Über Stock und Runenstein
- DuMont
- Erschienen: Januar 1989
- 1
- Garden City, N.Y.: Doubleday, 1982, Titel: 'Wrack and Rune', Seiten: 180, Originalsprache
- Köln: DuMont, 1989, Seiten: 222, Übersetzt: Beate Felten
- Köln: DuMont, 2002, Seiten: 222, Übersetzt: Beate Felten
- Köln: DuMont, 2005, Seiten: 283, Übersetzt: Beate Felten
Das meint Krimi-Couch.de:
Charlotte MacLeod hat mich mit ihrem ersten Roman (Schlaf in himmlischer Ruh') sofort in ihren Bann gezogen und ich wollte neue Abenteuer des sympathischen Professors Peter Shandy erleben, der sich als Hobbydetektiv um die Belange des Agrar-Colleges im schönen Balaclava-County kümmert. Im dritten Band der Serie geht es mal wieder hoch her...
Interviewerin: "Und wieder begrüße ich Peter Shandy in den Lokalnachrichten des Balaclava Colleges, damit er uns Auskunft über die letzten Vorfälle geben kann. Peter, ich hörte, dass sie Thorkjeld Svenson, der Präsident des Colleges persönlich gebeten hat, sich um die Sache zu kümmern. Erläutern Sie uns doch bitte die näheren Umstände."
Shandy: "Mein Freund Timothy Ames (Anm. des Verf.: den wir bereits aus dem ersten Band kennen) hilft oft auf der Horsefall-Farm aus. Der alte Henny Horsefall ist ja bereits über 80 und er bewirtschaftet den Hof mit seiner Tante Hilda, die 105 Jahre alt ist. Aber der kann keiner ein X für ein U vormachen, sie ist ein rüstiges altes Mädchen. Naja, Tim war auf jeden Fall gerade auf der Farm der beiden, als der alte Spurge Lumpkin, der Knecht der beiden, bei der Säuberung des Kreiselstreuers tödlich verunglückte. Der Streuer war total verkalkt. Aber irgendwie ist wohl Löschkalk ins Spiel gekommen. Sie wissen, wie Löschkalk wirkt? Sobald Wasser mit dem Löschkalk in Berührung kommt, brodelt und raucht es und alles im Umkreis verbrennt. Ich erfuhr von Henny, dass die Horsefalls in letzter Zeit ein paarmal mit merkwürdigen Vorfällen zu kämpfen hatten und ich vermutete, dass es jemanden gibt, der die beiden vertreiben will, um billig an ihr Land zu kommen. Da gab es tatsächlich Interessenten und auch die Familie der beiden gehörte für mich zum Kreis der Verdächtigen. Ich dachte daran, dass Spurge ein Opfer dieser Vertreibungsaktion war. Und später erfuhr ich zudem, dass er der Erbe des Lumpkin-Vermögens war und Nute Lumpkin ihm dies streitig machen wollte. Die beiden waren die letzten Überlebenden der Sippe. Das waren schon zwei heiße Spuren...
Und gerade zu dem Zeitpunkt war Cronktite Swope, Reporter des Allwöchentlichen Gemeinde- und Sprengel-Anzeygers (kein Schreibfehler!) wegen des nahenden Geburtstages von Miss Hilda Horsefall vor Ort. Irgendwie kamen die beiden auf den Runenstein zu sprechen, der in der Nähe der Farm liegen soll. Als er dies in der Zeitung veröffentlichte, war auf der Farm natürlich die Hölle los. Der Onkel unseres werten Präsidenten Thorkjeld Svenson, Sven Svenson war gerade zu Besuch. Er ist Experte für nordische Geschichte und hat die Inschrift des Runensteins nicht nur entziffert, sondern auch noch herausgefunden, aus welcher Zeit der Stein wahrscheinlich datiert. Die Inschrift enthält einen Fluch und alle dachten, die folgenden Unglücksfälle sind auf diesen zurückzuführen. Ich war da selbstverständlich ein bißchen mißtrauischer. Der alte Lustmolch Sven machte sich natürlich an die gute Tante Hilda heran. Ich möchte nicht vorgreifen, aber die beiden heiraten demnächst. Mußte ja auch so kommen, nachdem wir die beiden erwischt haben. *hüstel* Vom Alter her passen die beiden ja ganz gut zusammen, er ist 102 Jahre alt.
Aber zurück zur Geschichte: Cronktite, der Reporter, verunglückte mit dem Motorrad. Irgend jemand stahl ihm seinen Helm und manipulierte an seinem Fahrzeug herum, davon war ich sofort überzeugt, obwohl die meisten an den Wikingerfluch glaubten. Als die ganzen Verrückten die Farm der Horsefalls stürmten, um den Runenstein zu sehen, bestand genügend Gelegenheit zu dieser Aktion. Gottseidank lieh ihm ein edles weibliches Wesen eine Reitkappe, sonst wäre er bestimmt gestorben. Wir versuchten natürlich, die Invasion der Farm einzudämmen, in dem wir den Stier des Colleges auf die Weide brachten und Gänse zur Verteidigung des Landes einsetzten. Aber in diesem Tohuwabohu war einiges möglich. Alles gipfelte in der in der Levitation von Sven Svenson (Anm. des Verf.: er wurde urplötzlich in die Lüfte gehoben und landete unsanft am Boden, der Trick wird hier nicht verraten) und in der Explosion des Misthaufens, der mein Freund Tim Ames fast zum Opfer gefallen wäre. Irgendwer war ziemlich scharf darauf, das Land der Horsefalls in seine Finger zu bekommen und ich kam leider erst sehr spät darauf..."
