Das Tagebuch der Signora
- Diogenes
- Erschienen: Januar 2007
- 1
- --: --, 0, Titel: 'Soluzione vitale', Originalsprache
- Zürich: Diogenes, 2007, Seiten: 288, Übersetzt: Ulrich Hartmann
- Zürich: Diogenes, 2009, Seiten: 276
Ein ungleiches Paar kämpft gegen den Neofaschismus
Liaty Pisani, ihren Lesern bislang vorwiegend als Autorin von Spionage-Thrillern vertraut, greift in ihrem aktuellen Roman Das Tagebuch der Signora ein Ereignis aus einer Epoche auf, die sie selber gar nicht mehr erlebt hat. Eine wahre Begebenheit aus dem Zweiten Weltkrieg, nämlich ein Massaker aus dem Jahr 1943, bei dem am Lago Maggiore zahlreiche Juden und auch Sympathisanten getötet wurden, nimmt sie als Aufhänger, um auf den wieder aufstrebenden Neofaschismus in ihrem Heimatland hinzuweisen.
Dies tut sie mittels eines Tagebuchs, geschrieben von der todkranken Signora Connie Brandini, nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA emigriert und nun wieder nach Italien zurückgekehrt, um dort zu sterben. Damals, zur Zeit des Massakers, war sie noch ein Teenager, frisch verliebt in einen jüdischen Jüngling, der auch zu den Opfern der Tragödie zählte. Sie kennt mittlerweile die Schuldigen von damals, die nie für ihre Untaten belangt wurden, die sogar ihr faschistisches Gedankengut bis in die heutige Zeit weiterverbreiten konnten. Und sie will dafür sorgen, dass die ganze Wahrheit nach ihrem Tode bekannt wird.
Als ihren Helfershelfer auserkoren hat sie dafür den jungen New Yorker Künstler Frank Veronese, ebenfalls italienischer Abstammung. Dieser hat durch seine politischen Arbeiten nicht nur die Aufmerksamkeit der Signora, sondern wohl auch die von politischen Gruppierungen, denen er mit seinen Kunstwerken auf die Füße getreten ist, auf sich gezogen. Aus diesem Grund möchte er auch die USA für einige Zeit verlassen und sich in Italien ansiedeln.
Veronese wiederum steht seit geraumer Zeit in freundschaftlichem schriftlichem Kontakt mit dem fast achtzigjährigen italienischen Schriftsteller jüdischer Abstammung Giorgio Zevi, der eigene Erfahrungen in Konzentrationslagern aufweisen kann und damals als einziger seiner Freunde überlebte. Auf einem Kongress lernen sich Veronese und Zevi persönlich kennen und verstehen sich auf Anhieb hervorragend.
Gemeinsam beschließen sie, das Tagebuch der Signora in Sicherheit zu bringen und nach deren Tod zu veröffentlichen. Doch scheinen bereits Leute hinter ihnen her zu sein, die dies zu vereiteln suchen...
Oft mehr Symbolik als Realismus
Selten vermag ein Krimiautor in einem derart nüchternen Schreibstil all das auszudrücken, was wichtig und notwendig ist, wie Liaty Pisani. Heutzutage, da der Trend immer mehr zum 500 Seiten-Krimi geht, ist es selten, dass man auch mit der Hälfte der Worte genug auszusagen vermag, um dem Leser einen anspruchsvollen Kriminalroman zu bieten. Obwohl die Handlung an sich reichlich konstruiert wirkt, erreicht die Grundaussage der aktuellen politischen Situation in Italien den Leser mehr als deutlich.
Die historischen Vorgaben hat Frau Pisani gut recherchiert und ebenso gut in die Handlung ihres Romans integriert. Sehr gemächlich baut sie ihre Charaktere auf. Dadurch aber lernt man diese auch um so besser kennen und vor allem ihre Intentionen verstehen. Aus der Sicht eines 80-jährigen Mannes, der im Krieg den Vernichtungslagern entkommen ist, sieht dabei schon manches ganz anders aus als durch die Augen eines jungen Künstlers, der fast sein ganzes bisheriges Leben in Amerika verbracht hat. Die langsam wachsende Freundschaft der beiden Männer über Generationen hinweg steht im Mittelpunkt einer Handlung, die in Einzelteilen mehr Symbolik als Realismus aufweist. Dazu zählt auch die Integration des verstorbenen österreichischen Schauspielers Oskar Werner, der im Kampf gegen Faschismus und Antisemitismus sehr engagiert war.
So langsam und gemächlich das Buch auch beginnt, um so furioser geht es zu Ende. Als sich der Leser bereits mit dem geruhsamen Tempo der Handlung angefreundet hat, bringt Liaty Pisani nochmals Action ins Geschehen und liefert dabei noch so manche Überraschung.
Das Tagebuch der Signora ist nicht nur eine Warnung vor rechtsextremistischen Gruppierungen, sondern auch ein hervorragend geschriebener Kriminalroman, der gute Unterhaltung, reichlich Stoff zum Nachdenken und zum Ende hin auch noch Spannung und göttliche Vorsehung bietet.
Liaty Pisani, Diogenes
Deine Meinung zu »Das Tagebuch der Signora«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!