Die Toten von Santa Lucia

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2006
  • 1
  • München: Goldmann, 2006, Seiten: 288, Originalsprache
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Eva Bergschneider
73°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2007

Tragisch-schön neapolitanisch

Die Toten von Santa Lucia ist der Auftakt einer neuen Krimi-Reihe mit dem Schauplatz Neapel. Die ehemaligen Lektorin Barbara Krohn arbeitete vier Jahre an der Universität der süditalienischen Metropole. Kaum ein Ort scheint für Kriminalliteratur ähnlich prädestiniert zu sein, denn Neapel ist eine Hochburg der mafiaartigen Organisation Camorra, die für Drogen- Schwarzhandel und Straßenkriminalität verantwortlich gemacht wird. Die Autorin thematisiert in Die Toten von Santa Lucia ihren bis in die Politik hinein reichenden Einfluss. Ein realitätsnaher Ansatz, denn die Schattenwirtschaft ist eine der bedeutendsten ökonomischen Kräfte der Stadt und die Camorra gilt inoffiziell als der größte Arbeitgeber Neapels.

Zwei Nadeln, ein Heuhaufen..

Die Journalistin Sonja Zorn kommt nach Neapel, um ihre 19-jährige Tochter Luzie zu suchen. Commissario Gentilini, der Kollege eines gemeinsamen Freundes, empfängt die Hamburgerin überraschenderweise am Flughafen. Sonja ist nicht gerade begeistert, einen Beschützer vorgesetzt zu bekommen, schließlich hat sie ihr bisheriges Leben bestens allein bewältigt.

Auf einer Venedig-Reise direkt nach dem Abitur wurde Sonja von dem Neapolitaner Antonio schwanger, der, nach einem kurzen Gegenbesuch, den Kontakt abbrach. Luzie erfuhr jahrelang kein Wort über die Identität ihres Erzeugers, bis sie längst vergessene Papiere in einem alten Koffer entdeckte. Nach heftigem Streit mit ihrer Mutter, reiste Luzie Hals über Kopf nach Neapel, um Kontakt zu ihrem Vater aufzunehmen, von dem sie lediglich den Vornamen kannte.
Die ihrer Tochter nach gereiste Sonja klappert zahllose Sprachenschulen, Cafés und Reisecenter Neapels ab. Sie hinterlässt überall ihre Adresse, doch Luzie bleibt spurlos verschwunden.

..und einige Tote

Obwohl Sonja Gentilini nicht nur durch die fremden Straßen, sondern auch zu Tatorten der Camorra-Morde folgen muss, weiß sie die Unterstützung immer mehr zu schätzen. Schließlich findet die Polizei die Leiche des Kleinkriminellen Zazzini und in dessen Wohnung den Koffer, in dem sich Antonios Papiere befanden. Immer mehr zeichnet sich ab, dass Luzie ihrem unbekannten Vater in ein Komplott aus Gier und Mord gefolgt ist, dass nun auch ihr Leben zu gefährden droht.

Eine Stadt mit Licht- und Schattenseiten

Ist Die Toten von Santa Lucia als Abrechnung oder als eine Liebeserklärung an die Stadt, in der Barbara Krohn gelebt und gearbeitet hat, zu verstehen? Eher letzteres, obwohl schonungslos charakteristische soziale und politische Missstände aufzeigt werden. Jeder einzelnen Seite des Romans ist anzumerken, dass die Autorin mit Neapel auf Tuchfühlung gegangen ist.

Mit viel sprachlicher Eleganz wird die pulsierende Vitalität der Stadt beschrieben. Intensive Bilder veranschaulichen das mediterrane Flair, das lässige Lebensgefühl und nicht zuletzt die neapolitanische Esskultur. Die Grundlage für die Geschichte in Die Toten von Santa Lucia bildet die problematische wirtschaftliche Situation und weit verbreitete Korruption in der süditalienischen Metropole.

Staatliche Gelder, die eigentlich der Bevölkerung zugute kommen sollen, verschwinden nicht selten auf nimmer wiedersehen. Und wehe dem kritischen Geist, der Verbindungen zwischen Politik und Verbrechen an den Pranger stellt.

Story und Atmosphäre top - Nervenkitzel eher mau

Die Verkörperung des italienischen Charmes tritt in Gestalt von Commissario Gentilini auf. Als unbeugsamer Streiter für die Gerechtigkeit, ist er ein kluger und leidenschaftlicher Typ, der ausrasten, aber auch spontan italienische Gassenhauer trällern kann. Commissario Gentilini hat mit seiner seriösen und doch erfrischenden Art das Zeug, die Riege der Italo-Serienermittler positiv zu verstärken. Als Pendant zu dem smarten Italiener, wirkt die Hamburger Journalistin Sonja Zorn etwas blass. Ein paar Ecken und Kanten hätten die sympathische und couragierte, aber etwas zu perfekte Hauptprotagonistin vielschichtiger erscheinen lassen.

In ihrer Nachbemerkung schreibt Barbara Krohn, welche tatsächliche Begebenheit als Inspiration für Die Toten von Santa Lucia gedient hat. Dieser interessante Hintergrund sollte eigentlich reichlich Stoff für einen überaus spannenden Krimi bieten. Doch leider steht die Suche nach der Tochter viel zu sehr im Mittelpunkt des Geschehens, die Morde werden in den Hintergrund gedrängt. Die Bedrohlichkeit der Situation, in die sich das Mädchen gebracht hat, wird durchaus fesselnd entwickelt, allerdings führt die fast beiläufige Suche nach dem Killer dazu, dass ein etwas seichter Gesamteindruck zurück bleibt.

Insgesamt ist Barbara Krohn mit Die Toten von Santa Lucia ein unterhaltsamer Italien-Krimi gelungen, der durch eine brisante Story, mit viel sprachlicher Raffinesse erzählt, überzeugen kann.

Die Toten von Santa Lucia

Barbara Krohn, Goldmann

Die Toten von Santa Lucia

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