Uferwald

  • btb
  • Erschienen: Januar 2006
  • 5
  • München: btb, 2006, Seiten: 378, Originalsprache
  • München: btb, 2007, Seiten: 378, Originalsprache
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Peter Kümmel
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2006

Die Art und Weise lässt zu wünschen übrig

In einer Wohnung der Gemeinnützigen Heimstätten in Ulm wird die Leiche der fast 70-jährigen Charlotte Gossler gefunden. Bereits seit Monaten lag die Frau tot in ihrer Wohnung. Das Fenster war offen, die Läden vorgelegt, so daß die Wohnung gut durchlüftet war und die Leiche in einem mumifizierten Zustand vorgefunden wurde. Nachbarn hatten bereits vor Wochen einen Brief an die Gemeinnützigen Heimstätten geschrieben, weil sie sich Sorgen um die alte Frau machten, doch das Schreiben wurde dort verschlampt bzw. aufgrund Arbeitsüberlastung als nicht beachtenswert angesehen.

Die Obduktion ergibt, dass die Frau ohne Fremdeinwirkung eines natürlichen Todes gestorben ist. Eine Routinefall für Kriminalkommissar Markus Kuttler. Er schaut sich die Wohnung der Toten näher an und findet wenig Erwähnenswertes. Das Tagebuch von Tilman Gossler, Sohn der Toten, verstorben vor sechs Jahren, nimmt er ohne Grund an sich und beginnt darin zu lesen - ob Polizisten Langeweile haben?

Der Inhalt des Tagebuches wird dem Leser explizit vorgelegt. Tilman Gossler schildert darin hauptsächlich sein an Höhepunkten armes tägliches Leben und die Treffen mit der Clique, überwiegend belanglose Dinge.

Eine Clique aus merkwürdigen Personen

Sowohl der Inhalt des Tagebuches als auch die kurzen Abschnitte und häufigen Orts- und Perspektivwechsel sorgen beim Leser für gepflegte Langeweile. Prinzipiell sind rasch wechselnde Abschnitte kein ungeeignetes Stilmittel, um Spannung zu erzeugen, jedoch nicht am Anfang eines Buches, wo zunächst einmal Aufbauarbeit zu leisten ist. Diese Langeweile scheint wohl auch Markus Kuttler befallen zu haben, denn er beginnt völlig uninspiriert im Falle des Todes von Tilman Gossler zu ermitteln. Dieser wurde in der Neujahrsnacht 1999, als er mit dem Fahrrad auf dem Weg von seiner Kneipe nach Hause war, von einem Auto angefahren, prallte gegen einen Baum und war sofort tot. Der einzige dünne Anhaltspunkt für Kuttler, dass ein Verbrechen vorliegen könnte, ist eine Bemerkung im Tagebuch, dass Gossler zur Polizei wollte und daß es vermutlich um nicht gezahltes Schmerzensgeld ging, das einem Bewohner eines Obdachlosenheims offenbar vorenthalten wurde. Alles also reichlich dünn als Aufhänger eines Kriminalromans.

Die Besetzung der Handlung ist im Prinzip recht übersichtlich, sofern man sich auf die Hauptakteure konzentriert. Die Zusammenfassung der Personen am Buchende verwirrt nur, da dort auch Charaktere aufgelistet sind, die nur einen kleinen Auftritt haben. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf die Mitglieder von Tilmans Clique. Ein wohlbeleibter Bankangesteller, der es sich mit Hilfe von Kundengeldern gutgehen lässt, ein sich anbiedernder angehender Poliker, eine Lehrerin samt Öko-angehauchtem Ehemann, eine Mitarbeiterin der Gemeinnützigen Heimstätten sowie eine alleinerziehende Mutter bilden eine merkwürdige Gruppe, die überaus wenig verbindet. Ein Möchtegern-Künstler und ein Anwalt auf dem absteigenden Ast vervollständigen das für die Handlung relevante Personal. Eigentlich keine schlechte Zusammenstellung, die Potential für vielschichtige Beziehungsgeflechte bieten sollte. Was dabei herauskommt, ist jedoch ziemlich dürftig.

Rekonstruktion des Tathergangs nach Reinecker-Tradition

Die Idee selbst ist nicht schlecht. Ein Ereignis aus der Vergangenheit, das noch einiges nach sich zog, von hinten aufzurollen, ist grundsätzlich lobenswert. Auch Themen wie soziale Vereinsamung und Obdachlosenproblematik in die Handlung einzuarbeiten muß positiv erwähnt werden. Interessant auch die Einführung der wichtigsten Charaktere über das Tagebuch, so daß der Ersteindruck des Lesers auf die Figuren aus der Sicht des toten Tilman Gossler bereits mit einer gewissen Bewertung stattfindet. Die Art und Weise aber lässt stark zu wünschen übrig. Alles an einem so dünnen Ausgangspunkt wie ein paar Tagebucheinträgen, die in der Realität wohl nie gelesen worden wären, festzumachen, wirkt ein wenig naiv.

Erst auf den letzten hundert der fast 400 Seiten kommt ein wenig Spannung auf und schließlich muß eine Rekonstruktion des Tathergangs nach alter Reinecker-TV-Tradition herhalten, um einen Fall zu lösen, von dem lange Zeit nicht mal sicher war, ob es überhaupt einer ist. Der ersten Romanhälfte dagegen hätte es gut getan, ein wenig straffer und nicht so zerrissen geschrieben zu werden.

Was mich noch gestört hat: ein wenig Mühe könnte man sich beim Verlag mit der Gestaltung des Titelbildes schon machen. Ein zumindest geringer Bezug zum Inhalt des Buches sollte da schon vorhanden sein. Einfach wahllos ein Foto aus der Datenbank zu ziehen und auf den Einband zu klatschen zeugt von wenig Kreativität.

Uferwald

Ulrich Ritzel, btb

Uferwald

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