Das Schweigen des Lemming
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2006
- 6
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2006, Seiten: 256, Originalsprache
Showdown im Polarium
Lemming zum Dritten. Warum der Wallisch immer Lemming genannt wird, weiß ich nicht mehr. Hat der Autor mal im ersten Roman erklärt. Ist aber auch egal, Lemming klingt lustig, schmunzelnd sympathisch und unbekümmert. So einer ist der Wallisch auch. Man hat ihn gern, den ehemaligen Polizisten und gescheiterten Detektiv, der nun nicht ganz freiwillig seine Penunzen als Nachtwächter im Wiener Zoo Schönbrunn verdienen muss. Und Autor Slupetzky mag sich gefragt haben, welche Art von Verbrechen man wohl einem Zoowächter zur Ermittlung vorsetzen kann. Seine Antwort: ein finsterer Ritualmord an einem Pinguin - Tatort Polarium.
Der Lemming entdeckt die Untat und meldet sie seinem Vorgesetzten. Am folgenden Vormittag stellt dieser für den Lemming den Kontakt zu Direktor Hörtnagl her, der nicht nur als Baulöwe und Kunstmäzen bekannt ist, sondern auch so manche Tierpatenschaft im Zoo Schönbrunn übernommen hat. Hörtnagl schätzt sich glücklich, mit dem Lemming einen ehemaligen "Krimineser" mit der Untersuchung beauftragen zu können - aus rein privatem Interesse an der Stellung der Täter. Sage und schreibe 5.000,- Euro übergibt er dem Lemming als Vorschuss. Eine Summe, bei der ein Lemming eigentlich aufhorchen sollte.
Die Suche nach Pen Gwyn Pokorny
Im Schnabel des Pinguins findet der Lemming eine erste Spur: eine Folge von vierundzwanzig Ziffern. Das bringt ihn zunächst nicht weiter. Erst als plötzlich alle Zeitgenossen des Lemmings zu Meistern in theosophischer Reduktion mutieren (und ich verrate nicht, was das ist) offenbart sich ihm eine Handynummer. Hauptverdächtiger wird sodann Nachtwächterkollege Pokorny, der verschwunden ist, seit er mit dem Lemming den Dienst in der Tatnacht getauscht hat. Aber auch der Maler Rietmüller scheint mehr zu wissen, als er zugibt. Und um die Verwirrung komplett zu machen: was wissen Löwin, Adler, Bär und Floh?
Qualitativ knüpft dieser dritte Lemming unmittelbar an seine beiden Vorgänger an. Romane, die man lieb gewinnen kann. Schelmisch erzählt und mit einem zwar stets präsenten, aber nie zu dick aufgetragenen Wiener Schmäh. Slupetzkys Schreibe hebt ihn erfrischend von der Großzahl der deutschsprachigen Autoren ab. Und er hat Ideen. Kreativität beweist er hier nicht nur mit dem ungewöhnlichen "Mordfall", sondern auch mit einer Vielzahl von Streichen, die er in den Kreisen der Wiener Kunstakademie ansiedelt. Einfälle, mit denen er den Wert und die Wertbemessung von Kunstobjekten ironisch hinterfragt.
Wo bleibt das Motiv?
Diesmal kein toter Rentner in einem Waldstück, kein Duell auf einem Wiener Marktplatz. Keine Personen, keine Ansatzpunkte, keine möglichen Motive. Das bleibt lange Zeit der einzige, aber nicht zu verschweigende Kritikpunkt an diesem Roman. Der Lemming ermittelt und kommt bei seiner Suche nach Pokorny einigermaßen voran. Aber warum sucht er ihn? Weil er einen Pinguin getötet hat? Warum sollte der Pinguinfreund so etwas getan haben? Genau das bleibt bis zum Ende die Frage. Und ohne die Spur eines Motivs auch nur in Ansätzen erahnen zu können, verflacht der Lesespaß in der Mitte. Die Streiche der Kunststudenten vermag man da nicht so recht einzuordnen, so unterhaltsam sie auch sind.
Damit hier nun aber kein falscher Eindruck entsteht: "Das Schweigen des Lemming" ist der bislang am dichtesten erzählte Band der Serie. Slupetzky hat seinen ruhigen Humor wieder in der richtigen Dosierung eingesetzt. Dabei nährt der Autor seine humoristischen Einlagen ausschließlich aus den Ermittlungen und nicht aus dem Randschauplatz "Lemmings Privatleben". Er bringt intelligente Wendungen, plastische Charaktere und immer wieder originelle Einfälle. Slupetzky scheint sich von Roman zu Roman steigern zu können. Der künstlerische Spagat, den er hier unternimmt (Krimi ohne Mord), kann aber nicht den ungeteilten Applaus finden. So locker und leicht der dritte Lemming gelesen ist, so sehr fehlt ihm irgendwie der echte Kriminalfall. Die Suche nach einem Motiv für die Erhängung eines Pinguins wirkt da in erster Linie irritierend.
Stefan Slupetzky, Rowohlt
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