Feuer der Vergeltung
- Scherz
- Erschienen: Januar 2005
- 3
- London: Macmillan, 2004, Titel: 'Dark Fire', Seiten: 502, Originalsprache
- Frankfurt am Main: Scherz, 2005, Seiten: 576, Übersetzt: Irmengard Gabler
- Frankfurt am Main: Fischer, 2006, Seiten: 543
Zeit und Ort für Krimis weitgehend Neuland
Wir befinden uns in London im Jahr 1540. König Heinrich VIII. hat sich von Rom losgesagt und sich selbst zum Kirchenoberhaupt ernannt. Die Klöster wurden aufgelöst und Heinrichs Vermögen dadurch vermehrt. Englands Stellung in Europa ist jetzt nicht nur geographisch, sondern auch politisch dadurch absolut isoliert, ein Seekrieg gegen Frankreich und Spanien droht. Heinrichs erster Minister Thomas Cromwell wandelt auf einem schmalen Grat, denn seine Ratschläge drohen zu scheitern. Die von Cromwell angeregte Ehe Heinrichs mit Anna von Kleve steht vor dem Aus und dessen nächste Ehefrau soll Catherine Howard werden, die Nichte von Cromwells Gegner, dem Herzog von Norfolk. Nun setzt Cromwell alles auf seinen letzten Trumpf: Er will für seinen König das griechische Feuer beschaffen, eine alte byzantinische Rezeptur. Ein Feuer, das mit Wasser nicht gelöscht werden kann und das den Sieg in einem Seekrieg garantieren soll.
Doch von diesen Plänen weiß der bucklige Anwalt Matthew Shardlake, Erzähler und Protagonist des Romans, zu Beginn der Handlung noch nichts. Er ist mit einer Klage gegen seinen gierigen Kollegen Bealknap beschäftigt, die zu einem Musterprozeß gegen die Landspekulanten werden soll, die aus alten Klöstern elende Behausungen für die ärmeren Bürger schaffen. Durch die stinkenden Jauchegruben haben auch die Bewohner der angrenzenden Häuser zu leiden. Diesen Profitgeiern soll nun das Handwerk gelegt werden, indem ihnen auferlegt werden soll, für diese Mißstände Abhilfe zu schaffen.
Und der nächste Klient wartet bereits auf ihn: Joseph Wentworth. Dessen Nichte Elizabeth ist des Mordes angeklagt. Elizabeth wuchs nach dem Tod ihrer Eltern bei Josephs Bruder Edwin und dessen drei Kindern auf. Nun soll Elizabeth Edwins 12-jährigen Sohn Ralph getötet haben, indem sie ihn in einen Brunnen stieß. Die beiden Töchter haben die Tat angeblich beobachtet. Elizabeths Chancen stehen schlecht, denn die Meinung des Volkes steht bereits fest. Zudem macht es sich das Mädchen selber schwer, da sie seit ihrer Festnahme kein Wort mehr von sich gibt. Sollte sie sich bei der Verhandlung nicht zu der Anklage äußern, dann droht ihr die Folter.
Es kommt, wie es kommen muß: Elizabeth bleibt weiterhin stumm und soll nun "gepresst" werden. Dabei wird sie nackt mit dem Rücken auf einen spitzen Stein gelegt. Auf ihre Brust senkt sich dann ein Brett, welches mit immer größeren Gewichten beschwert wird, so daß irgendwann die Wirbelsäule bricht. Bevor jedoch die Prozedur gestartet werden kann, erfolgt ein 10-tätiger Aufschub durch Lord Cromwell. Daß dieser aber nicht aus reiner Menschenliebe gehandelt hat, erfährt Shardlake, nachdem er zu ihm bestellt wurde. Cromwell macht den Anwalt mit den Fakten über das griechische Feuer vertraut und erwartet von ihm Hilfe bei der Beschaffung dieses Wundermittels.
Und damit beginnen zehn turbulente Tage, die Shardlake ans Ende seiner Kräfte bringen werden.
Mit zweifellos guter Recherche ist es dem britischen Autor gelungen, das England des 16. Jahrhunderts lebendig werden zu lassen. Geschickt hat er seine Handlung in die historischen Gegebenheiten integriert und dabei sogar Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als tragende Säulen seiner Besetzungsliste gewählt. Zeit und Ort sind für Kriminalromane weitgehend unbeackertes Neuland und alleine schon dadurch mit all seinen Glaubenswirren und politischen Verwicklungen für den Leser interessant. Alleine Pilkington hat seine Romane ebenfalls in diesem Zeitabschnitt angesiedelt, jedoch in einem gänzlich anderen Milieu.
Mit dem absoluten Anti-Helden, dem buckligen Anwalt Shardlake und dem ihm zur Seite gestellten Gehilfen Barak, der dem Leser erst im Laufe der Handlung sympathisch wird, hat Sansom ungewöhnliche Charaktere erschaffen, die für eine spannende Handlung mit immer neuen Verwicklungen sorgen. Oder besser gesagt, sogar zwei spannende Handlungen, denn die Suche nach dem Feuer und die Aufklärung des Todes des kleinen Jungen sind ohne Brüche miteinander verwebt. Einige langatmige Passagen jedoch sorgen dafür, dass das Werk auf über 500 Seiten aufgebläht ist.
Die bei in unserer Zeit angesiedelten Krimis oft kritisierte unnötige Brutalität ist hier schon in den Gesetzen verankert, die auch Folterungen vorsahen. Diebstähle, deren Wert einen Shilling überstieg, wurden mit dem Tod bestraft.
Zum Abschluß werden dem Leser noch einige Überraschungen geboten, was den Roman zu einem rundum gelungenen Lesevergnügen ohne große Schwächen macht.
Christopher J. Sansom, Scherz
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