Bis zum Beweis der Unschuld
- dtv
- Erschienen: Januar 2002
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- New York: HarperCollins, 2001, Titel: 'In her defense', Seiten: 376, Originalsprache
- München: dtv, 2002, Seiten: 451, Übersetzt: Christiane Burkhardt
- München: dtv, 2003, Seiten: 451
- München: dtv, 2005, Seiten: 451
- München: dtv, 2006, Seiten: 451
Ein kurzweiliger, temporeicher Justizthriller
Frank O'Connell hat alles, was sich ein Mensch wünschen kann. Eine Frau, ein Kind und einen einflussreichen Schwiegervater, in dessen Kanzlei er arbeiten kann und der ihn wie einen Sohn unterstützt. Doch genau das ist der Haken. O'Connell kommt aus einfachen Verhältnissen und plötzlich kann er dank seines Schwiegervaters alles haben und erreichen was er will. Da O'Connell aber beweisen möchte, dass er es auch alleine schaffen kann verlässt er seine Familie und arbeitet in der Folge als Pflichtverteidiger von Drogendealern und anderen Kleinkriminellen.
"Unten" angekommen hilft ihm nur noch eines; ein Fall der Schlagzeilen macht. Diesen erhält er alsbald, da die schöne und einflussreiche Partykönigin Ashley Bronson beschuldigt wird, den früheren Handelsminister Raymond Garvey getötet zu haben. Das Problem bei dem Fall ist, dass Ashley ihrem Anwalt gesteht, den Mord tatsächlich begangen zu haben und so gerät O'Connell in einige Turbulenzen, zumal er sich in seine Mandantin Hals über Kopf verliebt.
Zwar weiß O'Connell, dass Ashley die Tat begangen hat, doch wissen dies die Geschworenen nicht. Folglich gilt es trotz erdrückender Beweise (Motiv, Fingerabdrücke an der Mordwaffe, Augenzeuge) einen zweiten Täter ins Leben zu rufen, so dass die Geschworenen zu "berechtigten" Zweifeln an Ashleys Schuld kommen. Das von O'Connell eingesetzte Team stößt schon recht bald auf einige Ungereimtheiten, die den Fall in ein völlig neues Licht rücken. So kam der Hauptzeuge, der Ashley unmittelbar nach der Tat beim Verlassen von Garveys Haus gesehen haben will, angeblich aus dem Kino, wo der Film "Der Fremde im Zug" lief. Doch warum lieh er sich den Film nur wenige Tage später in der Videothek aus? Das Team ermittelt weiterhin die Vergangenheit von Ashleys Vater, der von Garvey erpresst wurde (Ashleys Motiv!) und entdeckt dabei schnell einen Grund, warum Garvey auch von einer anderen Person hätte getötet werden können...
Was Stephen Horn hier in der Folgezeit seinen Lesern auftischt ist nicht nur ein fulminanter Gerichtsthriller, in dem es zunächst auch um die moralische (Berufsethos?) Frage geht, wie sich ein Anwalt zu verhalten hat, der weiß, dass er eine schuldige Person vertritt. Einerseits gesteht Ashley den Mord, andererseits ist es O'Connells Job seine Mandantin bestmöglich zu vertreten. Also wird ein zweites denkbares Szenario und damit ein weiterer Täter "gesucht". In der Tat scheinen die Beweise der Staatsanwaltschaft ein wenig zu pefekt zu sein, irgendetwas stimmt hier ganz gewaltig nicht und so präsentiert der Autor eine Lösung, die dem Leser kurzzeitig den Atem raubt und wo plötzlich die vermeintlich Guten einmal mehr die Bösen sind.
Einiges an dem Plot wirkt überzogen und wie O'Connells Team selbst unter größtem Zeitdruck die Probleme löst (u. a. erhält man Zugang zu vertraulichen Personalakten des FBI) kommt schon stark konstruiert daher. Dennoch hat die Story großen Charme und bietet u. a. einen erstklassigen Schlagabtausch vor Gericht, in einem insgesamt etwas zu dialog-lastigen Buch. Aufmerksamkeit wird dem Leser abverlangt, wenn Horn den Bogen von der Atombombe bis hin zu verdeckten Aktionen des FBI spannt, wobei mehr an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Außer vielleicht noch, dass auch "Moralapostel" mit der Auflösung leben können...
Das die Hauptfigur O'Connell immer wieder hin und her gerissen wird zwischen der schönen Ashley auf der einen, Frau und Sohn auf der anderen Seite ist ja durchaus nachvollziehbar; zumal seine Frau "droht" zu heiraten und von Washington nach Kalifornien zu ziehen. Durch die eingebaute Liebesgeschichte wird nicht nur die Thematik der Anwalt-Mandanten-Beziehung beleuchtet, sondern auch den Hauptfiguren "Leben" eingehaucht. Gleichwohl muss es allerdings für das auf die Tränendrüse drückende super-schnulzige Finale Abzüge geben. Barbara Cartland hätte es nicht schlimmer schreiben können.
Was in Erinnerung bleibt ist ein kurzweiliger, temporeicher Justizthriller, der leider einige all zu bekannte Klischees nicht ausspart, der aber dennoch neugierig macht auf einen viel versprechenden Autor. Eine gute Alternative für Freunde von Grisham, Baldacchi, Turow und Co.
Stephen Horn, dtv
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