Inspector Ghote hört auf sein Herz

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 1975
  • 1
  • London: Collins, 1972, Titel: 'Inspector Ghote trust the heart', Seiten: 191, Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1975, Titel: 'Geben Sie´s auf, Inspektor Ghote', Seiten: 124, Übersetzt: Edda Janus
  • Zürich: Unionsverlag, 2005, Seiten: 191
Inspector Ghote hört auf sein Herz
Inspector Ghote hört auf sein Herz
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Thomas Kürten
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2005

Was tun, Inspector Ghote?

In kurzer Folge hat der Unionsverlag mit Inspector Ghote hört auf sein Herz inzwischen den dritten Roman aus der Feder des Briten H.R.F. Keating in Neuauflage auf den deutschen Buchmarkt gebracht. Die überaus erfolgreiche und preisdekorierte Ghote-Serie erfährt damit im Rahmen der metro-Reihe eine verdiente Fortsetzung mit einem trotz seiner nur knapp 180 Seiten Umfang wirklich starken Roman.

Während in Inspector Ghote zerbricht ein Ei der Protagonist einen auf sich allein gestellten Entsandten mit Sonderauftrag zur Ermittlung in der Provinz abgab, während er in Inspector Ghote geht nach Bollywood einen eitlen Pfau in der Kulissenwelt der Filmwerkstätten darstellte, ist er in diesem Roman mit einem Fall beschäftigt, der ihn mehrfach abwägen lässt zwischen Befehlsgehorsam und Lehrbuchprinzipien auf der einen und beherztem, menschlichen Verhalten und Wagemut auf der anderen Seite.

Das falsche Kind entführt

Ghote wird von seinem obersten Vorgesetzten persönlich zur Wohnung von dessen Freund Manibhai Desai, einem wohlhabenden Fabrikbesitzer, geschickt, da am frühen Morgen dessen kleiner Sohn Haribhai nur knapp einem Entführungsversuch entkam. Nur dem glücklichen Zufall, dass der Junge seine Kleider kurz zuvor mit denen des Sohns des Schneiders getauscht hatte ist es zu verdanken, dass die Entführer nun das falsche Kind in ihren Händen haben. Dennoch zeigen sie sich gnadenlos und fordern die unverschämt hohe Summe von 20 Lak Rupien (schon ein Lak ist ein Vielfaches von Ghotes Jahresgehalt) als Lösegeld.

Eigentlich kann der Industrielle froh sein, zumal sein Sohn in Sicherheit ist. Er teilt jedoch das Schicksal des Schneiders, nur einen Sohn zu haben und seine Frau bei der Geburt des Kindes verloren zu haben. Und da der Schneider niemals auch nur eine annähernd große Summe aufbringen kann, lässt er sein Herz erweichen und geht wenigstens teilweise auf die Forderungen der Verbrecher ein. Sehr zum Gefallen Ghotes übrigens, dem das Leben des Jungen von Anfang an am Herzen liegt und der hofft, durch Verhandlungen und Lösegeldzahlung Zeit zu gewinnen und Spuren zu entdecken, die auf die Entführer hinweisen. Der höherrangige Inspektor Karandikar, der zufällig von der Entführung erfährt, ist da ganz anderer Meinung: Er will sich mit Entführern auf keine Verhandlungen einlassen und ihnen schon gar kein Lösegeld zahlen. Kurzerhand übernimmt er die Ermittlungen und Ghote wird zum Befehlsempfänger. Nur Mr. Desai kann noch auf Augenhöhe mit Karandikar reden.

Ghote auf schmalem Grat

Indien, besser gesagt Bombay, ist Schauplatz der Ermittlungen des Inspectors Ghote - und das ist für das Verständnis dieser Romane ein wesentlicher Faktor, da sie sehr von Kultur und Tradition geprägt sind. Das Handeln der einzelnen Figuren mag über weite Strecken mitunter naiv, beschränkt oder gar einfältig wirken, jedoch wird genau hier auch die kulturelle Differenz zur westlichen Welt ersichtlich. Den Befehlen eines Vorgesetzten gehorcht man ohne Widerspruch! Zumindest erweckt ein Inspektor Ghote genau diesen Anschein, um keinen Unfrieden auf Nebenschauplätzen zu erzeugen. Eine gewisse Unterwürfigkeit und starkes Hierarchiedenken sind in der indischen Gesellschaft fest verankert. Es ist ein hinreißendes Vergnügen, Ghotes inneren Kampf zwischen eigener Überzeugung und gesellschaftlich geprägter Befehlsgehorsamkeit zu verfolgen. Wie häufig will der Leser sich in Ghote hinein versetzen und gegen die Befehle des Vorgesetzten argumentieren? Und wie oft beweist ihm Ghote, dass man Befehle befolgen und dennoch den eigenen Weg beschreiten kann? Der Reiz der Ghote-Romane liegt der so liebenswerten Figur des Inspectors, der mit seinem Scharfsinn nicht nur gegen das Verbrechen ankämpft.

Unterstützung stellt ihm Keating in diesem Roman in Form von Manibhai Desai an die Seite. Der Industrielle hat einen ähnlichen inneren Kampf zu bewältigen, in ihm tobt Herz gegen Verstand. Mehrfach ändert er seinen Entschluss, Lösegeld für den Schneidersohn zahlen zu wollen oder nicht, jedoch befindet er sich als Freund des Chief Commissioners an einer ganz anderen Position im gesellschaftlichen Gefüge als der Inspector. Genauso bemerkenswert wie die Schöpfung dieser Figur ist auch die dramatische Zuspitzung: Über erste Indizien, Anrufe, fehlschlagende Lösegeldübergaben spitzt sich die Handlung auf einen Alleingang des Inspectors zu. Und alles wirkt als wäre die Tinte aus der leichten Feder des Autors wie von selbst zu Papier geflossen.

Entspannt und virtuos spielt Keating auf der Klaviatur möglicher Drehungen und Wendungen. Dass er bei dem nur geringen Umfang des Buches seine Chancen so gut nutzt, dass ist die wahre Meisterschaft des Autors. In diesem Roman versprüht Ghote zudem Charme und kann die Sympathiewerte, die er in Inspector Ghote geht nach Bollywood durch seine Eitelkeit verloren hatte, wieder im Handumdrehen zurück gewinnen. Die ersten drei in der metro-Reihe erschienenen Titel stammen aus den 1970er Jahren. Nun besteht die Hoffnung, dass der Verlag der Empfehlung des Autors Folge leistet, mit "Doing Wrong" von 1994 einen neueren Roman aus der Reihe als nächstes in deutscher Übersetzung vorzulegen.

Inspector Ghote hört auf sein Herz

H.R.F. Keating, Rowohlt

Inspector Ghote hört auf sein Herz

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