Eine unbeliebte Frau

  • Monsenstein und Vannerdat
  • Erschienen: Januar 2006
  • 70
  • Münster: Monsenstein und Vannerdat, 2006, Seiten: 424, Originalsprache
  • Berlin: List, 2009, Seiten: 382, Originalsprache, Bemerkung: überarbeitete Fassung
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2011, Seiten: 6, Übersetzt: Julia Nachtmann, Bemerkung: gekürzt
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Peter Kümmel
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2007

Ein Sumpf von Verbrechen im Milieu der Schönen und Reichen

Wenn "eine unbeliebte Frau" ermordet wird, dann muss es Verdächtige zuhauf geben. Beste Voraussetzungen also für eine spannende und abwechslungsreiche Tätersuche.

 

"Pia-Luise Kirchhoff lehnte am Zaun der Koppel. Sie hatte die Arme auf die oberste Stange gelegt und beobachtete zufrieden ihre beiden Pferde, die durch das taufeuchte Gras schritten, ..."

 

"Es wäre das erste Mal gewesen, dass Cosima vor dem Abflug nicht irgendetwas Lebenswichtiges in ihrem Büro vergessen hätte. Deshalb war Oliver von Bodenstein auch nicht sonderlich überrascht, als seiner Frau morgens um halb acht siedendheiß die Frachtpapiere für die Kameraausrüstung einfielen, die noch im Tresor in den Räumen ihrer Firma lagen."

 

Es scheint bereits auf den ersten beiden Seiten so, als befänden wir uns im Milieu der High Society in Frankfurts Vorstädten im Taunus. Doch halt - unsere beiden Protagonisten sind ja "nur" die Ermittler der Kriminalpolizei.

Nach einigen ruhigen Wochen gibt es gleich zwei neue Fälle an einem Tag für die Beamten des K11, eines neues Dezernats für Gewaltkriminalität in Hofheim im Taunus. Und das erste der beiden Opfer ist zudem ein recht prominentes. Der Frankfurter Oberstaatsanwalt und designierte hessische Justizminister Dr. Joachim Hardenbach wird in einem Weinberg tot aufgefunden. Er hat sich mit einem Schrotgewehr in den Mund geschossen. Auch der zweite Fall sieht zunächst nach Selbstmord aus. Eine junge Frau liegt tot am Fuße eines Aussichtsturms. Doch nach genaueren Untersuchungen gehen die Ermittler von einem Mordfall aus. Bei der Leiche handelt es sich um Isabel Kerstner, die Frau eines Tierarztes, die sich von diesem vor kurzem getrennt hat.

Gewollte Klischees?

Mit Akribie gehen die Ermittler zu Werke und stellen bald fest, dassß kaum jemand um das Mordopfer wirklich trauert. Isabel war eine überaus schöne Frau und dies machte sie sich zunutze. Für Isabel zählte nur Luxus und Reichtum - etwas, das sie von ihrem Ehemann nicht bekommen konnte, denn dieser steckte sein ganzes Geld in seine Tierarztpraxis. Doch Isabel konnte bei jedem Mann landen. Zug um Zug stellt sich heraus, dass sie mit fast jedem in die Handlung verstrickten Mann ein Verhältnis hatte, bei dem sie auf ihren Vorteil bedacht war. So manch einer der Liebhaber merkte aber schließlich, dass er ausgenutzt wurde. So machte sich Isabel nicht nur bei den Männern unbeliebt, sondern auch deren betrogene Ehefrauen waren nicht gut auf sie zu sprechen. An Mordmotiven bestand also kein Mangel.

Die Welt ist böse und wer reich ist, der muss Dreck am Stecken haben. Nele Neuhaus lässt kaum ein Klischee aus. Sei es die Besitzerin des Reiterhofs, die ein Techtelmechtel mit ihrem Stallknecht hat oder die reichen Mütter, die für ihre Töchter nur das Beste (und das sind in der Regel gute Turnierpferde) wollen. Doch eigentlich vermag man in diesem Milieu kaum ohne diese Klischees auszukommen - und wenn man es tut, bleibt dann noch ein Roman, wie ihn die (vermutlich vorwiegend weibliche) Leserschaft wünscht? Wohl kaum. Dashalb nehmen wir die Klischeehaftigkeit als Faktum hin und nicht als Kritik.

Von New York in den Taunus

Eine unbeliebte Frau vermag durchweg exzellent zu unterhalten. Die Autorin versteht es perfekt, ihre Leser häppchenweise mit neuen Informationen zu versorgen und so die Spannung auf konstant hohem Niveau zu halten. Geschickt verlagert sie nicht nur den Verdacht immer wieder auf andere Personen, sondern bringt auch Nebenschauplätze ins Spiel, die oft mit krummen Geschäften zu tun haben. Nach und nach kristallisieren sich kleine und große Bösewichter heraus und es scheint fast so, als bliebe zum Schluß keiner mehr als Saubermann übrig. Fast vergisst man in diesem Sumpf von Verbrechen, dass ja immer noch ein Mord zu klären ist. Und gehen wie so oft die großen Drahtzieher am Ende mit weißer Weste hervor, weil man ihnen nichts nachweisen kann?

Nachdem Frau Neuhaus mit einem "amerikanische" Thriller in Grisham-Manie debütierte, betritt sie in ihrem zweiten Buch völig andere Gefilde. Auch in New York hat sie kurze Zeit gelebt, doch hier ist sie wirklich zuhause. Die Handlung von Eine unbeliebte Frau hat sie in die unmittelbare Nähe ihres Wohnorts Kelkheim integriert. Durch die detailgenaue Schilderung der Örtlichkeiten ist somit nicht für für Leser aus dem Taunus genügend vom oft angesprochenen Lokalkolorit vorhanden. Doch nicht nur die Orte der Handlung kennt die Autorin wie ihre Westentasche, auch mit dem Milieu dürfte die begeisterte Reiterin bestens vertraut sein. Inwieweit ihre Charaktere jedoch auf realen Vorbeildern beruhen, dürfte ihr Geheimnis bleiben.

Im Grunde ist es eine gute Sache, wenn Nachswuchsautoren Romane als Book on demand im Selbstverlag veröffentlichen. Doch sollten sie auch darauf bedacht sein, sich nicht nur inhaltsmäßig qualitativ an den großen Verlagen zu orientieren. Dazu gehört auch ein entsprechendes Lektorat. Was man sich hier an Fehlern geleistet hat, das geht nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut. Insbesondere die Silbentrennung, die ein reines Zufallsprodukt ist, ist ein großes Ärgernis. Durch wahllos verteilte Trennstriche, die an beliebiger Stelle im Wort stehen, muss man beim Lesen permanent stolpern. Hier besteht bei einer Neuauflage dringend Handlungsbedarf.

Eine unbeliebte Frau

Nele Neuhaus, Monsenstein und Vannerdat

Eine unbeliebte Frau

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