Heidelberger Lügen

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2006
  • 4
  • München; Zürich: Piper, 2006, Seiten: 271, Originalsprache
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Peter Kümmel
81°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2006

Realistische Polizeiarbeit und konstruierter Plot

Ein Kriminalrat, der sich die Ehefrau seines Vorgesetzten als Geliebte hält - das ist doch mal was Exklusives im Einerlei sonstiger Serien-Kommissare. Wie Alexander Gerlach seine Theresa kennengelernt hat, das haben wir bereits im Heidelberger Requiem erfahren. Nun setzt Wolfgang Burger mit "Heidelberger Lügen" zum zweiten Schlag an. Und daß Lügen vorprogrammiert sind, wenn man ein solch heikles Versteckspiel treiben muß wie Gerlach, das versteht sich von selbst. Denn nicht nur vor seinem Chef muß er die Beziehung geheimhalten, sondern auch vor seinen pubertierenden Zwillingstöchtern, deren Erziehung der Witwer aufgrund seines Jobs weitgehend vernachlässigt. So ist er zur Zeit freudig überrascht darüber, dass seine ansonsten völlig unsportlichen Töchter plötzlich eine Vorliebe dafür entwickeln, allabendlich ins Schwimmbad zu gehen, bis er erfährt, dass es sich bei besagtem Schwimmbad um eine Discothek handelt. Und kann nicht einmal richtig wütend auf sie sein, denn belogen haben sie ihn nun wirklich nicht.

Beruflich hat es Gerlach dieses Mal gleich mit zwei Todesfällen zu tun: einem offiziellen und einem inoffiziellen - und bei beiden besteht zunächst Zweifel über die Todesursache. Da ist zum einen die Wasserleiche, die man im Necker gefunden hat. Erst als man entdeckt, dass nicht ertrinken, sondern Genickbruch die Todesursache war und zudem der Mercedes des Opfers spurlos verschwunden ist, wird klar, dass man einen Mordfall am Hals hat. Einen Verdächtigen hat man auch gleich zur Hand: Vitus Hörrle, verdächtig des Mordes an seiner Frau und aus der Untersuchungshaft geflohen. Brauchte er auf seiner Flucht ein Fahrzeug?

Mit versteckten Hinweisen zu dick aufgetragen

An den zweiten Toten geriet Gerlach eher wie die Jungfrau zum Kind. Neben seinem Stammkiosk steht eine verstörte junge Frau mit Kleinkind. Sie sucht nicht nur ihr Auto, sondern vor allem den Grund dafür, dass ihr Mann vor einiger Zeit, obwohl angeblich beruflich in Saarbrücken unterwegs, in völlig entgegengesetzter Richtung östlich von Heidelberg ein Hotelzimmer gemietet hatte und nachts tödlich verglückte.

Wie schon im Vorgänger beeindruckt Burger durch seine lebensechten Charaktere und seine glaubwürdige Darstellung der Polizeiarbeit. Da vergisst der Chef mal was und seine Untergebenen können auftrumpfen, dafür hat er dann auch mal wieder einen Geistesblitz. Fehler werden gemacht und schließlich gelangt man über akribische Arbeit zum Ziel.

Was jedoch absolut nicht dazu passt und mehr an die Fähigkeit von Superermittlern erinnert, deren logische Schlüsse vom Leser absolut nicht nachvollziehbar sind, waren die versteckten Hinweise von der Tochter am Telefon. Diese waren nicht nur für die weitere Handlung ziemlich überflüssig, sondern die verquere Logik des Entschlüsselns auch ziemlich daneben.

Der Raubmord mutiert zum Wirtschafts-Thriller

So realistisch die Polizeiarbeit verläuft, so konstruiert ist der Plot. Aber er ist gut konstruiert. Alles und jedes hängt zusammen. Die drei verschiedenen Ereignisse verknüpfen sich nach und nach zu einem Ganzen und das absolut nicht so, wie man das zunächst vermutet. Nahezu jede Person, die auftaucht, wird schließlich zum Mosaikstein in einem Fall, der vom zunächst angenommenen Raubmord zum Wirtschafts-Thriller mutiert.

Die Auflösung erfolgt dann ziemlich überraschend. Nicht immer ist die Polizei zum Schluß am schlauesten und es kommt zum Happy-End für alle Beteiligten.

Auch ein paar tiefgreifende Gedanken bringt Burger wieder in den Roman ein. So durchleuchtet er die Praktiken der Wirtschaft, in der beim Streben nach Profit zuerst die Arbeitsplätze der kleinen Leute geopfert werden, was aber über Umwege diesen auch wieder zugute kommt.

Von Kommissarin Vangelis mehr erwartet

Etwas enttäuscht hat mich die Entwicklung von Kommissarin Vangelis respektive das Fehlen dieser Entwicklung, obgleich das Ende vom "Requiem" vermuten ließ, dass man mehr von diesem interessanten Charakter - für mich der interessanteste des ersten Falles - zu erwarten hat. Dafür ist mit Lorenzo ein neuer und sympathischer Charakter aufgetaucht, von dem ich mal vermute, dass er nicht nur dieses eine Gastspiel hatte.

Insgesamt stehen die "Heidelberger Lügen" dem "Requiem" in keiner Weise nach. Wolfgang Burger hat wieder einen Krimi vorgelegt, der in sich schlüssig ist und dem Leser prima Unterhaltung bietet.

Heidelberger Lügen

Wolfgang Burger, Piper

Heidelberger Lügen

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