Der Luchs
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2006
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- New York: Doubleday, 2005, Titel: 'The Inside Ring', Seiten: 264, Originalsprache
- München: Blanvalet, 2006, Seiten: 352, Übersetzt: Bernhard Kempen
Ein hervorragendes Debüt
Während seinem alljährlichen Sommerkurzurlaub mit dem berühmten Schriftsteller Montgomery wird trotz strengster Überwachung ein Anschlag auf den Präsidenten der USA verübt. Montgomery und ein Agent des Secret Service, der für die Sicherheit des Präsidenten verantwortlich ist, sterben. Der Präsident wird verletzt. Damit hat plötzlich Banks, der zuständige Minister für Heimatschutz, ein gewaltiges Problem am Hals, denn er erhielt wenige Tage vor der Urlaubsreise einen Hinweis auf das geplante Attentat, gab diesen jedoch nicht an das FBI weiter. Prekärerweise kam der Hinweis zudem offenbar aus den Reihen des Secret Service selbst, doch dessen Leiter Donnelly wollte der Sache keinen Glauben schenken. Auch nach dem Attentat tut Donnelly alles, um die Ermittlungen zu behindern.
Der vermeintliche Attentäter wird zwei Tage später gefunden. Selbstmord und Geständnis mittels Abschiedsbrief: Was will man mehr? Doch Banks sieht auf dem Video des Attentats, dass sich ein Agent besonders auffällig verhalten hat. Kurz bevor der erste von drei Schüssen fiel, verliert dieser nämlich seine Sonnenbrille und "muss" sich daraufhin bücken. Sollte der Agent oder gar der auffällig agierende Donnelly in ein Attentat auf den Präsidenten verstrickt gewesen sein?
Da Banks dem FBI den womöglich entscheidenden Hinweis vorenthalten hat, will er seinen Fehler wieder gut machen und herausfinden, ob der Attentäter wirklich ein Einzelgänger war oder dem Präsidenten womöglich noch immer Gefahr droht. Er wendet sich an den Sprecher des Repräsentantenhauses Mahoney. Dieser hat für solche Fälle genau den richtigen Mann: Joe DeMarco, genannt "Der Luchs".
"Er sagte, jemand hätte ihm gesagt, ich hätte jemanden an der Hand, der sich um Sachen kümmern kann, einen, der Augen wie ein Luchs hat und Dinge schnell durchschaut."
DeMarco nickte. Diese Beschreibung war absolut zutreffend: Er war ein Luchs, jemand, der Dinge durchschaute und sich um Sachen kümmerte.
DeMarco nimmt sich des Falles an, doch bereits zwei Tage später erhält er zu Hause ungebetenen Besuch: Von Donnelly...
Schon wieder ein Attentat auf den Präsidenten? Ja, aber...!
Ein Attentat auf den wichtigsten Mann der Welt, den Präsidenten der USA. "Nicht schon wieder" wird sich der ein oder andere Leser denken, doch halt, nicht zu vorschnell. Das Debüt von Michael Lawson ist eine durchweg gelungene Alternative zu den zahlreichen Verschwörungsschmökern, die hinlänglich bekannt sind und bietet am Ende eine ebenso gelungene wie überraschende (!?) Auflösung.
"Mein lieber Joe, wir befinden uns hier in Washington, D.C. Hier leben die netten Leute, denen wir Sachen wie die Schweinebucht, Watergate, Iran-Contra und unsichtbare Massenvernichtungswaffen zu verdanken haben. Ob ich es für denkbar halte, dass eine offizielle Behörde - zum Beispiel eine, die von einem Intriganten wie Patrick Donnelly geleitet wird - in einen Mordanschlag gegen einen Präsidenten verwickelt sein könnte? Die Antwort lautet: Ja."
Es ist das berühmte Spiel der Kräfte bzw. bürokratischer Winkelzüge. Im vorliegenden Fall zwischen dem Minister für Heimatschutz und dem Sprecher des Repräsentantenhauses auf der einen Seite und dem Leiter des Secret Service auf der anderen. DeMarco ermittelt emsig, doch seine Entdeckungen haben ein großes Manko: Sie wirken zwar schlüssig, aber die Beweise fehlen. Der verdächtige Agent hatte kurz vor dem Attentat telefonischen Kontakt zu einem Wildhüter und einem schwerreichen Millionär aus Charlton County. Der Wildhüter, einst Vietnamveteran und als exzellenter Scharfschütze bekannt, könnte sehr wohl das Attentat verübt haben, denn die Beweise auf den vermeintlichen Attentäter wirken doch allzu glatt, geradezu gestellt. Aber neben den Beweisen fehlt noch ein weiterer entscheidender Punkt: Das Motiv.
"Du könntest ihn damit caponieren, wenn du möchtest."
Wie schon angedeutet bietet "Der Luchs" eine gelungene Abwechslung zu den bekannten Werken, in denen es immer um "die größte Verschwörung aller Zeiten" geht. Der Plot ist hervorragend aufgebaut und bietet einige Wendungen bis hin zum originellen Finale. Lediglich an zwei Stellen "mogelt" der Autor ein wenig, was aber den positiven Gesamteindruck nicht nachhaltig belastet. Auch lernt man einen neuen "Fachbegriff" kennen:
"Du könntest ihn damit caponieren, wenn du möchtest."
"Caponieren?"
Zum ersten Mal meldete sich De Marco zu Wort: "Al Capone landete wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis, nicht weil er ein Gangster war."
Die Charaktere der Geschichte bleiben weitgehend so geheimnisvoll wie die Institutionen für die sie arbeiten. Während man diesen Aspekt normalerweise negativ bewerten würde, passt er im vorliegenden Fall sehr gut zu der Geschichte, deren wahrer "Held" (für mich) der unsympathische Sprecher des Repräsentantenhauses ist. Mahoney kann kein Wässerchen trüben (er ist Alkoholiker) und seine Pläne sind undurchschaubar. Nur eines ist klar, er hat noch eine alte Rechnung mit Donnelly offen und wie er diese begleicht... Respekt. Aber auch die anderen Herrschaften könnten sich als Pokerspieler versuchen, denn keiner lässt sich in die Karten schauen. So dauert es sehr, sehr lange, bis sich Banks endlich dem FBI anvertraut, dessen Chef aber von reinen Vermutungen nichts wissen will.
Wer eine Abneigung gegen Romane hat, in denen sich FBI, CIA etc. gegenseitig belauern bzw. in die Quere kommen, dem darf hier Entwarnung gegeben werden. Zwar überzeugt das Buch durch fundierte Kenntnisse, z. B. bezüglich der Arbeit des Secret Service, jedoch spielen die Organisationen selber kaum eine Rolle (die CIA kommt erst gar nicht vor). Vielmehr geht es um den Kampf und die Ränkespiele zwischen den beteiligten Personen und der Ermittlung von DeMarco, der mehrfach auf sich alleine gestellt ist.
Ein hervorragendes Debüt über ein "etwas anderes" Attentat und dessen Hintergründe.
Michael Lawson, Blanvalet
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