Tod eines Träumers
- Fischer Taschenbuch Verlag
- Erschienen: Januar 2006
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- Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2006, Seiten: 283, Originalsprache
Ein leiser Krimi
Als sie Gerry Köpke das erste Mal in der U-Bahn begegnet, ist Vera Lichte sehr fasziniert von diesem ungewöhnlichen jungen Mann, der sich selbst noch nicht schlüssig ist, ob er als Mann oder Frau leben möchte. Gerry ist gelernter Drucker, sieht aber seine eigentliche Berufung eher in einer künstlerischen Laufbahn und tritt daher in einer kleinen Kiez-Bar mit Ringelnatz-Liedern auf. Um sich finanziell einigermaßen über Wasser halten zu können, arbeitet er daneben noch in einer Kanzlei und führt dort einem ältlichen Notar die Kartei.
Zufällig trifft Vera ihn eines Abends in der Bar wieder und schon bald darauf wird er als Freund in Veras zusammen gewürfelte "Familie" aufgenommen. Fast wie eine Mutter, die Gerry nie gehabt hat, kümmert sie sich um ihn, versteht seine Träumereien und versucht, ihm Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln. Sie schenkt ihm ihre alten Partykleider als Bühnenoutfit und will ihn beruflich als Künstler auf bessere Füße stellen. Gerry fasst Vertrauen und erzählt Vera und Nick von seinem Leben und seinem Verdacht, man wolle ihn umbringen. Seit geraumer Zeit fühlt er sich von einem Mann verfolgt, der ebenso wie seine Großmutter einer strengen christlichen Gemeinde angehört, die für Menschen wie Gerry wenig Verständnis aufbringen. Vera und Nick wollen Gerry helfen und fühlen dieser Gemeinde ein wenig auf den Zahn.
Gerry hingegen versucht währenddessen, das Geheimnis seiner Kindheit zu lüften. Irgend etwas muss in seiner Jugend passiert sein, über das seine Großmutter eisern schweigt. Auch aus der Gemeinde, die anscheinend ebenfalls mehr weiß, will niemand so recht mit der Wahrheit herausrücken.
Tod eines Träumers ist der vierte Krimi mit der Figur der 40jährigen Vera Lichte, die als Tochter eines bekannten und verstorbenen Komponisten finanziell gut abgesichert in einer schicken Wohnung mit Kind und Kinderfrau lebt.
Etwas ungewöhnlich und vielleicht auch gewöhnungsbedürftig ist auf jeden Fall der Aufbau der Geschichte. Wer bereits nach den ersten paar Seiten auf Mord, Action und Spannung hofft, wird enttäuscht sein, denn hier passiert der eigentliche Krimi bzw. das angekündigte Verschwinden von Gerry erst im letzten Drittel des Buches. Bis es soweit ist, hat man viel Zeit und Gelegenheit, sich zunächst mit dem recht bunten Leben von Vera auseinanderzusetzen und die sie umgebenden Personen gründlich kennen zu lernen.
Wie auch schon in den vorangehenden Büchern trifft man dabei auf ihre ehemalige Kinderfrau Anni, für die Kochen und Umsorgen das Allheilmittel schlechthin ist; den guten Freund und Journalisten Nick, der für Vera gerne etwas mehr wäre; Veras Ex-Freund und Polizeikommissar Pit Gernhardt, der ihr immer noch nachtrauert. Auch der ältliche Nachbar Engelenburg, der sich als Kuppler betätigt und Vera mit dem Polizisten Hauke Behn zusammenbringt und erstmals natürlich Gerry sind mit von der Partie. Häufig kommen sie alle in netter familiärer Atmosphäre an Veras großem Küchentisch zusammen.
Carmen Korn lässt den Leser sehr ausführlich an deren alltäglichen Erlebnissen und Empfindungen teilhaben. Gerade bei der im Mittelpunkt stehenden Figur Gerry verwendet sie viel Mühe darauf, seine Probleme aus seinem Mann- und/oder Frausein, seine Ringelnatz-Auftritte in der Kiez-Bar und seine Bemühungen, sein Leben zu meistern, anschaulich darzustellen. Mit einem lebendigen und gut lesbaren Schreibstil ist es ihr auch wirklich gelungen, die Stimmung einer etwas künstlerisch abgehobenen Welt zu vermitteln.
Langsam mischt sich in diese geschilderte quasi "Familiengeschichte" dann auch die Krimihandlung, deren Anfang jedoch nicht im Verschwinden Gerrys liegt, sondern bei dem Auffinden eines toten und geköpften Körpers im Wald. Pit Gernhardt ist mit der Aufklärung dieses Falles betraut und greift im Zuge der Ermittlungen auf das bereits bewährte Duo Vera und Nick zurück und bittet sie um Mithilfe.
Währenddessen bemüht sich Gerry hinter das Geheimnis seiner Kindheit zu kommen. Nach den sparsamen Auskünften seiner Großmutter, die einer eigenartigen christlichen Gemeinschaft angehört, haftet seiner Geburt, bei der seine Mutter gestorben ist, irgendetwas Verbotenes und Sündiges an.
Und jetzt wird es sogar spannend, denn Carmen Korn legt in verschiedenen Richtungen diverse Spuren aus, die sich mehr und mehr zusammenfügen, um am Ende wieder auseinander zu gehen.
Der Tod eines Träumers ist sicher eher ein leiser Krimi als solch einer, der vor Spannung und Action fast explodiert. Dennoch macht er aber neugierig genug, um zügig weiter zu lesen und verfügt dann auch über ein gewisses Maß an Spannung. Man bekommt zwar nicht unbedingt vor Aufregung feuchte Hände, aber das Gefühl, in den Protagonisten neue Bekannte und Freunde kennen gelernt zu haben.
Carmen Korn, Fischer Taschenbuch Verlag
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