Toxic

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2005
  • 68
  • New York: Atria, 2003, Titel: 'The Serpent´s Kiss', Seiten: 375, Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2005, Seiten: 464, Übersetzt: Sonja Schuhmacher & Thomas Wollermann
  • Augsburg: Weltbild, 2006, Seiten: 461
  • Berlin: Argon, 2007, Seiten: 6, Übersetzt: Wolfram Koch
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2009, Seiten: 461
  • Berlin: Springer, 2011, Seiten: 357
Toxic
Toxic
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Eva Bergschneider
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2005

Ein Action-Thriller mit ´Biss´ und viel Klischee

»Toxic« ist nicht, wie man glauben könnte, der Originaltitel von Mark T. Sullivans sechstem Roman, der lautet »The Serpent's Kiss«, übersetzt also »Der Schlangenkuss«. Mark T. Sullivan, lange sehr erfolgreich im Bereich des investigativem Journalismus tätig, schreibt sehr spektakuläre Thriller, in die er gern mystische Elemente mit einfließen lässt. In Deutschland sind bisher »Die Jägerin«, »Geistertanz« und »66095« bekannt. »Toxic« wird vom Verlag bereits weit vor dem Erscheinungstermin als "Thriller des Jahres" gefeiert. Auf dem Cover leuchten einem gelb die Worte "Der Biss - Das Feuer - Die Hölle" sowie ein gelbes Reptilienauge entgegen.

Als Leser erwartet man dadurch einen ultraspannenden, Nerven zerreißenden Thriller, der einem den Schlaf raubt. Und es geht auch spektakulär los:

Sex, Schlangenbisse und Bibelzitate

Die kenianische Reinigungskraft Mary Aboubacar findet in einem Appartementhaus die Leiche eines grausam entstellten Mannes. Da sein Körper zahlreiche schwarze Flecken und aufgeplatzte Hautblasen aufweist, glaubt die ehemalige Krankenschwester ein Ebola-Opfer vor sich zu haben. Der Gerichtsmediziner und der ermittelnde Detective Seamus Moynihan von der Polizei San Diego finden heraus, dass der Tote an den Folgen tödlicher Schlangenbisse gestorben ist. Der Tatort wirkt noch um einiges schauriger als eine seltsame Inschrift auf dem Spiegel entdeckt wird.

Es werden weitere Leichen gefunden, ein sexuell motivierter Mörder vergiftet seine Opfer und foltert sie anschließend mit Schlangenbissen zu Tode, am Tatort hinterlässt er Bibelzitate. Trotz offensichtlicher sexueller Aktivität sind sehr wenig Spuren zu finden, der Täter hinterlässt den Tatort makellos sauber geputzt. Für "Shay" Moynihan und sein Team beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Die Spurensuche führt zu dem Reptilien-Abenteurer Nick Foster, Star des Fernsehspektakels "Kaltblütig" und seiner im Hintergrund agierenden Partnerin, der Zoologin Jane Hood. Der "Schlangenbeschwörer" Foster weiß nicht nur mit den Reptilien umzugehen, er bewegt sich auch in einem verdächtigen Umfeld. Seine eigentlich fachkundigere Assistentin erklärt den Ermittlern einiges über das Verhalten von Schlangen. Professorin Susan Dahony, Autorin eines umstrittenen Buches über den biblischen Lillith-Mythos mit dem Titel " Die zweite Frau", wird ebenso in die Ermittlungen mit einbezogen, sie soll Aufschluss über die religiösen Hintergründe der Bibelzitate geben.

Auf der Jagd nach potentiellen Verdächtigen kommt es zu schwerwiegenden Fehlern und peinlichen Pannen. Fälschlicherweise ausgeführte Verhaftungen und eine vollkommen überflüssige und gefährliche Schießerei führen dazu, dass Moynihan beurlaubt wird und sein Partner Varjjan lebensbedrohlich verletzt im Krankenhaus landet.

Moynihan ermittelt auf eigene Faust weiter und verfolgt Spuren zu einer obskuren christlichen Kirchengemeinde in Alabama, die ihre Gottesdienste mit Klapperschlangen zelebriert und deren Mitglieder ihre Frömmigkeit unter Beweis stellen, indem sie sich von den giftigen Reptilien beißen lassen. Sind religiöse Fanatiker auch zu so bestialischen Morden fähig?

Bevor Moynihan schließlich heraus findet, wer hinter diesen grausamen Hinrichtungen steckt, muss auch er vor Giftzähnen auf der Hut sein.

Ein cooler Draufgänger mit seelischem Knacks

Sullivan hat mit Seamus "Shay" Moynihan einen schillernden Action-Held erschaffen und ihn mit einigen Schwächen, einer traumatischen Vergangenheit und einem schwierigen Privatleben ausgestattet.

