Gondeln aus Glas
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2009
- 10
- Reinbek bei Hamburg: Kindler, 2007, Seiten: 352, Originalsprache
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2008, Seiten: 364, Originalsprache
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2009, Seiten: 364, Originalsprache
Original - Kopie - Kopie - Original
Nicolas Remin spielt in seinem dritten Roman Gondeln aus Glas, in dem abermals der sympathische Commissario Alvise Tron auftritt, nonchalant mit diesem Doppel - im wahrsten Sinne des Wortes: Handelt es sich bei dem verschwundenen Gemälde Tizians, auf dem, wenn man ganz genau hinschaut, Maria Magdalena in leicht anzüglicher Pose dargestellt ist, wirklich um das Original, oder um eine Kopie? Denn dass mindestens eine Kopie davon existiert, das weiß die Besitzerin sicher, bei der es sich um niemanden geringeren als die charmante Königin von Sizilien handelt, Maria Sofia di Borbone, Schwester der legendären Sisi, Kaiserin Elisabeth von Österreich, die auch Commissario Tron bereits in einem früheren Abenteuer kennenlernen durfte.
Marie-Sophie benötigt dringend Geld und ihr Gatte darf nichts davon erfahren. Da kommt es ihr sehr gelegen, dass sie die Kopie eines berühmten Gemäldes besitzt, die sie anfertigen ließ, als ihr Schwager Erzherzog Maximillian im Jahre 1863 plante, nach Mexiko auszuwandern. Das (vermeintliche) Original bietet sie unter dem Pseudonym Signora Caserta einem Kunsthändler in Venedig an, die Kopie soll stattdessen in der Kapelle verbleiben. Doch ihre Pläne werden von einem dummen Zwischenfall durchkreuzt: Der Kunsthändler Kostolany wird tot in seinem Atelier aufgefunden und Alvise Tron ist mit den Ermittlungen in diesem Mordfall betraut. Das Gemälde ist bedauerlicherweise verschwunden.
Ein amüsantens Verwirrspiel um einen Tizian in drei Akten
Natürlich liegt der Königin sehr viel daran, ihren Besitz möglichst schnell zurückzuerhalten und sowohl die Contessa Tron, die Mutter des Commissarios, als auch die Principessa die Montalcino, seine Verlobte, bestärken Alvise Tron darin, der Königin einen Gefallen zu tun. Denn eines sollte man noch wissen: Tron verfügt zwar über einen Titel und über einen Dogen in seiner Ahnenreihe, doch Geld ist ein sehr knappes Gut in seiner Familie. Der verarmte Adel musste sich bereits von einigen Kunstwerken trennen, um überhaupt Essen auf den Tisch zu bringen und der Palazzo ist in einem mehr als baufälligen Zustand. So plant die Principessa, eine kompetente Geschäftsfrau, eine Glasserie auf den Markt zu bringen, die sich mit dem Namen der Trons schmückt, und der in Kürze stattfindende Ball soll der erfolgreiche Auftakt ihrer Marketingstrategie bilden, bei dem natürlich das Erscheinen der Königin von Sizilien ein weiteres verkaufsförderndes Argument wäre.
Tron ist sich zwar nicht zu schade, die Ermittlungen in eine für ihn günstige Richtung zu lenken, in dem er den unter dubiosen Umständen wieder aufgetauchten Tizian als Original einstuft, um die Königin zu besagtem Ball zu locken, doch die Wahrheit bei der Suche nach dem Mörder hat für ihn nach wie vor oberste Priorität. So will er nicht einen weiteren Toten einfach zum Mörder erklären, um die die diplomatischen Beziehungen zu Österreich und Russland nicht zu gefährden. Hier lässt er sich nicht beirren.
Gelungene Mischung aus Unterhaltung und historischem Hintergrund
Sprachlich bleibt Nicolas Remin, wie in den beiden Vorgängerbänden auch, auf einem hohen Niveau und dennoch scheint es, als wäre die Erzählung in einem lockeren Plauderton verfasst; eine Kombination, die sehr attraktiv für den Leser ist. Der Humor ist dabei sehr angenehm:
"Ein größerer Kontrast zur Sperrmüllaura des Palazzo Tron, wo die hellen Flecken auf den Tapeten verrieten, dass die Bewohner sich von ihren Tintorettos und Tiepolos hatten trennen müssen, war nicht denkbar. Im Palazzo Balbi-Valier herrschte eitel Überfluss. Im Palazzo Tron lebte man von der Wand in den Mund." (S. 18)
Mit großem Geschick verbindet der Autor eine spannende Geschichte, bei der die Verdächtigen hinreichend oft wechseln, mit einem geschichtlichen Hintergrund um das Geschehen in der Lagunenstadt Venedig zu Zeiten der Besetzung durch die Habsburger. Übermäßige Spannung darf man allerdings nicht erwarten. Bei Gondeln aus Glas steht das Feingeistige im Vordergrund. Remin beschört dabei eine Atmosphäre herauf, in die man gänzlich hinein versinken möchte, um erst wieder aufzutauchen, wenn es gar nicht mehr zu vermeiden ist. Charakterisierung der Figuren, süffisanter Humor und historischer Hintergrund bilden eine gelungene Kombination, die bei der ansonsten angebotenen Massenware auf dem Krimimarkt wohltuend heraus sticht.
Nicolas Remin, Rowohlt
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