Der Taubenturm
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2000
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- New York: Bantam, 1999, Originalsprache
- München: Goldmann, 2000, Seiten: 437, Übersetzt: Elke vom Scheidt
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2006, Seiten: 475
Ein wenig Action, Hokuspokus und zwielichtige Figuren
John Hobbes schießt nächtlicherweise Füchse im Auftrag der Besitzerin einer Schweinefarm, denn die kleinen Ferkelchen sind leichte Beute für die Rotröcke. Und John Hobbes trifft auch heute wieder einen der gefräßigen Räuber. Doch der tote Fuchs hatte kein kleines Schweinchen im Maul, sondern eine Mädchenhand...
So geschehen in Babcock, Schottland, wohin es soeben Therese Williams zieht, eine Londoner Studentin, die auf Babcock Castle bei Mr. Magnus McCulloch Quartier beziehen wird, um sich dort ihrer Dissertation über die schriftlichen Aufzeichnungen von Catherine McCulloch zu widmen. Besagte Vorfahre des Schlossherrn landete im 17. Jahrhundert auf dem Scheiterhaufen, denn sie wagte es, in einer männerdominierten Welt aufmüpfig und ohne Ehemann zu leben und sich dabei auch noch eine Freundin zu halten.
Während sich die Polizei auf dem Grundstück der Schweinezüchterin umsieht und zu ihren ekligen Ausgrabungen sogar einen forensischen Archäologen hinzuzieht, macht Terry Williams eingehend Bekanntschaft mit den Bewohnern von Babcock Castle und den umliegenden Gehöften. Hier herrscht noch richtig Hinterwäldlerstimmung, die nur durch eine etwas sonderbare Gemeinschaft gestört wird. Eine religiöse Kommune, die sich selbst Wicca-Sekte nennt, praktiziert auf einem Bauernhof ihre Vorstellung von freier Liebe und pseudotheologischem Brauchtum und ist damit dem erzkonservativen Bauernvolk rundum ein gehöriger Dorn im Auge.
Irgendjemand hat wichtige Aufzeichnung von Catherine McCulloch entwendet und die Spur führt Terry direkt zur Sekte. Um nähere Informationen zu erhalten, tritt sie in die Sekte ein, denn dort ist in der Zwischenzeit ein Platz freigeworden. Der Platz einer jungen Frau, deren Hand John Hobbes im Maul eines toten Fuchses fand...
Der in Uganda geborene Tony Strong, der jetzt in London und Oxfordshire lebt, hat schon 1999 seinen zweiten Thriller The Death Pit veröffentlicht, der nun bei rororo als Der Taubenturm Zugang zum deutschen Buchmarkt gefunden hat. Auf 477 Seiten wird hier eine Geschichte aufbereitet, die zum Großteil auf (erfundenen) Aufzeichnungen einer schottischen Hexe beruht, wobei der Autor sich allerdings auf authentische Literatur zu den Hexenprozessen Schottlands im 17. Jahrhundert beruft.
Ebenfalls authentisch soll die Darstellung der Mitglieder der Wicca sein, die als Satansanbeter und Hexen gelten, in Amerika allerdings als Religion zumindest zivilrechtlich zugelassen sind und sich selbst als heidnische Naturanbeter definieren.
Tony Strong versucht die Elemente aus dem historischen Hexenambiente und der neuzeitlichen Naturanbeter zu verknüpfen und schlägt damit gekonnt einen Bogen zu einem Verbrechen, das in der kleinkarierten Dorfgemeinschaft von Babcock nicht nur für Aufregung sorgt, sondern auch dem Leser gehörige Spannung bietet.
Dabei versteht es der Autor, die Figuren so zwielichtig zu zeichnen, dass (fast) jeder Mitwirkende in diesem Roman der Täter sein könnte. Ein wenig Action und Hokuspokus dazu gefügt und Der Taubenturm wird zu einem Histo-Krimi, den man sowohl Lesern von Krimi-Couch.de als auch den Freunden der Histo-Couch als handwerklich solide Spannungskost anbieten kann, mit der Einschränkung, dass sich bei diesem Roman das Gestern und das Heute notwendigerweise vermengen.
Dazu kommt noch eine Portion forensischer Ermittlungsarbeit, eine kurze Abhandlung über Schweinezucht im großen Stil und gelegentliche Annäherungsversuche unterschiedlichster Art bis es zum Showdown kommt, so dass man diesen Roman des Mr. Strong als kurzweilige Lektüre nicht außer Acht lassen sollte, die von Elke vom Scheidt entsprechend flüssig ins Deutsche übersetzt wurde und im Großen und Ganzen leicht und unterhaltsam zu lesen ist, ohne an den Leser besondere Anforderungen zu stellen.
Tony Strong, Goldmann
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