Moynihan lebt auf einer Jacht, dem "Schmerzensgeld" aus der Scheidung von seiner aus reichem Haus stammenden Exfrau Fay, im stets sonnig-warmen San Diego. Er fährt eine liebevoll restaurierte metallic-grüne 1967er Corvette und ist ein sportlicher und schlagfertiger Typ, der bei Frauen gut ankommt, aber keine engere Beziehung eingehen will. Bei der Mordkommission San Diego gilt Moynihan als brillianter Analytiker und arbeitet dort in einem Team mit 4 Detektives und einem Sergeant als Chef, den er ständig absichtlich provoziert und bloß stellt. Somit entspricht Sullivans Hauptcharakter ziemlich exakt dem Klischee des reichen, gut aussehenden, selbstbe-wussten und interessanten Machos. Dennoch hat sich der Autor durchaus bemüht, ihm auch eine sensible, schwache Seite zu verleihen. Moynihan wird nicht nur im Schlaf von dem gewaltsamen Tod seines Vaters verfolgt, der ebenfalls ein Cop war und im Dienst auf grausame Weise ums Leben kam. Moynihan hatte seiner Mutter einst versprochen, niemals in des Vaters Fußstapfen zu treten und schlug stattdessen eine Laufbahn als Baseball-Profi ein, die allerdings durch eine schwere Schulterverletzung ein frühes Ende fand.

Moynihans Beziehung zu seinem Sohn Jimmy wird nach seiner Scheidung immer schwieriger, die beiden entfremden sich zunehmend. Dem Jungen fehlt sein Vater, der immer mehr Schwierigkeiten hat, die Verpflichtungen seinem Sohn gegenüber wahrzunehmen. So wird also aus dem unbeschwerten Draufgänger der sensible Held. Die Charakterisierung ist allerdings derart klischeehaft überzogen, dass sie einfach nicht plausibel wirkt. Diese wahnsinnig dramatischen Szenen im Stadion als Moynihan sich verletzt sowie dieses immer wieder bemühte Trauma mit seinem Vater, das schließlich sogar für seine Seitensprünge und die dadurch gescheiterte Ehe herhalten muss, wirken grotesk übertrieben, völlig überdramatisiert und nicht einmal im Ansatz glaubwürdig.

Eine gut konstruierte, interessante Story geht in sinnloser Action unter

Zu den Pluspunkten dieses Thrillers gehört eine gut recherchierte, spannende und originelle Story. Sullivan hat ein bizarres und absonderliches Thema glaubwürdig beschrieben und einen atemberaubenden Spannungsbogen kreiert. Die Geschichte beginnt furios und wird zunächst sehr subtil schockierend aus der Perspektive eines Opfers erzählt. Die Ermittlungsarbeit wird größten-teils aus Moynihans Sicht in Ich-Form geschildert und am Ende kommt es zu einem spektakulärem Show-Down. Die Schilderung der Morde ist wirklich gelungen und gruselig, allein dieser Wechsel der Perspektiven führt zu atemberaubenden Nervenkitzel. Der bizarre, religiös-fanatische Hintergrund verleiht der Geschichte eine faszinierende, mystische Atmosphäre. Die Qualität der Story und die absurden und doch realistischen Hintergründe hätten zu einem hochwertigen Thriller verarbeitet werden können. Aber Sullivan lässt seine Geschichte leider in oft sinnfreier und total realitätsferner aktionsgeladener Handlung untergehen. Die Konstruktion lächerlich durchsichtiger, falscher Fährten und die teilweise schweren Logikfehler bei der Auflösung der Handlungsstränge machen es dem Leser schwer, die Geschichte überhaupt ernst zu nehmen.

Sprachlich ist der Roman in betont lockerem Polizei- und Baseballslang verfasst, flott zu lesen, durchaus humorvoll, aber wenig originell. Das Lektorat oder die Übersetzung ist teilweise sehr fehlerhaft, es werden sogar Personen vertauscht.

Letztendlich werden Leser, die in erster Linie Spaß an Thrill und trashiger Action haben, von Mark T. Sullivans »Toxic« begeistert sein. Wer aber etwas mehr Anspruch an Logik und Glaubwürdigkeit einer Geschichte stellt wird eher enttäuscht sein und sich fragen, wie eine gute Idee für einen Thriller derartig banal in Szene gesetzt werden konnte.

Schade, hier hat ein Autor, der nachweislich das Schreibhandwerk versteht, viel Potential verschenkt.

Toxic

Mark T. Sullivan, Fischer

Toxic

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