Das Blut der Engel
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2007
- 2
- München: Goldmann, 2007, Seiten: 450, Übersetzt: Roberto de Hollanda
- Barcelona: Alba, 2001, Titel: 'La sangre de los ángeles ', Seiten: 380, Originalsprache
Die Geduld, Dinge wachsen zu lassen
Dieses Buch des in Spanien hochgelobten Autors ist im Original 2001 erschienen, unmittelbar nach dem beeindruckenden "Mörderwald", aber noch vor "Die Hände des Pianisten". Diese Reihenfolge ist wichtig, denn eigentlich ist der vorliegende Roman eine leichte Enttäuschung, und die nachfolgende, deutliche Steigerung im "Pianisten" lässt uns doch hoffnungsfroh in die weitere schriftstellerische Zukunft von Eugenio Fuentes blicken, den die spanische Presse als den "Erneuerer des spanischen Kriminalromans" feiert.
Die Geschichte spielt wieder in der spanischen Kleinstadt Breda. Der Computerhändler Julián Monasterio findet im Nachlass seiner Mutter eine Pistole, die offensichtlich nicht registriert ist. Doch statt diese der Polizei zu übergeben, deponiert er sie in einem Bankschließfach, welches jedoch durch einen Irrtum des Bankangestellten nicht abgeschlossen wird. So kann ein Unbekannter die Waffe entwenden und damit einen allseits beliebten Lehrer an der lokalen Schule ermorden. Monasterio wird sich seiner schwierigen Lage bewusst und engagiert den Privatdetektiven Ricardo Cupido zur Lösung des Falles...
Auf den Buchumschlag gedruckt findet man folgendes Zitat: "Der Nachfolger von Manuel Vasquez Montalban ist Eugenio Fuentes". Solche Vergleiche sind meist eher ärgerlich, aber diesmal steckt ein kleines Körnchen Wahrheit darinnen: Montalban war als Avantgardist nicht zwingend an einem Ende der Handlung interessiert, sein Ziel war es in erster Linie, die Wahrheit herauszufinden. Die Bestrafung der Täter überließ er der Polizei, dem Leser oder irgendwem anderen. Fuentes überwindet in diesem Buch den Kriminalroman, indem er eigentlich gar keinen schreibt. Der Detektiv kommt nur marginal vor und löst sich zunehmend auf, eine den Mord betreffende Handlung findet gerade einmal am Anfang und auf den letzten Seiten des vierhundertzehn Seiten langen Romans statt. Das Ende der Geschichte erfährt man beiläufig und indirekt.
Was aber schreibt Fuentes? Unglaublich vielschichtige, psychologisch und menschlich tiefgehende Portraits der beteiligten Personen, welche abwechselnd, Kapitel für Kapitel, quasi in Rotation, zu Wort kommen. Aus deren Perspektive entwickelt sich langsam und stetig ein Bild der persönlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse an der Schule und in der Provinzstadt Breda. Diese Menschenzeichnungen und die Geduld, Dinge "wachsen" zu lassen, sind die große Stärke des Eugenio Fuentes, dafür lässt er sich Zeit. Der Text ist sowohl literarisch als auch sprachlich hochwertig, da muss auch einmal der Übersetzer gelobt werden, dem es gelingt, die ganze Klarheit und Poesie der Sprache Fuentes´ auf Deutsch zu formulieren: In diesem Falle Roberto de Hollanda.
Gegen Ende spricht der Detektiv Ricardo Cupido selbst aus, dass er erst im letzten Kapitel des Romans eine untergeordnete Rolle spielt. Die Hauptpersonen wären die Opfer und Täter, welche immer interessanter und menschlicher als die eigentlichen Helden wären. Seine Klienten sind wichtiger als er, ein "unscheinbarer und einsamer" Privatdetektiv, Gefühle, Empfindungen und Seelenängste bedeutsamer als eine mehr oder weniger routinierte Polizeiermittlung. Doch genau das ist das Problem, denn in diesem Buch gelingt es Fuentes nicht, die ausführlichen Beobachtungen und Darstellungen der einzelnen Personen in einen ausreichenden, plausiblen Zusammenhang mit dem eigentlichen Verbrechen zu bringen, außer vielleicht in der etwas banalen Bemerkung, dass das Böse sich oft aus "verletzten Gefühlen" entwickle.
"Das Blut der Engel" lässt einen also trotz seiner hohen literarischen und sprachlichen Qualitäten etwas unbefriedigt zurück. Wie gut, dass Fuentes im "Pianisten" wieder deutlich mehr fokussiert ist.
Eugenio Fuentes, Goldmann
Deine Meinung zu »Das Blut der Engel«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!