Der Prediger von Fjällbacka
- Gustav Kiepenheuer
- Erschienen: Januar 2006
- 23
- Stockholm: Forum, 2004, Titel: 'Predikanten', Originalsprache
- Berlin: Gustav Kiepenheuer, 2006, Seiten: 406, Übersetzt: Gisela Kosubek
- Berlin: Aufbau, 2007, Seiten: 406
- Schwäbisch Hall: Steinbach, 2008, Seiten: 4, Übersetzt: Ulrike Hübschmann
Ausgeklügelter Plot mit stimmiger Atmosphäre
Sie schießen immer noch wie Pilze aus dem Boden: die schwedischen Serienpolizisten. Die vom Tanumsheder Polizeirevier zählen dabei für den Leser zu den wohlschmeckenden Speisepilzen, auch wenn es dabei intern ein paar "faule" Exemplare gibt. Denn faul im Sinne von arbeitsscheu sind Gösta und vor allem Ernst, die beiden langgedienten Polizisten auf dem Revier, die sich nicht damit abfinden können, dass die Jungen, nämlich Patrik und Martin, jetzt das Sagen haben. Patrik Hedström wurde die Leitung des spektakulären Mordfalles übertragen. Dort in der Provinz, wo man mit Kapitalverbrechen nur äußerst selten zu tun hat, ist nicht nur eine Leiche aufgetaucht, sondern gleich drei. Auch, wenn zwei davon schon nicht mehr ganz taufrisch sind.
Ein kleiner Junge hat beim Spielen in der Königsschlucht eine tote Frau entdeckt. Die größte Überraschung wartete für die Ermittler jedoch beim Abtransport der Leiche. Unter der Decke, auf der die Frau lag, traten zwei Skelette zutage. Die Ergebnisse aus der Gerichtsmedizin bringen einen weiteren Schock: alle drei Leichen - alles Frauen - weisen die gleichen Verletzungen auf. Insgesamt vierzehn Knochenbrüche an Armen und Beinen, Händen und Füßen. Jeweils über die Dauer von etwa einer Woche wurden die Frauen systematisch gequält, bevor sie starben. Zumindest an der Leiche der erst kürzlich ermordeten Frau ließen sich unterschiedliche Stadien der Verheilung nachweisen. Pannen - insbesondere durch die Nachlässigkeit von Ernst - verzögern die Identifizierung, doch nach und nach können alle drei Leichen mit Namen versehen werden. Bei der frischen Leiche handelt es sich um eine junge deutsche Touristin, die beiden Skelette konnten 24 Jahre alten Vermisstenfällen zugeordnet werden.
Die Lösung führt über die verfeindeten Familienzweige
In einem der damaligen Fälle gab es sogar einen Verdächtigen. Johannes Hult wurde von seinem Bruder Gabriel angeschwärzt. Dieser will ihn mit der vermissten Siv in der Nacht ihres Verschwindens gesehen haben. Obwohl sich keine weiteren Anhaltspunkte ergaben, konnte Johannes von dem Verdacht nie reingewaschen werden. Fünf Jahre später erhängte er sich, was von der Bevölkerung als Schuleingeständnis gewertet wurde.
Seit diesen Geschehnissen sind sind die beiden Zweige der Familie Hult miteinander verfeindet. Der charismatische freikirchliche Prediger Ephraim Hult ist schon lange tot, doch sein Geist schwebt weiter über den Familien seiner beiden Söhne. Gabriel lebt mit seiner Frau Laine, Sohn Jacob und dessen Familie sowie Tochter Linda in noblen Verhältnissen auf dem Gutshof. Johannes' Frau Solveig dagegen haust mit ihren Söhnen Johann und Robert, die des öfteren mit dem Gesetz in Konflikt geraten, in einer verfallenen Hütte zwischen Müllbergen. Jede Spur, auf die die Ermittler stoßen, weist zum Clan der Hults. Und schon bald ist klar, dass der oder die Täter nur über die Hults zu finden sind.
Mit Der Prediger von Fjällbacka legt die junge schwedische Autorin Camilla Läckberg, die ihren Heimatort Fjällbacka zum Schauplatz des Geschehens auserkoren hat, ihren zweiten Roman aus ihrer Reihe um das Paar Erica Falck und Patrik Hedström vor. Während der junge Polizist Patrik hier seinen ersten großen Fall, der ihm ziemlich an die Substanz geht, lösen darf, bleibt für Erica nur die Rolle als hochschwangere Partnerin, die sich schonen muß, aber gerne auch mithelfen möchte. Patrik hatte sich für die Zeit kurz vor der Geburt des ersten Kindes extra Urlaub genommen, doch er wird auf dem Polizeirevier gebraucht und eine solche Chance möchte er sich natürlich nicht entgehen lassen. Als Füllsel im tristen Alltag von Erica werden klischeebeladene Verwandtschaftsbesuche geschildet, die nicht gerade originell, aber dennoch humorvoll und unterhaltsam sind.
Krimischreiben kann man auch lernen
Camilla Läckberg hat das Krimischreiben in einem Kursus gelernt. Da ist absolut nichts dagegen einzuwenden. Dass sie ihr Handwerk versteht, zeigt sie immer wieder mit überraschenden Wendungen und dem oftmaligen brutalen Einsatz der Cliffhanger-Technik. Wechsel von Ort und Perspektive tun ein übriges, um die Spannung auf einem hohen Level zu halten. Ich hatte zwar Täter und Motiv schon etwa zur Mitte des Buches erraten, doch brachten mich immer wieder Überraschungen dazu, an meiner These zu zweifeln. Und obwohl die Polizei nicht alles aufklären konnte, bleiben für den Leser keine offenen Fragen zurück.
Starke Charaktere mit viel Tiefgang und hochsommerliches Wetter im ansonsten oftmals verregneten Krimi-Schweden sorgen für eine stimmige Atmosphäre. Zu dem ausgeklügelten Plot passen auch die eingestreuten Nebenhandlungen wie die bereits erwähnten Verwandtenbesuche, die ungewöhnlich gute Stimmung des Chefs des Polizeireviers sowie die offensichtlich buchübergreifende Story um Ericas Schwester Anna.
Da bleibt mir nicht viel mehr übrig zu kritisieren außer das unsägliche rote Holzhaus mit den weißen Fensterrahmen, das schon so viele Buchumschläge zieren durfte. Wie soll man auch sonst merken, dass die Handlung in Skandinavien spielt?
Camilla Läckberg, Gustav Kiepenheuer
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