Trümmer
- Emons
- Erschienen: Januar 2001
- 1
- Köln: Emons, 2001, Seiten: 208, Originalsprache
Eine hervorragende Bestandsaufnahme des Deutschlands der Nachkriegsjahre
Köln im Spätherbst 1947: Der junge Richard Munckler ist neu bei der Kölner Kriminalpolizei und nicht gerade beliebt bei seinen Kollegen. Sie beäugen ihn skeptisch, da er erst nach dem Krieg dazu kam und kein Soldat gewesen war. Vielmehr versteckte er sich im Bergischen Land und entging so dem Kriegseinsatz im Oktober 1944, zu einem Zeitpunkt, da der Kampf ohnehin schon verloren war. Nun also steht er vor seinem ersten Mordfall, den sein Vorgesetzter Alfons Mohren aufzuklären hat. Ingrid Förster, Anfang 40, wurde in ihrer Wohnung erschossen. Der 13-jährige Ferdinand Roos, dessen Vater Hans die Ermordete nächsten Monat heiraten wollte, teilt den Beamten mit, dass er vom Schlafzimmer aus den Mord beobachtet habe. Ein Pole habe seine künftige Stiefmutter erschossen, nachdem diese sich geweigert hätte, ihm Geld zu geben. Zwei weitere Täter sollen, auf dem Flur wartend, dabei gewesen sein.
Ferdinands Vater, Hans Roos, beschuldigt bei seiner Befragung Ingrids Ex-Mann Martin Förster und den "König von Sülz" Herbert Frey, ehemals einflussreiches Mitglied des Ortsausschusses, sich mit Hilfe eines gekauften Mörders seiner Geliebten entledigt zu haben. Diese habe ihren Ex-Mann wegen einer Gewerbekonzession unter Druck gesetzt und zudem Frey mit Enthüllungen über seine Vergangenheit bedroht. Währenddessen vermutet Mohren, dass Roos die Gelegenheit nur ausnutzen will, um zwei ihm verhasste Personen zu denunzieren.
Kurz darauf beobachten die Polizisten ein Treffen zwischen Förster und Frey und bei den weiteren Ermittlungen erhalten sie von der britischen Militärpolizei Unterlagen die belegen, dass Frey während der Kriegsjahre längere Zeit wegen krimineller Straftaten im Gefängnis saß und nicht, wie er behauptet, als Opfer der Nazis. Doch dann macht sich plötzlich auch Hans Roos verdächtigt, denn während der Beerdigung von Ingrid Förster wird deren Wohnung völlig zerstört und im Fußboden der Küche ein geheimes Versteck entdeckt, von dessen Existenz er nichts wissen will.
Richard taumelt förmlich durch seinen ersten Fall, in dem auch sein Vorgesetzter Mohren eine zweifelhafte Rolle zu spielen scheint. Plötzlich steht er spätabends vor Richards Tür und will mit ihm Frey verhaften (aufgrund der Unterlagen der Militärpolizei). Doch als sie an dessen Haus ankommen, schickt er Richard zur Bewachung an die Hintertür, wo sich dieser allerdings nicht lange aufhält, sondern das Haus betritt. In Freys Wohnung angekommen, rennt ihm dieser in die Arme mit den Worten "Nicht schießen! Verhaften sie mich!". Daraufhin "löst sich ein Schuss" aus Mohrens Waffe...
Köln liegt in Trümmern und genau so hoffnungslos wie der Zustand der zerstörten Häuser ist die Lage der meisten Menschen in dieser Stadt. Die Vergangenheit lässt sich nicht so schnell abschütteln und eine der zentralen Fragen lautet "Was haben Sie eigentlich in den letzten zehn Jahren gemacht?" oder wie Richard Munckler einmal sinniert, "Wer hat welches Päckchen zu tragen?" Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind fließend und so schwankt der Leser ähnlich wie Munckler ständig zwischen den Verdächtigen hin und her. War es der Ex-Mann Martin Förster, dem seine Frau Konzessionspapiere und damit einen beruflichen Neubeginn vorenthielt? War es ihr Liebhaber Hans Roos, der die Vergangenheit seiner Lebensgefährtin nicht ertragen konnte? War es Herbert Frey, der von Ingrid Förster erpressbar war? Oder war es doch eine von den zahlreichen marodierenden polnischen Banden, die sich mit Diebstählen ihren Lebensunterhalt verdiente, wohl wissend, das sie als Verfolgte der Nazis bei der britischen Militärpolizei nicht all zu schlimme Strafen zu erwarten hatten?
Die Kölner Kriminalpolizei hat es in den Nachkriegsjahren besonders schwer. Schlecht ausgerüstet und von der britischen Militärpolizei von oben herab behandelt, sind die Aufklärungsquoten denkbar gering. So kommt es, dass man in erster Linie versucht, auf alle Verdächtigen zunächst einmal Druck auszuüben. Hierbei fallen viele Fassaden in sich zusammen, denn nicht nur die vermeintlich Bösen haben sich in den Jahren des Krieges einiges zu Schulden kommen lassen. Die Auflösung des Falles, die - natürlich - Richard Munckler gelingt, überrascht den Leser, der sich zunächst verwundert die Augen reibt. Im ersten Moment macht sich Enttäuschung breit, zu einfach scheint sich der Fall aufzulösen, der im Übrigen auf einer wahren Begebenheit basiert. Nach einem kurzen Durchatmen akzeptiert man aber den etwas anderen Ausgang des Plots.
Helmut Frangenberg, Journalist aus Köln, hat mit "Trümmer" eine hervorragende Bestandsaufnahme des Deutschlands der Nachkriegsjahre aufgezeigt, ohne dabei den eigentlichen Krimi-Plot zu vernachlässigen. Wer die Bilder des vom Krieg zerstörten Kölns kennt, findet diese in dem Roman gut verarbeitet, wobei das Buch kein Regionalkrimi der heute üblichen Art ist. Die Beschreibung der in Schutt und Asche liegenden Stadt und die Trostlosigkeit der Gegenwart sind die Stärken dieses historischen Romans aus der "Köln Krimi Classic"-Edition (Band 5) des Emons-Verlages.
Das angesprochene Spannungsverhältnis zwischen britischer Militär- und Kölner Kriminalpolizei wird leider so gut wie gar nicht beleuchtet, ebenso tauchen überraschend wenige ehemalige Nazis auf, die man zwei Jahre nach Kriegsende eigentlich hätte erwarten müssen. Hier wünscht man sich deutlich mehr Tiefgang. Bei der Figurenzeichnung muss der Autor ebenfalls dem geringen Buchumfang Tribut zollen, aber zumindest Richard Munckler entwickelt sich von einer zunächst bemitleidenswerten Person zu einem Helden, dem man gerne in einem weiteren Fall wieder begegnen würde.
Helmut Frangenberg, Emons
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