Der Großaktionär
- Diogenes
- Erschienen: Januar 2007
- 3
- Ein Fall für Kostas Charitos 4
- Athen: Gabrielides, 2006, Titel: 'Βασικός Μέτοχος', Originalsprache
- Zürich: Diogenes, 2007, Seiten: 480, Übersetzt: Michaela Prinzinger
- Zürich: Diogenes, 2009, Seiten: 477
- München: AirPlay Entertainment, 2008, Seiten: 7, Übersetzt: Thomas Piper
Terror, Mord und Dauerstau
Der neue Roman von Petros Markaris spielt nicht nur in Athen, im Stammrevier von Kommissar Charitos, sondern auch auf Kreta. Wer bereits einen der Vorgängerromane von Markaris gelesen hat, wird sicher ahnen, dass dieser Ausflug nur kurz sein kann und Charitos einmal mehr die Gelegenheit bekommt, zu beweisen, dass sich knifflige Kriminalfälle auch im Athener Verkehrschaos lösen lassen.
Terrorismus und Serienmorde
Katerina, die Tochter von Kommissar Charitos, tritt nach bestandener Doktorprüfung gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten eine Urlaubsreise nach Kreta an. Die Fähre, die die Beiden für die Überfahrt nehmen, wird jedoch von einer unbekannten Terrorgruppe gekapert. Niemand kennt die Ziele der Gruppe, die sämtliche Passagiere auf dem Schiff vor Chania festhalten. Die Polizei installiert eilig eine Einsatzzentrale auf der Mittelmeerinsel und der verzweifelte Charitos reist, gemeinsam mit seiner Frau, auf eigene Faust nach Kreta.
Da die Einsatzleitung von dessen Auftauchen nicht gerade begeistert ist, kommt es nicht ungelegen, dass unmittelbar nach der Entführung der Fähre die Leiche eines Schauspielers, der durch Werbeauftritte im Fernsehen in ganz Griechenland bekannt ist, in Athen aufgefunden wird. Charitos wird zurück ins Präsidium gerufen und mit der Klärung des Falls beauftragt. Währenddessen befindet sich seine Tochter weiter in den Händen der unbekannten Entführer und immer akuter in Lebensgefahr.
Obwohl sich der Kommissar daher nur widerwillig und in ständiger Sorge um die geliebte Tochter mit dem Fall auseinander setzt, ahnt er sehr schnell, dass es sich bei dem vermeintlichen Mord im Homosexuellenmilieu, möglicherweise um den Anfang einer Mordserie handelt, hinter der weit mehr steckt, als bloße Eifersucht. Der Verdacht scheint sich zu bestätigen, als plötzlich anonyme Botschaften mit höchst ungewöhnlichen Forderungen und Drohungen auftauchen.
Kriminalgeschichte und Gesellschaftsroman
Für Petros Markaris ist der Kriminalroman, nach eigener Aussage, der perfekte Rahmen für eingehende Betrachtungen der griechischen Gesellschaft und so ist denn auch seine Figur Charitos kein desillusionierter Einzelgänger, wie etwa seine berühmten Kollegen aus Schweden (Wallander) und Schottland (Rebus), sondern Familienvater und tief verwurzelt mit dem Leben und der jüngeren Vergangenheit Griechenlands und seiner Hauptstadt. Das gibt Markaris die Möglichkeit, ausgiebig die menschlichen Konflikte zu betrachten, in die der Kommissar gestürzt wird. Der Autor hat dabei kein zentrales Thema, sondern er nutzt die authentischen Figuren des Kommissars und seines Umfeldes, um immer wieder in kleinen Episoden ein Stück griechischer Realität zu sezieren. Das reicht von der Familie, über die Rolle Griechenlands in der internationalen Politik, bis hin zu den dunklen Kapiteln der Junta-Zeit.
Der Kommissar und seine Frau, beide ausgestattet mit einem durchaus traditionellen Rollenverständnis, sehen sich da einer modernen Tochter gegenüber, die nicht nur nicht kochen kann, sondern über eine Karriere nachdenkt und die Regeln einer Beziehung anders definiert als ihre Eltern. Aber auch Charitos selbst muss erkennen, dass in der Ausnahmesituation der Entführung, seine Frau die Stärkere ist, die versucht die Medien für sich zu nutzen und aktiv für die Befreiung der Tochter zu kämpfen, während er, der krisenerfahrene Kommissar, in verzweifelter Untätigkeit erstarrt. Im Zusammenhang mit der Entführung und der unbekannten Identität der Geiselnehmer, stellen sich darüber hinaus weitere Fragen, denen sich Markaris annimmt: Wie geht man mit Forderungen von Terroristen um? Welche Rolle spielte Griechenland im Krieg auf dem Balkan und wie soll mit Griechen verfahren werden, die dort auf der Seite der Serben, in der Überzeugung orthodoxen Glaubensbrüdern zu helfen, gekämpft und Gräueltaten begangen haben?
Dem Autor gelingt es, diese Themen selbst für Nicht-Griechen interessant zu behandeln, auch wenn durch das akribische Aufführen aller Straßennamen, wieder eine ordentliche Portion Lokalkolorit im Roman enthalten ist, da er ein lebendiges Bild des modernen Griechenlands in Europa zeichnet. Dass Der Großaktionär dabei nicht langweilig wird und der Krimi nicht zu kurz kommt, ist der geschickten Konstruktion der Geschichte zu verdanken. Der Kriminalfall entwickelt sich zunächst parallel zur Entführung, sozusagen nebenbei, während Markaris sich klassischen Thrillerelementen bedient, um die Spannung hoch zu halten. Nach etwa der Hälfte des Romans und der Beendigung der Kaperung der Fähre, nimmt die Krimigeschichte deutlich an Fahrt auf und der Leser befindet sich unmittelbar in einem klassischen Polizeikrimi.
Intelligente Unterhaltung mit authentischen Figuren
Angesichts des geschickten Aufbaus und der fesselnden Erzählung, sei es Markaris verziehen, dass die Auflösung des Falls am Ende ein wenig zufällig und nebensächlich gerät. Der Großaktionär ist dank der authentischen Figuren und des Tiefgangs spannender Lesestoff für alle, die etwas anspruchsvollere Krimiunterhaltung suchen. Der Roman ist gut geschrieben, daher dennoch leicht zu lesen und er hebt sich wohltuend ab vom einerlei der Polizeikrimis.
Petros Markaris, Diogenes
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