Das stumme Lied
- Heyne
- Erschienen: Januar 1992
- 3
- München: Heyne, 1992, Titel: 'Eine Frau sieht rot', Seiten: 347, Übersetzt: Ronald Hahn
- Berlin: Ullstein, 2006, Titel: 'Das Stumme Lied', Seiten: 362, Übersetzt: Andree Hesse
- London: Viking, 1990, Titel: 'Caedmon´s Song', Originalsprache
- New York: Perennial Dark Alley, 2004, Originalsprache
1987
Nachdem Peter Robinson vier seiner Alan-Banks-Krimis geschrieben hatte, verspürte er den Wunsch, ein Buch zu schreiben, in dem die Polizei lediglich eine Nebenrolle spielt. Das Resultat schlummerte bis 1990 in irgendeiner Schublade, bis es in Großbritannien veröffentlicht wurde. 1992 erschien der Roman in Deutschland unter dem Titel Eine Frau sieht rot, 2006 mit neuer Übersetzung als Das stumme Lied. Auch in Großbritannien gab es im Jahre 2003 offenbar eine Neuauflage, auf die der Autor im Nachwort Bezug nimmt.
Die Zeiten haben sich seit der Erstveröffentlichung geändert, die technischen Möglichkeiten bei der Verbrechensaufklärung haben Fortschritte gemacht, doch Peter Robinson beließ es bei der ursprünglichen Version und hat nur Kleinigkeiten verändert. Eine Umarbeitung auf heutige Gegebenheiten wäre zu aufwändig gewesen und hätte den ursprünglichen Charakter der Story sicherlich stark verändert, so dass wir nun einen Krimi in den Händen halten, der wahrscheinlich heute so nicht mehr geschrieben werden würde. Schade ist eigentlich bei einer Neuauflage unter einem anderen Titel nur, wenn es dem Leser nicht mitgeteilt wird, dass er einen Roman vorgesetzt bekommt, der schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat.
Diese Tatsache sollte kein Qualitätsmerkmal sein und bei der Bewertung außen vor bleiben, was relativ leicht ist, da Thema und Ausführung im Grunde recht zeitlos sind. Dass die Polizei heutzutage ganz anders an die Ermittlungen herangehen würde, fällt absolut nicht ins Gewicht, denn die Polizei spielt wirklich nur eine Nebenrolle.
Auf Banks' Art wird hier kein Verbrechen gelöst
Die Geschichte handelt vom Schicksal einer jungen Frau namens Kirsten, die nach der Examensfeier in einer ansonsten friedlichen englischen Studentenstadt im Park brutal überfallen wird. Sie überlebt den Anschlag nur durch großes Glück, da ein Passant sie kurz nach der Tat gefunden hat. Die zahlreichen Messerstiche haben nicht nur schwere körperliche Schäden hinterlassen, sondern die junge Frau so mitgenommen, dass sie auch seelisch komplett aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Parallel hierzu wird die Geschichte von Martha erzählt, die an die englische Küste Yorkshires reist und vorgibt, dort für ein Buch zu recherchieren. Sie ist auf der Suche. Nach was oder wem, das erfährt man erst viel später. Peter Robinson verknüpft das Schicksal dieser beiden Frauen auf eine solche Weise, dass zunächst für genügend Spannung gesorgt ist. Abwechselnd erzählt er aus Sicht der beiden Figuren, so dass man sich Stück für Stück dem Kern der Geschichte nähert. Durch dieses Entblättern' wird die Vielschichtigkeit der Geschehnisse sowie das psychologische Moment sehr viel mehr betont, als wenn sich der Autor für eine geradlinige Erzählweise entschieden hätte. Doch dies gilt nur bis zu einem gewissen Punkt.
Erschütternd und ohne Vorverurteilung
Nach gut einem Drittel vermisst man eine Weiterentwicklung der Figuren. Es scheint, als sei alles erzählt und diese Ahnung bewahrheitet sich am Ende auch. Leichte Enttäuschung macht sich breit, wenn man feststellen muss, dass keine überraschende Wende das Boot doch noch in eine andere Richtung treibt. Man muss Robinson jedoch zu Gute halten, dass er 1987 noch am Anfang seiner schriftstellerischen Tätigkeit stand. Seine Wandlungsfähigkeit, die er in seiner Serie um Inspector Alan Banks inzwischen schon unter Beweis gestellt hat, kommt auch hier bereits zum Tragen. Der Autor überlässt es dem Leser, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Zu keiner Zeit verliert er sich in psychologischen Erklärungen oder nimmt eine Verurteilung vor. Allerdings ist und bleibt die mangelnde Spannung in der zweiten Hälfte ein Manko. Das stumme Lied ist ein erschütterndes Buch, an dem jedoch wahrscheinlich nur wenige Leser Gefallen finden werden. Einen Krimi im landläufigen Sinne darf man nicht erwarten.
Peter Robinson, Heyne
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