Das Sonnentau-Kind
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2007
- 4
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007, Seiten: 284, Originalsprache
Das meint krimi-couch.de: Weder schwere Kost noch eindeutig leichte Unterhaltung
Zum fünften Mal schickt Sandra Lüpkes ihr Ermittlerpärchen Wencke Tydmers und Axel Sanders in den Ring. Mit vertauschten Rollen, denn Wencke, die eigentlich Axels Vorgesetzte ist, ist aus dem Erziehungsurlaub zurück und arbeitet zunächst nur halbtags. Axel hat die kommissarische Leitung der Abteilung übernommen, Daß das ein komisches Gefühl sein muss, kann man sich leicht vorstellen. Das serbische Au-pair-Mädchen Anivia hilft ihr bei der Betreuung ihres Sohnes Emil.
Wenckes erster Einsatz führt sie zum Hof des Moorkönigs Sebastian Helliger in Moordorf. Der Au-pair-Junge aus Rumänien Aurel Pasat wird tot in einer Scheune gefunden. Alle Zeichen deuten zunächst darauf hin, dass Aurel Selbstmord begangen hat, da er es offenbar nicht mehr ertragen konnte, in sein Heimatland zurückkehren. Sanders will die Ermittlungsakten schnell zuklappen, doch er hat nicht mit dem berühmten Bauchgefühl seiner Kollegin gerechnet. Ein Selbstmord passt ihrer Meinung nach nicht dazu, dass Aurel noch vor kurzem einen Brief schrieb, in dem er einer Freundin, einem Mädchen, das er in einem Straßenkinderprojekt in der rumänischen Stadt Arad kennenlernte, versprach, bald zurückzukehren. Und die Spuren an seinem Fahrrad deuten nicht darauf hin, dass es zum Fundort gefahren wurde. Doch Axel Sanders nimmt Wencke erst ernst, als es beinahe zu spät ist.
Ergreifende Thematik mit stimmiger Atmosphäre
Dem aufmerksamen Leser entgehen viele der von der Autorin gesponnen Zusammenhänge nicht, so dass man schon frühzeitig ahnt, was Wencke Tydmers irgendwann gegen Ende auch aufgeht und wo Axel Sanders kapitulieren muss. Als Leser wird man allerdings auch mit einigen Hinweisen mehr versorgt als die Protagonisten, so dass man deren langes Tappen im Dunkel verzeihen kann. Nichtsdestotrotz, in Sachen Täterentlarvung bleibt die Story bis zum Ende hin erfreulicherweise relativ offen, wobei die Ermittlungen durch das viele Hin und Her auch nicht wirklich zielgerichtet sind. Dadurch bekommt auch die Handlung einen etwas konfusen Touch, immer wieder unterbrochen von Einschüben, die die Gedanken des Straßenmädchens Teresa wiedergeben, die der Geschichte einen ganz anderen Blickwinkel geben.
Im Gegensatz zu Fischer, wie tief ist das Wasser, wo man atemlos lesen konnte bis zum Umfallen, oder Das Hagebuttenmädchen, wo man sich köstlich über die Klischees amüsieren konnte, bleibt Das Sonnentau-Kind in punkto Unterhaltungswert leider etwas zurück. Dafür ist die Thematik - das Schicksal der Straßenkinder in Rumänien - vielleicht zu bedrückend. Die Kulisse dafür ist jedenfalls überaus passend.
Das Moor ist alles andere als ein behagliches Wohnzimmer und Sandra Lüpkes versteht es, die Atmosphäre glaubhaft zu schildern und die Landschaft in ihre Geschichte mit einzubinden. Dieses Stärke hat sie bereits in ihren anderen Büchern überzeugend herausgestellt. Lediglich die Figurenzeichnung ist relativ schwach und sie spielt dabei mit zu vielen Klischees. Glücklicherweise werden nicht gar so viele Plattitüden wie im unmittelbaren Vorgänger Die Wacholderteufel hervorgekramt.
Das Attribut "leichte Unterhaltung" lässt sich angesichts der angesprochenen Themen zwar schwerlich vertreten, doch für einen anspruchsvollen Krimi fehlt der Handlung die Raffinesse und die Komplexität.
Sandra Lüpkes, Rowohlt
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