Der Puppenkönig

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2006
  • 5
  • München: Droemer, 2006, Seiten: 488, Originalsprache
  • Bergisch Gladbach: Lübbe Audio, 2007, Seiten: 6, Übersetzt: Detlef Bierstedt
  • München: Knaur, 2011, Seiten: 488, Originalsprache
Wertung wird geladen
Peter Kümmel
87°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2006

Brutale Verbrecher - brutale Ermittler

Julius Klingenthal ist nicht nur ein gewöhnlicher Puppenspieler. Als Bauchredner beeindruckt er sein Publikum, indem er seine Stimme nicht nur seinen mit viel Liebe selbst gefertigten Puppen leiht, sondern auch von verschiedenen Stellen hervorschallen lässt und dadurch ebenso wie mit seinen Zauberkunststücken Illusionen hervorruft. Doch seine Fähigkeiten sind weitaus größer: als ehemaliger Seemann und Medizinstudent sind seine Begabungen sehr vielfältig, was ihm im Verlaufe der Handlung manches Mal zugute kommt.

Überwintern will der fahrende Künstler wie in den letzten Jahren auch im Jahr 1782 in dem kleinen Städtchen Steinfurth in der Mark Brandenburg, wo er hofft, wieder beim Pfarrer ein Quartier zu bekommen. Vor den Toren der Stadt trifft er die junge Alena, die vor einem Leben im Kloster geflohen ist, da sie ihre Freiheit liebt und fortan als Klagefrau durch die Lande zieht, um Trauernden in ihrem Leid beizustehen. Die beiden finden schnell Zuneigung zueinander, und so will auch Alena vorerst in Steinfurth bleiben. Ihre Verbindung muß natürlich zunächst verborgen gehalten werden, denn als unverheiratetes Paar kann man nicht zusammen bei einem Pfarrer wohnen. Der alte Pfarrer ist gestorben, doch auch bei dessen Nachfolger Matthies kann sich Julius einquartieren. Da der Pfarrer zudem noch eine Haushälterin sucht, kommt auch Alena dort unter.

Kurz bevor Julius und Alena in Steinfurth angekommen sind, hat sich dort ein furchtbarer Mord ereignet: Der Ratsherr Angerstein wurde mit dem Bolzen einer Armbrust durch seinen Hals an der Wand festgenagelt. Nur wenige Tage später wird ein Fischer getötet, nachdem ihm zuvor die Hand abgehackt wurde. Der Amtsinspektor Rüterbusch steht unter dem Druck, den Täter zu finden und lässt den harmlosen Juden Ezechiel foltern, um ein Geständnis aus ihm herauszupressen. Auch Julius gerät unter Verdacht, da Rüterbusch ihm nicht wohl gesonnen ist. Um seine Unschuld zu beweisen, versucht Julius nun, selber den wahren Täter zu finden.

Brutalität nicht nur bei den Verbrechern

Mit einfachen Mitteln schafft es der Hamburger Autor, eine fremde und zeitweise bedrückende Atmosphäre zu erzeugen, die den Leser mitten in eine vergangene Zeit hinein versetzt. Seine Charaktere wirken lebensecht und ziehen den Leser in seinen Bann.

Die Themen, die Wolf Serno anschneidet, sind für seine Romane zwar nicht neu, aber immer wieder interessant. Daß die Naturwissenschaft und vor allem die Medizin in vergangenen Jahrhunderten dem Autor ein besonderes Anliegen sind, kennen wir aus allen seinen bisherigen Büchern. Und doch tauchen immer wieder neue und überraschende Erkenntnisse auf. Wie nahe der Autor dabei an der Realität bleibt, vermag ich als medizinischer Laie nicht nachzuprüfen, doch wirken die Darstellungen durchweg glaubhaft.

Es war eine harte Zeit Ende des 18. Jahrhunderts. Ein großer Teil der Bevölkerung mußte  kämpfen, um überleben zu können. Kinder hatten es nicht leicht. Sie mussten hart arbeiten und wurden dazu oft noch von ihren Vätern mißhandelt. Nicht nur die geschilderten Morde fallen durch besondere Brutalität auf, auch das Gesetz zahlte noch mit gleicher Münze zurück: Dieben wurde noch die Hand angeschlagen und Verdächtige grausam gefoltert.

Als Kontrast zu diesen Grausamkeiten steht der Puppenspieler Julius Klingenthal, dessen Puppen für ihn sein Lebensinhalt sind. Der Schultheiß, der Söldner, der Schiffer, der Landmann, das Burgfräulein und die Magd sind für ihn nicht Dinge, die er zur Ausübung seiner Kunst benötigt, sondern geliebte Wegbegleiter, die auch außerhalb seiner Vorstellungen mit ihm reden und ihn in allen Dingen des Lebens beraten. Zuweilen vereinnahmen die Puppen ihren Meister so sehr, daß seine Liebe zu Alena dadurch auf eine schwere Probe gestellt wird.

Wechselnde Namen - gleiche Charaktere

Als begnadeten Erzähler kennt man Wolf Serno schon lange. Mit seinen Figuren vermag er wie immer sein Publikum zu fesseln. Doch im "Puppenkönig" ist ihm zudem auch der Krimi-Plot hervorragend gelungen. Wie er Verdachtsmomente aufbaut, falsche Fährten legt und wieder verwirft, jeden seiner Charaktere einschließlich der Protagonisten irgendwann im Verlaufe der Handlung einmal aufs Korn nimmt, das schafft manch anderer der großen Schriftsteller im Whodunit-Genre nicht so beeindruckend.

Auch mit dem Abschluß des Buches kann man durchweg zufrieden sein. Es bleiben keine Fragen offen und nicht für jeden muß es immer so ausgehen, wie man es gerne hätte.

Was vermag man nach so viel Lob noch als Kritik vorzubringen? Einzig und allein, daß sich Wolf Serno zu sehr an sich selber orientiert. Seine Charaktere ähneln mitunter doch sehr denjenigen aus seinen früheren Büchern. Andere Autoren versuchen dies dadurch zu kaschieren, daß sie Serien schreiben. Daß Wolf Serno dies nicht tut, muß man ihm zugute halten, doch im Prinzip bilden seine historischen Kriminalromane auch eine Serie, nur eben mit wechselnden Orten, Zeiten und Namen.

Das Ende des "Puppenkönigs" lässt übrigens den Verdacht zu, daß dieses noch kein endgültiges Solches ist.

Der Puppenkönig

Wolf Serno, Droemer

Der Puppenkönig

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Der Puppenkönig«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren