Die weiße Nacht des Todes
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2007
- 2
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007, Seiten: 384, Übersetzt: Gabriele Schrey-Vasara
- Helsinki: Gummerus, 2005, Titel: 'Likainen kaupunki', Originalsprache
Das hat was
Wenn man sich in einer Buchhandlung umschaut, dann gewinnt man den Eindruck, wir werden von skandinavischen Krimis überschwemmt. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl gesehen, schlagen die Nordlichter die ansonsten auch sehr beliebten amerikanischen und englischen Krimis sicher um Längen, in punkto Abwechslungsreichtum hat es jedoch den Anschein, dass sie hier noch etwas aufzuholen haben. So fühlt man sich fast in einen Krimi von Leena Lehtolainen versetzt, wenn man die ersten Seiten von Die weiße Nacht des Todes gelesen hat, doch dieser Eindruck verfliegt recht schnell. Jarko Sipilä erzählt hier eine Geschichte, die man ohne Déjà-vu-Gefühl verfolgen kann.
An einem Parkplatz nahe einer Tankstelle wird das Wrack eines ausgebrannten Lkws gefunden. Im verkohlten Führerhaus findet sich die Leiche eines Mannes. Kommissar Kari Takamäki und sein Team übernehmen den Fall. Die Obduktion ergibt, dass das Opfer nicht an den Folgen des Brandes starb, sondern an einer Überdosis Heroin. Er war schon tot, als der Brand ausbrach und es wurde Brandbeschleuniger verwendet. All das deutet auf Mord hin. Die Recherche am Zoll führt zum dem Ergebnis, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen Esten namens Ivo Martinsoni handelt.
Der Weg führt nach Tallinn und wieder zurück
In der Datenbank der Polizei und der Grenzschutzbehörde ist nichts über ihn zu finden, doch das Zentralregister der Strafvollzugsbehörde gibt an, dass Martinsoni ein gutes Jahr in einem finnischen Gefängnis saß. Dem dortigen Gefängnisdirektor ist der angebliche Häftling wiederum nicht bekannt. Die estnische Polizei reagiert nicht auf die Anfragen, so dass sich ein Mitglied von Takamäkis Team in den Hubschrauber nach Tallinn setzt, um die ganze Sache zu beschleunigen. Doch die Spur führ wieder zurück nach Finnland und bringt Takamäki in einen Konflikt mit der eigenen Behörde.
Jakko Sipilä ist kein Anfänger. Sein erster Krimi erschien 1996 und seine Serie um Kommissar Kari Takamäki umfasst derzeit sechs Bände. Mit dem fünften Band versucht man, ihn in Deutschland bekannt zu machen. Nicht mit dem ersten Band zu starten ist eine Praxis, die bei den Verlagen recht verbreitet ist, man setzt wohl auf die vermeintlich höhere Qualität. Später kann man immer noch die schwächeren Bücher unters Volk bringen. Dass man nicht von Anfang der Serie an dabei ist, stört in diesem Moment jedoch überhaupt nicht. Man findet einen guten Einstieg und Sipilä liefert genügend Background-Informationen über das Team der Ermittler, ohne zu sehr ins Detail zu gehen.
Die Hauptfiguren sind bis auf die kleine Vorreiterstellung von Kommissar Kari Takamäki nahezu gleichberechtigt. Sie versinken nicht, wie ansonsten in skandinavischen Krimis recht weit verbreitet, in einer düsteren Melancholie, sondern Alltagsprobleme wie Stress und zu wenig Zeit für die Familie werden in einer normalen Dosis eingesetzt. Auch der überspitzte Hinweis auf soziale Probleme in der Gesellschaft fehlt, wird aber auch nicht vermisst. An die ungewöhnlichen Namen gewöhnt man sich schon nach kurzer Zeit, auch wenn Mäki und Takamäki wie die finnische Variante von Meier und Obermeier klingen.
Überzeugend ohne wenn und aber
Der Autor treibt die Geschichte dynamisch voran, ohne irgendwelche unglaubwürdigen Thrill-Elemente einzusetzen und schildert solide Polizeiarbeit, ohne zu langweilen. Insgesamt profitiert die Geschichte von seinen Erfahrungen als Kriminal- und Justizreporter. Mit seiner überzeugenden und unaufgeregten Schreibweise fesselt er den Leser genau so viel, dass man das Buch ungern weglegen möchte. Mit zwei Lösungsvarianten ist das Ende zwar nicht allzu überraschend, aber Enttäuschung macht sich zu keiner Zeit breit.
Cover und deutscher Titel passen eigentlich nicht zur erzählten Handlung, da hätte man es eher bei "Dreckige Stadt" (Likainen Kaupunki) belassen sollen. Auch wenn der gewählte Titel Die weiße Nacht des Todes wenig einprägsam ist, den Namen Jarkko Sipilä kann man sich ruhig merken.
Jarkko Sipilä, Rowohlt
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