Im Namen des Guten
- Pendo
- Erschienen: Januar 2006
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- New York: Alfred A. Knopf, 2005, Titel: 'Acts of Faith', Seiten: 669, Originalsprache
- München: Pendo, 2006, Seiten: 750, Übersetzt: Sabine Hübner & Nicola Volland
Um Gottes Willen
Ein weiterer weißer Fleck auf der internationalen Krimi-Landkarte ist verschwunden. Philip Caputos Roman "Im Namen des Guten" spielt zum allergrößten Teil im Sudan, einem Land, das von Staatsterror und massivsten Verletzungen des Völkerrechts geplagt wird. Das Ausmaß der humanitären Katastrophe findet hierzulande zwar hin und wieder in Nachrichtensendungen Würdigung, aber bei weitem nicht in dem Maße, wie es eigentlich verdient hätte. Insofern ist es sehr löblich, das mit "Im Namen des Guten" eine Region in das Bewusstsein der Leser geholt wird, vor der die Welt immer noch zu gerne die Augen verschließt. Dass hinter den arabischen Reitermilizen, die ganze Städte und Landstriche überfallen, plündern und niederbrennen in der Tat staatlich geplanter Genozid steht, findet bei Berichten aus Darfur nicht die richtige Betonung.
Aber Caputo schreibt nicht etwa in erster Linie über die Grausamkeiten des Völkermordes, nein, dies ist eigentlich nur die nicht von der Hand zu weisende Rahmenhandlung für seinen Roman. Sein Hauptmotiv ist das Versagen ehrenamtlicher Hilfsorganisationen, die sich im Lichte ihrer eifrigen Hilfe allzu gerne selbst ins Rampenlicht rücken. Er thematisiert die Gratwanderung zwischen humanitärer Hilfe und Parteiergreifung in einem Bürgerkrieg. Und letztlich beschreibt er auch die Vertuschung von unrechtmäßiger Verwendung von Spendengeldern. Ein sehr anspruchsvolles Grundgerüst, dem sich der Autor da stellt, aber Caputo war in jungen Jahren bereits mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden und scheut auch vor derartig schweren Aufgaben nicht zurück.
Von Gutmenschen und Profiteuren
John Fitzhugh blickt zurück auf Geschehnisse, die er vor einigen Jahren in Lokichoki in Nordkenia erlebt hat. Von den Hilfsorganisationen der UN wegen einiger Unregelmäßigkeiten entlassen, ist er zufällig mit dabei, als die neue Knight Air Services gegründet wird und wird somit Pionier dieser Airline. Mit den Geldern einer amerikanischen Entwicklungshilfeorganisation fliegt diese Gesellschaft abseits der genehmigten Routen quer durch den Sudan in die Nuba-Berge, wo einzig ein deutsches Hospital den Eingeborenen Nuba humanitäre Hilfe leistet. Bei den Bemühungen, die Region auch bei anderen Organisationen bekannt zu machen und so an die lukrativen Aufträge für Hilfslieferungen zu kommen, fliegt Doug Braithwaite, der Pilot und Geschäftsführer von Knight Air, auch die junge Quinette Hardin in die vergessene Bergwelt. Sie begegnet hier dem charismatischen Rebellengeneral Michael Goraende und verliebt sich in ihn. Nicht zuletzt durch ihren Tatendrang und bedingungslosen Idealismus wächst Knight Air sehr schnell und übernimmt auch Waffenlieferungen für die Rebellenarmee. Doch was als "Man kann doch nicht hilflos zusehen" beginnt, findet in den relativ planlosen Überfällen der Rebellen eine Resonanz, die sich niemand zuvor ausgemalt hat.
Gefühlte 3000 Seiten
Man sollte meinen, dass man aus diesem Stoff ein sehr aufregendes Abenteuer stricken kann. Gerade dies wollte Caputo aber offensichtlich nicht, er wollte mit seinem Roman nicht die Probleme des Sudan-Konflikts bagatellisieren, sondern er wollte zum einen die Sinnlosigkeit und den Schrecken des Krieges an sich, aber auch die Problematik jeglicher Parteiergreifung von außen verdeutlichen. Man muss dem Autor bestätigen, dass ihm das auch gelungen ist. Was jedoch leider bei diesen Bemühungen auf der Strecke geblieben ist, ist die Unterhaltung - zumindest auf den ersten 670 Seiten. Solange braucht der Autor nämlich, um das komplizierte Geflecht von Verstrickungen aufzubauen. Und dies tut er nur zu oft unter nicht enden wollenden, langatmigen Umschreibungen, die den Fortgang der Handlung ein ums andere mal verschleppen. Nach den 750 Seiten des Romans fühlt man sich wie nach einem 3000-seitigem Lesemarathon: Erschöpft und einfach froh, dass es vorbei ist.
Der Roman wirkt komplex und überfrachtet. Caputo baut eine Vielzahl von Personen, Beziehungen und Wertungen in die Handlung ein. Hier verwundert es, wie oberflächlich und durchschnittlich die Charaktere seiner Protagonisten konzipiert sind. Mit Quinette schickt er das klassische, naive und erzchristlich erzogene Landei ins Rennen, das offenbar glaubt, durch das Tragen eines Kleides als Stammesmitglied Akzeptanz zu finden. Die charakterlichen Verfehlungen eines Douglas Braithwaite lassen sich natürlich durch eine traumatische Kindheit und eine gestörte Beziehung zum Vater erklären. Und der Stammesfürst Ibrahim Idris gewinnt als Warlord mit mehr Profit maximierenden als religiös-ideologischen Motiven ebenso wenig Tiefgang.
Wenn unter dem Namen eines Autors schon "Pulitzer-Preisträger" auf dem Buchumschlag erscheint, darf man anspruchsvolle Literatur erwarten. "Im Namen des Guten" kann aber nur konzeptionell überzeugen, Sprachstil und Grundzüge der Dramaturgie gefallen. Auf den letzten 80 Seiten, auf denen plötzlich alle Fäden zusammen laufen, kann es auch ansatzweise begeistern. Doch zuvor verliert sich Caputo in uninteressanten Personen, immergleichen Kriegshandlungen, moralisierenden Nebenschauplätzen und hilflos anmutenden Liebesgeschichten. Durchhaltevermögen ist daher eine Grundvoraussetzung für den Leser von Im Namen des Guten. Wer sich aber mit dem Thema Sudan nicht im Entferntesten beschäftigen mag, soll um Gottes Willen bitte auch von diesem Roman absehen.
Philip Caputo, Pendo
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