Interviewerin: "Nun, Peter, wir wollen den Zuhörern nicht die Spannung nehmen und machen eine kleine Pause, bevor wir zur Lösung des Rätsels kommen."
Charlotte MacLeod schafft es in ihrer unnachahmlichen Art, dass man ganz in das Geschehen eintaucht. Was ich zum ersten Roman geschrieben habe, gilt ebenso für "Über Stock und Runenstein". Ich fand die Geschichte so vergnüglich, dass ich den Mord eigentlich fast vergaß. Die Autorin ist in der Lage, das Genre des klassischen Kriminalromans aufleben zu lassen und dabei doch den Humor in den Vordergrund zu stellen. Hier stört mich die detailorientierte Schreibweise keineswegs. Jedes Detail gehört dazu, ist an seinem Platz und bringt mich zum Schmunzeln. Keinesfalls werden hier platte Witze gekloppt, sondern es wird der feinsinnige Humor gepflegt.
Gerne begegnete ich alten Bekannten aus der ersten Geschichte wieder:
Helen Marsh Shandy hat es inzwischen geschafft, den Junggesellen Peter an die Angel zu bekommen. Sie ist immer noch als Bibliothekarin am College tätig und bleibt hier eher im Hintergrund. Dann und wann steht sie ihrem Mann mit Rat und Tat zur Seite. Unterdessen (oder erst im nächsten Band?) haben die beiden auch "Nachwuchs" bekommen, eine kleine Katze namens Jane Austen.
Timothy Ames ist der nahezu taube Freund unseres Helden Peter. Er sorgt dafür, dass Shandy in die Geschichte überhaupt verwickelt wird. Nachdem seine Frau im ersten Band einem Mord zum Opfer fiel, hat er nun tatkräftige Unterstützung durch seinen Sohn und seine Schwiegertochter.
Thorkjeld Svenson (nebst Frau Sieglinde) ist der Präsident des Balaclava Agricultural Colleges, ein Mann wie ein Baum... Widerspruch ihm gegenüber ist zwecklos. Freude bereiten ihm seine zahlreichen Töchter, von denen er schon einige unter die Haube gebracht hat. Bei diesen Feierlichkeiten muß nach schwedischer Tradition natürlich Hering in jeder Variation auf dem Speiseplan stehen, wobei Sieglinde gerne mit Rezepten aushelfen kann. Daß sein Onkel Sven so ein Lustmolch ist, wird eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Nachdem dieser mit Tante Hilda angebändelt hat, wird die Verlobung der beiden auch gleich übersprungen und der Hochzeitstermin festgesetzt.
Nachdem wir im ersten Band schon das College näher kennengelernt haben, setzt sich Charlotte MacLeod in diesem Band mit der Problematik der Bauern auseinander, die mehr schlecht als recht in der modernen Zeit ihr Land bewirtschaften können. Da ist es natürlich eine große Verlockung, die Farm zu verkaufen und sich auf dem Altenteil niederzulassen. Der Kampf des Alten mit dem Neuen hat begonnen, da Landwirtschaft einfach nicht mehr lukrativ ist. Dem Hintergrund der Geschichte mangelt es im Gegensatz zur Beschreibung der Charaktere nicht an Realismus (was ich absolut positiv meine), jedoch kann ich mich auch im Gegenzug über die skurrilen Beschreibungen der Figuren einfach nur amüsieren. Die Autorin wählt dafür eine recht tiefgehende Charakterisierung der Personen, um deren kleine Eigenheiten in den Vordergrund zu rücken.
Und auch die Spannung bleibt nicht auf der Strecke. Die Autorin schafft es bis zum Ende, die Lösung des Falles im Dunkeln zu halten, auch wenn das Motiv schon bald klar ist, denn zu viele Personen gehören zum Kreis der Verdächtigen und sind nur auf das eine aus. Ich denke, dass die Wahl des skurrilen Rahmens hier einen großen Vorteil bietet, denn das Unerwartete ist eher "normal" und wirkt nicht wie an den Haaren herbeigezogen. Das Ganze liest sich flüssig und kann gut als Einstieg ins Krimi-Genre genutzt werden und Charlotte MacLeod bietet mit Peter Shandy eine Abwechslung zu den sonstigen Ermittlern.
Fazit: Sehr gute Wertung im Vergleich mit anderen Krimis, alles andere wäre ungerecht. Aber dennoch muß ich einen Punktabzug vornehmen, wenn ich die Autorin an ihrem Erstling messe, dieser ist noch genialer.
Charlotte MacLeod, DuMont
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