Der Perfektionist
- Ullstein
- Erschienen: Januar 1998
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- Mailand: Feltrinelli, 1994, Titel: 'La perfezione', Originalsprache
- Berlin: Ullstein, 1998, Seiten: 125, Übersetzt: Olaf Roth
Ungewöhnlich, aber beeindruckend
"Ein junger Mann mit entstelltem Gesicht, die Kellnerin Adriana und ein geheimnisvoller Fremder verbringen den Sommer an einem oberitalienischen See. Es ist heiß un d drückend. Da passiert ein Mord, und eine alte Geschichte erfährt eine fatale Parallele."
Mit dieser Inhaltsangabe wirbt der Buchrücken für den Erwerb dieses preisgekrönten Romans von Raul Montanari. Eigentlich sollte man als Krimi-Leser angesichts dessen hellhörig werden, doch wer hier einen klassischen Krimiplot oder ähnliches erwartet wird womöglich enttäuscht sein.
Lassen wir die Randfiguren des Plots außen vor, so spielen tatsächlich nur drei Figuren eine wichtige Rolle: Ein junger Mann, dessen linke Gesichtshälfte nach einem schweren Verkehrsunfall vor zehn Jahren, bei dem seine gesamte Familie starb, entstellt ist. Adriana, eine junge Kellnerin mit Durchschnittsgesicht aber atemberaubender Figur und ein älterer Holländer, der seit Jahren an einem See in Italien Urlaub macht, um dort zu angeln und zu meditieren.
Der junge, übrigens namenlose Mann, verbringt den Tag überwiegend in der Wohnung seiner Großmutter, da er die Öffentlichkeit scheut. Stattdessen beobachtet er lieber seine Nachbarin, die sich in der gegenüberliegenden Wohnung von Zeit zu Zeit auf dem Balkon blicken lässt. Dabei wartet er auf einen bestimmten Tag, den "Tag der Abrechnung".
Adriana ist von dem weißhaarigen Holländer angetan und sucht dessen Nähe und vor allem sein "Geheimnis" zu ergründen. Dies gelingt ihr jedoch nicht. Vielmehr gerät sie in Verwirrung als sie eines Nachts eine Pistole in seiner Jacke entdeckt.
Und was macht der Holländer? Er angelt, meditiert und gibt sich geheimnisvoll...
Gerne würde man hier an dieser Stelle etwas mehr Salz in die Suppe geben, also mehr vom Inhalt verraten, aber so richtig passieren will hier erst mal nichts. Immer wieder den Blickwinkel wechselnd werden die drei Personen vorgestellt, um langsam aber sicher auf das Ende des Buches zuzusteuern. Das dieses Buch übrigens dem Kultregisseur Stanley Kubrick gewidmet wurde ist schon ein eindringlicher Hinweis darauf, was hier passiert. Nämlich wenig und dies verstörend, man denke nur an den schwerfälligen Beginn von 2001: Odyssee im Weltraum.
Das man das Buch dennoch nur widerwillig beiseite legen möchte liegt zum einen an dessen geringem Umfang, vor allem aber an der Sprachgewalt Montanaris.
"Er wußte nun nicht mehr, ob er die Atemzüge zählte oder die Liegestütze. Die Luft öffnete und schloß sich vor und hinter seinem Körper, umhüllte den in Bewegung versetzten Körper wie eine körperlose Vagina; er spürte, wie sie über seine Haut strich und seinen Schweiß liebkoste."
Das Finale kommt überraschend und überwältigend, denn plötzlich wird dem Leser klar, wie es damals zu dem Verkehrsunfall gekommen ist und wie zumindest teilweise die Zusammenhänge sind. Wer der junge Mann ist oder was der Holländer für Motive hat, bleibt hingegen ebenso im Verborgenen wie die Rolle der Adriana. Beim Showdown findet dann auch der auf dem Buchrücken angekündigte Mord statt, immerhin "schon" auf Seite 110 und es kommt zu einer unfreiwilligen Wiederholung der Szenerie vor zehn Jahren.
Obwohl nur wenig passiert, wird der Leser in den Bann der Geschichte gezogen und hat noch lange nach Beendigung der Lektüre Gelegenheit, sich mit dieser ungewöhnlichen, aber beeindruckenden Geschichte auseinander zu setzen.
Raul Montanari, Ullstein
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