Wenn Tote baden
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 1988
- 7
- Barcelona: Planeta, 1986, Titel: 'El balneario', Seiten: 240, Originalsprache
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1988, Seiten: 245, Übersetzt: Bernhard Straub
- München; Zürich: Piper, 2001, Seiten: 301, Bemerkung: überarbeit von Anne Halfmann
Für Leute, die der ´Literatur´ frönen
Der Gärtner war es nicht - was sicher nicht dran liegt, dass kein Gärtner in der Geschichte vorkommt. Bestimmt sind im alten Kurbad der Fabers eine ganze Menge Gärtner beschäftigt. Privatdetektiv Pepe Carvalho ist ins Sangretal gekommen, um zu fasten. Um den langweiligen Tagesablauf von Wiegen und Trinken von Gemüsebrühe zu durchbrechen, planen ein paar Gäste unter Anführung eines Generals einen Überfall auf die Küche, bei dem sie einen Apfel erbeuten können. Am Morgen darauf wird die reiche Amerikanerin Mrs. Simpson tot im Swimmingpool gefunden und Pepe Carvalho wird von den beiden Besitzern der Klinik beauftragt, in dieser Sache zu ermitteln. Mrs. Simpson wird nicht die einzige Leiche bleiben, unter anderem segnet auch der alternde Tennislehrer unter mysteriösen Umständen das Zeitliche, ein Killer tritt auf, Agenten mischen sich ein und nichts ist so, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Und was hat das alles mit einem versteckten Raum im alten Teil des Kurbades zu tun, von dem niemand etwas weiß oder wissen will?
So wenig wie bei diesem Buch hat mich ein Klappentext selten darauf vorbereitet, was mich in einem Krimi erwartet. Allerdings kann meine kleine Zusammenfassung des Inhalts ebensowenig darauf vorbereiten, daher versuche ich es anders zu umschreiben. Pepe Carvalho wird immer als Feinschmecker aus Passion beschrieben. Vielleicht hat mich diese Eigenschaft etwas vorschnell darauf schließen lassen, eine Art Detektiv wie Guido Brunetti von Donna Leon vorzufinden, mit der man sich anfreunden kann. Mitnichten. Was Donna Leon beschreibt, ist das Leben und die Arbeit eines Polizisten in Venedig, gemächlich, mit Beschreibungen des täglichen Lebens, in dem Mord und Korruption nun mal eine Rolle spielen. Ich habe sogar einmal über Pepe Carvalho gelesen: "Der spanische Brunetti". Wer so etwas schreibt, kennt meines Erachtens keinen oder nur einen der beiden Protagonisten. Das einzige, was die beiden gemeinsam haben ist, dass sie leidenschaftlich gerne essen. Aber auch Kay Scarpetta (Patricia Cornwell) kocht und ißt gerne, würde man sie denn vorschnell heranziehen, wenn man Carvalho beschreiben wollte? Mit Sicherheit nicht.
Manuel Vázquez Montalbán siedelt seinen Krimi dagegen in einer ganz anderen Welt an, nämlich in einer sehr politisch geprägten Welt. Durch die Beschreibung der Figuren beleuchtet er die Folgen der sog. Transición, dem Übergang von der Diktatur Francos zum demokratischen Staat. Alle Schichten der spanischen Gesellschaft von der Elite bis hin zu den einfachen "Eingeborenen" der Region treffen sich im Kurbad. Für mich sind dies keine realistischen Personen, sondern Werkzeuge des Autors, seine Botschaft zu übermitteln. Doch was ist seine Botschaft? Bin ich zu schlicht strukturiert für diese Art von Sozialkritik? Anscheinend ja, ich gebe zu, ich lese eher zur Unterhaltung. Sozialkritik kommt in vielen Romanen vor (gutes Beispiel dafür bieten die Schweden, allen voran Henning Mankell ), aber hier ist sie mir eindeutig zu subtil. Daß ich mich damit nicht anfreunden kann, kann allerdings auch daran liegen, dass meine Kenntnisse auf dem Gebiet der spanischen Geschichte (Franco-Regime und Wandlung zum Spanien der Gegenwart) äußerst gering sind. Manuel Vázquez Montalbán setzt für mich ein bißchen zu viel voraus, darüber bin ich mir bewußt. Und auch Humor ist meines Erachtens eine ganz persönliche Sache.
"Atmosphärische Dichte", das ist ein Wort, das ich schon öfter bei Rezensionen gelesen habe und gerade auch im Zusammenhang mit dem vorliegenden Roman wird es im Klappentext erwähnt. Was ist denn atmosphärische Dichte? Vielleicht ist es das, was ich im vorangegangen Abschnitt versucht habe zu beschreiben. Ja, dann ist der Roman atmosphärisch dicht. Für mich bedeutet es eher: ich kann mich ganz in die Geschichte vertiefen, sie packt mich. Das war hier nicht der Fall. Freilich läßt er sich recht flüssig lesen, auch wenn manche Passagen dabei sind, die sprachlich nicht ganz auf meiner Wellenlänge liegen:
Hier z.B. die Beschreibung eines Einlaufs (auch Klistier genannt):
"Der Patient schließt die Augen und gleichzeitig alle Körperöffnungen, als suchte er die Essenz des Loches in seiner symbolischen Repräsentation als Punkt. Es ist soweit. Die singende Stimme der Schwester entfernt sich. Zurück auf dem Bett bleibt die Vergewaltigung, die Eingeweide angefüllt mit seekrankem Wasser auf der Suche nach einem Ausgang, und im Gehirn bestätigt sich der Verdacht, dass wir ein Nichts sind, wenn drei, vier oder fünf Minuten später die Fluten den Ausweg finden, und der Patient zur Klosettschüssel eilen und den Sünden seines Körpers und seiner Seele entleeren muß, wobei sein Geist schwankt zwischen Assoziationen von Geburtswehen und dem Vergnügen, das es bereitet, sich von den schlechtesten Anteilen seiner selbst zu befreien." (S. 17 f.)
Aber natürlich kann man "Wenn Tote baden" auch als Krimi lesen, nur der Spaß ist dann sicherlich (wie bei mir) ein wenig getrübt. Die Beschreibung der Figuren ist zuweilen recht amüsant, teilweise sogar skurril. Mit einem Kopfschütteln liest man über den spanischen Oberst, den General in der NATO, den deutschen Bauunternehmer, den französischen Weinbauern, der zugleich Schriftsteller ist und viele andere. Die Geschichte hat mich beeindruckt, nicht so sehr, als daß ich jetzt noch Details wüßte, aber obwohl die Lektüre des Buches nun schon ein paar Monate zurückliegt, hat sie mich so beschäftigt, dass ich unbedingt über dieses Buch schreiben wollte. Ohne Zweifel war es Spannung, die mich weiterlesen ließ und als Pepe Carvalho das Kurbad verläßt, hat er den Fall gelöst, auf seine ganz eigene Art.
So, nun sollte jeder wissen, auf was er sich einläßt, wenn diesen Carvalho-Roman zur Hand nimmt: geteilte Leseempfehlung - eher etwas für Leute, die der "Literatur" frönen, ganz anders eben...
Manuel Vázquez Montalbán, Rowohlt
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