Nora und die Gewalt- und Liebessachen

  • Asso
  • Erschienen: Januar 2006
  • 0
  • Oberhausen: Asso, 2006, Seiten: 285, Originalsprache
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Lars Schafft
69°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2006

Womma domma lesen!

Das ist ein Comeback: Jürgen Lodemann, 70 Jahre alt, lässt seinen Kommissar Langensiepen in seinem dritten Kriminalroman wieder aufleben. Elf Jahre hat er ihn ruhen lassen und jetzt, ausgeruht als Ex-Kommissar und Ex-Alkoholiker, wird Langensiepen Zeuge von "Gewalt- und Liebessachen".

Die frühen 80er, Langensiepen wohnt in einem Kellerraum in Essens Nobel-Stadtteil Bredeney, hört Freiheitsmärsche und liest. Und wird Zeuge, wie des Nächtens ein seltsames Paar irgendetwas vor seinem Fenster im Rasen vergräbt. Mir nichts dir nichts schliddert der "Rauskrieger Langensiepen", der "Kellerassel-Mönch" aus seiner Abgeschiedenheit zurück in die "Schlachthauswelt", in die er nach den Ereignisse in Essen, Viehofer Platz, eigentlich nie zurück wollte: Neben ihm zieht die jung-hübsche Studentin Nora ein. Nicht, um sich konzentriert dem Studium der Germanistik zu widmen - es geht um die "Liebessachen", die Jürgen Lodemann im Titel bereits ankündigt. Genauer: "Liebeskenntnisse". Deutlicher: Pornos.

Doch das ist nur ein nur ein Vorwand. Niemand geringeres als die Queen höchstpersönlich kommt in Krupps Wohzimmer, in die "Villa Hügel". Von dort soll sie klammheimlich verschwinden, dafür würden Nora, ihr irischer Kompagnon Micheál und der alte Hertz schon sorgen. Die "Gewaltsachen" eben. Freilich gewaltfrei, ganz harmlos. Die Queen solle der Welt ja nur einmal verklickern, welche Ungerechtigkeiten in Nordirland mit Unterstüzung Großbritanniens Tag für Tag geschehen. Ob er´s will, oder nicht: Langensiepen bleibt kaum anderes übrig, als sich mit der Rolle des Komplizen anzufreunden...

Ein Wortzauberer

Schräg, skurril - und leider auch ziemlich sperrig. Lodemanns neuer Roman ist keine Lektüre für nebenbei. Seine Antipathie gegenüber Sätzen mit Subjekt ist bemerkenswert, erschwert den Lesefluss jedoch deutlich. Andererseits: Veteran Lodemann zeigt endlich einmal, dass nicht nur jüngere Österreicher wie Haas, Steinfest oder Slupetzky Wortgewandtheit mit Kriminalromanen in Einklang bringen können. Lodemann zaubert und wie so oft bei guten Zaubereien kann man diesen nicht ohne Hirnschmalz folgen. Wer sich anstrengt, dem wird aber mit einem Lektüre-Erlebnis ganz eigener Art belohnt.

 

"Überaus angenehm hatte der Dienstag begonnen, mit einem lustvollen Knack, als hätte Langensiepen in seine Lieblingsschokolade gebissen, in die mit den ganzen Nüssen, im Schlaf hatte er lachen müssen und war vom Lachen erwacht, denn im Traum war er durch eine nächtliche Gasse gegangen, ein riesiger Kerl mit Glatze hatte sich vor ihm aufgebaut und hielt in der Hand was Wuchtiges, aber eine weibliche Stimme hatte gerufen, Vorsicht, hatte die Frauenstimme gerufen, Vorsicht, ein Gassenhauer," 

 

Wer das typische "Revier" in "Nora" sucht, wird bestimmt nur selten fündig. Dieses Buch als "Ruhrgebiets-Roman" zu bezeichnen wäre in etwa so passend, wie mit einem Steiger auf ein Glas Prosecco in eine schnieke Trattoria zu gehen. Vergessen wir darüber aber nicht, dass Lodemann den Plot komplett in den Essener Süden gelegt hat, der zwar tief im Westen liegt, in dem die Sonne aber nie verstaubt war. Und Essen erfindet sich als frisch gekürte Kulturhauptstadt Europas 2010 eh gerade neu. In diese Aussicht fügt sich "Nora" nahtlos ein. Ein wenig selbstverliebt, manchmal ausschweifend-schwafelnd bis belehrend, als Ganzes betrachtet aber ungemein liebevoll geschrieben, sympathisch und prächtig unterhaltend.

Nora und die Gewalt- und Liebessachen

Jürgen Lodemann, Asso

Nora und die Gewalt- und Liebessachen

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