Im Sommer der Mörder

  • Scherz
  • Erschienen: Januar 2006
  • 12
  • Frankfurt am Main: Scherz, 2006, Seiten: 460, Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2007, Seiten: 457, Originalsprache
  • Düsseldorf: Patmos, 2008, Seiten: 5, Übersetzt: Martina Gedeck
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Sabine Reiß
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2006

Ebenso stark wie der Vorgänger

Der erste Krimi von Oliver Bottini Mord im Zeichen des Zen wurde im Jahr 2005 mit dem Deutschen Krimipreis (3. Platz national) ausgezeichnet. Kein leichtes Erbe für den Nachfolgeband, in dem er nun abermals seine eigenwillige Protagonistin Louise Bonì, Kommissarin bei der Freiburger Kripo, mit einem zweiten Fall betraut. Louise ist dreiundvierzig und hat gerade einen längeren Aufenthalt in einem Kanzan-an, einem Zen-Kloster, hinter sich, um sich von den Dämonen des Alkohols zu befreien. Nun ist sie wieder zurück im Dienst, offiziell zunächst nur assistierend.

Zu viele Köche verderben den Brei

Die freiwillige Feuerwehr von Kirchzarten wird zu einem Brand gerufen, der zunächst schnell gelöscht ist, eine Scheune hatte Feuer gefangen. Doch dann bricht der Boden des Schobers ein, riesige Flammen schlagen hoch und einer der Männer kommt dabei ums Leben. Unter der Scheune befand sich ein illegales Waffenlager, das mit Plastiksprengstoff in die Luft gejagt wurde. Die Freiburger Kripo untersucht den Fall, gehemmt durch interne Verwicklungen wie dem Streit zweier Dezernate um die Zuständigkeit. Weiteres Kompetenzgerangel durch das Eingreifen weiterer Behörden wie LKA und BND tut ihr Eigenes dazu, die Ermittlungen zu erschweren.

Dann gibt es einen weiteren Toten, den Besitzer der Scheune, der auf seinem Hof tot aufgefunden wird. Wer steckt hinter dem Anschlag? Serben, aus deren Bestand die Waffen stammten, Terroristen oder Nazis, wie Informanten aus vermeintlich unterschiedlichen Quellen suggerieren wollen? Louise ist mittendrin und verfolgt wieder einige Spuren im Alleingang.

Keine Jägermeistergedanken mehr

Unabhängig davon, ob man den ersten Band der Serie gelesen hat oder nicht, fällt sofort auf, dass die Geschichte vom Vorgängerroman fast ohne Pause fortgeschrieben wird. Es handelt sich zwar um zwei voneinander absolut unabhängige Geschichten, die von den Ermittlungen her in sich abgeschlossen sind, diese sind allerdings durch die Entwicklung und die Vergangenheit der Protagonistin untrennbar miteinander verbunden. Bottini gönnt dem Leser keinerlei Erläuterungen und ich kann mir vorstellen, dass man ohne Vorwissen den Erinnerungen von Louise nicht immer folgen kann. Ein kleines Manko unter den ansonsten überwiegenden Pluspunkten.

Mutig stellt sich Louise Bonì ihren Dämonen, jeden Tag aufs Neue. Vor einigen Monaten hat sie sich noch mit Jägermeistergedanken befasst, fuhr von Tankstelle zu Tankstelle, um unerkannt an Spirituosen zu kommen, mit deren Hilfe sie glaubte, tragische Verluste in ihrem Leben zu überwinden. Nun trinkt sie literweise Wasser und widersteht sogar einem Grappa, der in einem italienischen Restaurant so verführerisch vor ihr steht. Sie hat an Reife gewonnen. War mir die Kommissarin im ersten Band noch absolut unsympathisch, gewinnt sie mich nun nach und nach für sich. Eine 08/15-Ermittlerin wird sie dennoch nicht und das ist auch gut so.

Fern von Klischees

Nicht nur die Heldin ist außergewöhnlich, auch der Plot ist originell und nicht gerade alltäglich, abseits jeglicher Klischees. Dahinter steckt offensichtlich eine starke Recherche, die sich nicht nur auf die Polizei beschränkt, sondern auch auf die Gegend rund um Freiburg, die Besonderheiten des Dialekts eingeschlossen. Und obwohl die Handlung rein fiktiv ist, kann man sich vorstellen, dass dies so passieren könnte. Insgesamt ist sie nicht so abgehoben wie im Vorgänger, ebenso gereift wie die Hauptfigur.

Eindringlich schildert der Autor den Fortgang der Geschichte, deren Reiz man sich nur schwer entziehen kann. Er bedient sich dabei eines gut lesbaren Stils, geradlinig und flüssig lesbar, wobei jedoch manche Abkürzung im internen Polizeijargon hätte vermieden werden können.

Wer einen klassischen Krimi mit einfacher Mördersuche erwartet, der wird mit "Im Sommer der Mörder" nicht auf seine Kosten kommen. Aber wer sich durch die Anspielungen auf die Vergangenheit nicht abschrecken lässt, wird dafür mit einem außergewöhnlichen Plot und einer ebensolchen Heldin belohnt.

Im Sommer der Mörder

Oliver Bottini, Scherz

Im Sommer der Mörder

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