Das Gesetz des Wassers
- Pendo
- Erschienen: Januar 2006
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- München, Zürich: Pendo, 2006, Seiten: 450, Originalsprache
- München: Piper, 2007, Originalsprache
Eigenwillig und lesenswert
Kommissar Simon Tanner ist beurlaubt, seine Frau liegt schwerkrank in einer Klinik im Koma, und er nützt die Zeit, um dem Schicksal seines angeblich verschollenen Großvaters auf die Spur zu kommen.
Die sexuellen Nöte des einsamen Mannes führen ihn in ein Bordell, wo die Japanerin Michiko zu jeder Art von Trost bereit ist. Doch dazu kommt es nicht, denn im Nebenzimmer geschieht ein Mord. Das Opfer ist ein Japaner, Mitarbeiter eines Chemiekonzerns. Tanner verzieht sich vor dem Eintreffen der Polizei.
Am nächsten Tag erreicht ihn ein Anruf von Michiko, die offenbar in Gefahr ist, und auch sie wird ermordet. Über ihr Handy haben die Mörder jetzt Tanners Telefonnummer, der dadurch unmittelbar in die Geschichte involviert ist.Die Geschichte gewinnt an Fahrt, es tauchen Kadaver von geköpften Kühen in einem See auf, Tanner wird von der chinesischen Mafia verfolgt, eine alte Schulfreundin hilft ihm, ein alter Schulfreund verhält sich zunehmend verdächtig. Der Zeuge des Mordes an Michiko lebt als Prophet im Gebüsch und redet mit Tieren. Der Krieg internationaler Chemiekonzerne kommt ins Spiel, Tanner entdeckt dunkle Seiten in der Schweizer Vergangenheit und klärt das Schicksal seines Großvaters in Nazideutschland. Eine japanische Geisha erfüllt ihm seine tiefsten erotischen Wünsche, und so nebenbei löst er ganz intuitiv den Fall...
Ein Schweizer Autor mit der Hauptfigur namens Simon Tanner - war da nicht etwas? Und ob: Robert Walser, geb. 1878 in der Schweiz, schrieb 1907 seinen ersten großen Roman "Geschwister Tanner", mit der Hauptfigur Simon Tanner. Gibt es da irgendwelche Parallelen zwischen Schaub und Walser? Ja, in erster Linie philosophische und emotionelle. Robert Walsers Simon Tanner ist ein Mensch mit großem Freiheitsdrang, der die Welt völlig unbefangen und unvoreingenommen betrachtet, ohne das Hindernis einer besonderen "Bildung", er handelt rein intuitiv, fast kindlich arglos und kommt dadurch immer wieder in Konflikte mit der Umwelt.Urs Schaub sagt über seinen eigenen Roman:
" Ich glaube, dass es ein Buch ist, das von Menschen lebt, die praktisch nur intuitiv handeln und wenn man so will, ist das vielleicht ein Anliegen von mir... in einer digitalisierten Welt, in einer großen Verstandeswelt... die eigentliche Chance für die Menschheit sehe ich eigentlich in der Intuition."
Damit ist einiges über das Verhältnis Schaub - Walser einerseits und über die Parallelen der beiden Simon Tanners andererseits gesagt.
Es ist ein philosophischer Roman.
"Das Gesetz des Wassers" ist ein philosophisches Gleichnis über den Kreislauf des Wassers (des Lebens), in dem "kein Tropfen verloren geht". Es geht um die Frage nach der Existenz Gottes und um den Menschen, der "die Fähigkeit hat, dem Ganzen einen Sinn zu geben".
Es ist ein historischer Roman.
Schaub deckt im Rahmen der Recherchen Tanners betreffend seinen Großvater gnadenlos die Kehrseite der Schweizer Humanitätsmedaille im zweiten Weltkrieg auf, schonungslos zeigt er die damalige Deutsche Menschenvernichtungsperfektion und Todesbürokratie.
Es ist ein autobiographischer Roman.
Urs Schaubs Großvater erlebte offenbar ein ähnliches Schicksal, und in jungen Jahren musste er selbst den Tod seiner Jugendliebe miterleben.
Es ist ein erotischer Roman.
Der Autor ist in der Schweiz aufgewachsen, wo Sex heute noch Tabu ist und es keine Sprache dafür gibt. Schaub wollte daher eine eigene Sprache finden, ohne die Grenze zur Pornographie zu überschreiten, um "die Schönheit dieses Vorganges einzufangen". Und tatsächlich wirken die vielen wiederkehrenden erotischen Momente überzeugend in ihrer Natürlichkeit, Intensität und Freiheit. Sinnliche Neugierde und erotische Fantasien erleben Frau und Mann gleichwertig und gleichberechtigt.
Es ist natürlich ein Kriminalroman.
Die ganze Geschichte ist zwar nicht rasant, aber doch sehr schlüssig erzählt, spannend bis zuletzt, aber immer wieder unterbrochen von Passagen aus oben erwähnten Romanteilen. In Abwandlung eines Sprichwortes könnte man in diesem Falle sagen: "Viele gute Romane in einem Buch sind wie viele gute Weine in einem Glas". Doch Urs Schaub gelingt es trotzdem, alles zu einem halbwegs einheitlichen Ganzen zu formen, obwohl manchmal Längen entstehen, gelegentlich die gute schriftstellerische Absicht etwas zu sehr in den Vordergrund rückt und die allgemeine Emotionskurve doch merkwürdig flach bleibt.
Schlussendlich ist aber ein unterhaltsames, eigenwilliges und lesenswertes Buch daraus geworden.
Urs Schaub, Pendo
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