Das Mädchen von nebenan
- dtv
- Erschienen: Januar 2006
- 3
- New York: Atria Books, 2004, Titel: 'The Girl next Door', Seiten: 292, Originalsprache
- München: dtv, 2006, Seiten: 320, Übersetzt: Nina Pallandt
Erst langsam, dann rasant
Nina Avery ist 14 Jahre alt und freut sich auf den schönsten Abend ihres Lebens, denn sie hat völlig überraschend ihr erstes Date mit dem Sohn der Nachbarn, ihrer heimlichen Liebe. Da sich Ninas Eltern in letzter Zeit immer häufiger streiten, kommt ihr die Einladung zu einem Kinobesuch besonders recht. Doch als sie abends nach Hause kommt, bricht eine Welt für sie zusammen. Im Wohnzimmer findet sie ihren Vater Duncan, der sich über seine blutüberströmte Frau beugt. Ninas Mutter wurde brutal erstochen und als wäre dies nicht schlimm genug, wird kurz darauf Duncan als vermeintlicher Täter verhaftet.
15 Jahre später. Dr. Duncan Avery kann nach einer kleinen Gefängnisrevolte einem schwer verletzten Pfleger das Leben retten, was dazu führt, dass ihm erstmals eine Freilassung auf Bewährung bewilligt wird. Nina will ihren Vater bei sich zu Hause in New York aufnehmen, doch dieser hat andere Pläne. Er will zurück in seine Heimatstadt Hoffman, um den wahren Mörder seiner Frau zu finden. In Hoffman hält man ihn jedoch keineswegs für unschuldig und einen freigelassenen Mörder möchte man erst recht nicht in seiner Nachbarschaft haben. Offene Feindseligkeit schlägt ihm entgegen und auch seine Söhne Jimmy und Patrick gehen deutlich auf Distanz. So vergehen die ersten Tage in Freiheit als Nina wenig später plötzlich von der Polizei erfährt, dass ihr Vater sich erschossen haben soll. Nina glaubt nicht an die Selbstmordtheorie und versucht, den wahren Mörder zu finden, der, davon ist sie überzeugt, auch vor 15 Jahren ihre Mutter umgebracht hat...
Das erste Drittel des Buches schleppt sich ein wenig träge dahin, da es Patricia MacDonald hier in erster Linie darum geht, die einzelnen Personen einzuführen und vor allem Atmosphäre zu schaffen. Dies gelingt ihr meisterhaft und man kann sich recht gut vorstellen, wie es in dem provinziellen Städtchen Hoffman aussieht. Einfamilienhäuser mit gepflegten Vorgärten, kleinbürgerliche Spießeridylle mit Nachbarn, die sich niemand im wirklichen Leben wünschen kann. So ist es denn nicht weiter verwunderlich, dass Dr. Avery, einst ein hoch angesehener Arzt des Ortes, offener Hass entgegen schlägt, der sogar vor seinen Söhnen nicht halt macht. Lediglich Nina glaubte all die Jahre an seine Unschuld. So lässt sie dann auch keine Ruhe, die damaligen Ereignisse wieder aufzuarbeiten, sehr zum Ärger ihrer Brüder und deren "Familien". Was sich damals genau ereignete vermag der Leser nicht zu erahnen und dank immer wieder neuer Blindspuren und Hinweise, gewinnt der Plot in den letzten beiden Dritteln enorm an Fahrt und Action, wobei sich die Geschehnisse mitunter so schnell verändern, dass man schon gehörig aufpassen muss.
Dabei spielen so viele Personen eigentlich gar nicht mit. Patrick, der ältere Bruder, ist mit seiner ehemaligen Mitschülerin Gemma verheiratet, hat zwei Kinder und verdient sehr gut. Jimmy hat sich von seinem ehemaligen Drogenkumpan Calvin Mears losgesagt, ist mittlerweile bei den Anonymen Alkoholikern und hat nach dem Tod seiner Mutter in seiner Adoptivfamilie eine neue "richtige" Familie gefunden. Dazu noch eine Hand voll weiterer Figuren, aber eigentlich ist "Das Mädchen von nebenan" vor allem eine einzige Familientragödie.
In kleinen Schritten findet Nina mehr über die Geschehnisse vor 15 Jahren heraus als sie eigentlich wissen möchte. Fast alle haben ein "schweres Paket" zu tragen und so bricht die kleinbürgerliche Fassade bei nahezu allen Personen in sich zusammen. Die vorgetäuschte "Heile Welt" ist eben doch nicht in Hoffman zu finden, jedenfalls nicht in der Familie der Averys.
Der Plot ist solide aufgebaut, der Spannungsbogen entwickelt sich erst langsam, dann rasant und am Ende kommt eine Lösung, die nicht unbedingt zu erwarten war, wenngleich der Buchtitel ein wenig vorgreift. Ein gut gelungener Psychothriller, den man nahezu uneingeschränkt empfehlen kann. Lediglich die (obligatorische) Liebesgeschichte fällt ein wenig schwülstig aus.
Patricia Macdonald, dtv
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