, was bis zum fast dramatischen Paukenschlagfinale ein gutes Maß an Spannung erzeugt. Ob man unter moralischen Gesichtspunkten das Ende vertreten kann, muss jeder Leser für sich selber entscheiden.

Insgesamt ist "Weißes Licht" ein leicht zu lesender und schlüssig geschriebener Krimi, den man gut in einem Rutsch durchlesen kann. Allerdings hätte ich mir gerade zu diesem betroffen machenden Thema noch etwas mehr Intensität und vor allem mehr Ecken und Kanten gewünscht. Manches geht einfach zu glatt vonstatten.Vielleicht liegt es auch an dem oft zu betont lebendigen Schreibstil, der von der gewünschten Ernsthaftigkeit des Themas ein Stück weit ablenkt.

Weißes Licht

Marina Heib, Piper

Weißes Licht

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