Die letzte Partitur
- BLT
- Erschienen: Januar 2006
- 0
- Barcelona: Debolsillo, 2005, Titel: 'El enigma Vivaldi', Seiten: 363, Originalsprache
- Bergisch-Gladbach: BLT, 2006, Seiten: 429, Übersetzt: Klaus E. Lehmann
Kein großer literarischer Wurf, aber gut recherchiert
Venedig ist immer eine Reise wert. Das wissen wir heute, und das wusste man auch schon vor über 250 Jahren. Venedig war die Heimat des großen Geistlichen und Komponisten Antonio Vivaldi. Den alten Mann zieht es am Ende seiner Tage im Jahr 1741 nach Wien, wo er versucht, einem alten und gefährlichen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Durch sein hohes Alter und die enormen Anstrengungen der Reise liegt er schon bald im Sterben. Eigentlich weiß überhaupt nur seine Wirtin noch von seiner Anwesenheit in Wien. Eines abends tauchen jedoch zwei Gestalten auf, die unbedingt mit ihm sprechen müssen. Drei Tage nach dem Gespräch stirbt Vivaldi, aber seitdem sind gewisse Kreise auf der Suche nach einem verschlüsselten Geheimnis, das er irgendwie irgendwo hinterlassen haben muß.
Im Jahr 2006 nimmt ein junger Spanier an einem Kongreß in Venedig teil. Lucio Torres ist Geiger und interessiert sich nicht nur für den musikalischen Teil der Veranstaltung, sondern auch für das Wühlen nach Handschriften in Archiven. Dort macht er durch Zufall eine interessante Entdeckung. Er findet eine Partitur für ein Violinstück, das deutlich aus der Hand Vivaldis stammt, das aber beim ersten Lesen keinen Sinn ergibt. Die Melodie ist schrecklich, es scheint überhaupt keinen inneren Zusammenhang zu haben, es ist für Vivaldis Zeit zu schwer und es enthält Intervalle, die zur damaligen Zeit verboten waren.
Dennoch steckt er das Papier ein. Und zeigt es der Tochter seiner Wirtin, in die er sich inzwischen verliebt hat und die ihm auch sehr zugetan ist. Maria ist ebenfalls ein Fan von Vivaldis Musik und weiß, dass Vivaldi ein solches Stück hinterlassen haben soll. Ihr ehemaliger Professor an der Universität soll ihre helfen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Aber es gibt noch mehr Menschen in und außerhalb von Venedig, die sich plötzlich für diese Partitur interessieren und Lucio und Maria das Leben schwer machen wollen. Schließlich war Vivaldi einst Mitglied eines venezianischen Geheimbundes, der Dinge herausgefunden hat, deren Wissen die Kirche gerne verhindern würde.
Alles schon mal da gewesen?
Peter Harris beschreibt in seinem Debütroman eine spannende Geschichte, die einem jedoch irgendwie bekannt vorkommt. Geschichten um Geheimnisse der Kirche sind ja nichts neues und irgendwie immer ähnlich, spätestens seit "Sakrileg" von Dan Brown, sei es Buch oder Film, sind solche Inhalte in aller Munde. Man sollte Harris jedoch nicht vorwerfen, sich an diese Geschichte anzuhängen, schließlich gab es derlei Bücher auch schon vor Dan Brown und wird es auch noch nach Harris geben. Neu ist in diesem Fall, dass es sich im Umkreis der Musik abspielt. Da nicht alle Menschen Noten lesen können geschweige denn sie auf einem Instrument nachspielen können, wird der Kreis der Verdächtigen von vornherein eingeschränkt und der Spielraum der Handlung vermeintlich eingeschränkt. Aber da Vivaldi ja nicht nur Komponist, sondern auch geweihter Geistlicher war, eröffnen sich dem Autor hier mannigfaltige Möglichkeiten, worum es überhaupt gehen könnte.
Harris schreibt sehr flüssig, sein Stil ist sehr lesefreundlich, und man legt das Buch nur schwerlich vor dem Ende wieder aus der Hand. Seine Personenzeichnung ist sehr klar und lässt eigentlich nichts zu wünschen übrig. Die Handlungsstränge sind klar erkennbar und laufen am Ende gut konstruiert ineinander über. Es gibt schließlich nicht nur eine Gesellschaft, die sich für plötzlich aufgetauchte Geheimnisse interessiert. Und auch die Liebesgeschichte zwischen Lucio und Maria will ja erzählt werden.
Sehr viele Zufälle
Allerdings geht gerade das ein bisschen schnell. Dass sich zwei junge Menschen innerhalb von wenigen Tagen kennen lernen, ineinander verlieben, ein großes Geheimnis der Kirchengeschichte entdecken und lüften und beschließen zu heiraten, klingt ein wenig utopisch und eher wie eine Wunschvorstellung. Auch andere Zufälle in dem Roman passen zu gut zueinander, als dass sie nicht konstruiert wirken würden.
Das alles aber trübt das Lesevergnügen nicht, es ist nur sehr auffällig. Lobend erwähnen muß man, dass nicht nur über das Violinstück geredet wird, sondern dass innerhalb des Romans auch die Noten abgedruckt werden. Wer zu Hause eine Geige liegen hat oder ein Klavier stehen hat, kann so das Stück nachspielen und sich noch etwas tiefer in das Geheimnis einarbeiten. Und da nicht nur dieser Code, sondern am Ende auch der ebenfalls gesuchte Schlüssel dazu abgedruckt wird, kann jeder für sich die Botschaft selbst entschlüsseln und so am Abenteuer der beiden teilhaben.
Das Ende des Buches und die Auflösung der Geschichte ist natürlich etwas dramatisch und daher nicht ganz unblutig, letztlich aber doch ein bisschen schwach dem vorherigen Geschehen gegenüber. "Die letzte Partitur" ist kein großer literarischer Wurf, aber er ist gut recherchiert, und durch das Auftauchen des alten Meisters Vivaldi zu Beginn des Buches bekommt es noch einen Hauch von etwas mystischem dabei. Aber das war es dann auch schon. Wenn sie sich gut unterhalten wollen, dann liegen Sie mit diesem Buch richtig. Nicht mehr und nicht weniger.
Peter Harris, BLT
Deine Meinung zu »Die letzte Partitur«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!