Tödliche Versuchung
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2001
- 5
- New York: St. Martin’s Press, 2000, Titel: 'Hot six', Seiten: 294, Originalsprache
- München: Goldmann, 2001, Seiten: 315, Übersetzt: Thomas Stegers
- München: Goldmann, 2003, Seiten: 315
Das meint Krimi-Couch.de:
Frank Zappa hat einmal die provokante Frage gestellt und einen Plattentitel daraus abgeleitet: "Does humour belong in music?". Wenn man diese Frage nimmt, auf die Kriminalliteratur überträgt und dann mit "ja" beantwortet, dann landet man ganz automatisch bei Janet Evanovich und ihrer Heldin Stephanie Plum aus der mittelgroßen Stadt Trenton an der amerikanischen Ostküste, und in Sachen Humor ist man bei Janet Evanovich wirklich gut aufgehoben. ähnlich wie die (auch nicht ohne humorigen Unterton schreibende) Kalifornien Sue Grafton, deren Romantitel durchbuchstabiert sind, hat Janet Evanovich ihre Abenteuer mit Stephanie Plum durchnummeriert und ist jetzt bei Nummer sechs, oder vielmehr Sex, angelangt. "HOT SIX" lautet der originaltitel, bei Goldmann unter "Tödliche Versuchung" übersetzt.
Das wohl Bemerkenswerteste an den Krimiabenteuern mit der Serienfigur Stephanie Plum sind die Figuren, die eigentlich nur knapp der Bezeichnung Karikatur entgehen und dennoch lebensechte, lebensnahe und oft sogar liebenswerte Personen sind. Seien es die (wirklich nur skizzierten) Familienmitglieder von Stephanie, seien es ihr Chef und ihre Kolleginnen sowie betriebsinternen Konkurrentinnen beim "Kopfgeldjägerbüro" Vincent "Vinnie" Plum oder auch Stephanies Ex-Ehemann, ein Winkeladvokat - alle Figuren wirken dem Leser sofort vertraut, so unverwechselbar zeichnet Janet Evanovich das Profil jedes einzelnen mit nur wenigen Federstrichen.
Besonders die immer wiederkehrenden Personen in allen Romanen - also die unmittelbare Familie Mutter, Vater, Großmutter), ihr Liebhaber und Jugendfreund Joe Morelli (nebst seiner ganzen Polizeitruppe) sowie die Mitarbeiter (freie und angestellte) des Kautionsbüros Plum, darunter so bunte Vögel wie "Ranger" oder Lula, ganz zu schweigen von Rex, Stephanies kleinem Hamster, tauchen immer wieder auf, übernehmen unterschiedliche Funktionen. So spielt zum Beispiel der kleine Hamster Rex die Rolle des "Dialogpartners" bei zahlreichen inneren "Monologen" von Stephanie; so dient Stephanies Großmutter dazu, das leben und die Gesellschaft in trenton mit ihren eigenwilligen Kommentaren, aus persönlichen Erfahrungen gespeist, kritisch zu schildern; so sind die trockenen, knappen Anmerkungen von "Ranger", einem wortkargen, auf allen ermittlungsrelevanten Gebieten schier unfehlbaren Fabelwesen (das niemals schläft, immer zum richtigen Zeitpunkt die Dame in Bedrängnis - also Stephanie - aus der not rettet und in deren Augen als begehrenswerter Sexualpartner gilt und außerdem noch als millionenschwerer Unternehmer) häufig dazu gedacht, das bedrohliche einer Situation zu betonen, das dunkle, gefährliche Element in Evanovich turbulenten Krimikomödien zu verkörpern.
Nicht, dass es in den Abenteuern von Stephanie Plum ohne Gewalt zuginge: Der Mann, den sie zu einem Gerichtstermin vorführen soll, rammt ihr Auto, setzt ihre Bluse in Brand und bedroht sie mit einem Moniereisen. Die Gefahr bei der "Verhaftung" eines weiteren "Flüchtigen", der zugekokst immer vor dem Fernseher hängt, liegt eher im Unerwarteten, Unvorhersehbaren: Wann rastet dieser oft in geistigem Nebel schwebende "Kunde" von Stephanie aus?
Als überhaupt nicht bedrohlich geschildert werden zwei Nebenfiguren, gedungene Killer, die Stephanie ständig und überallhin verfolgen - aber ebenso mit wechselnden Autos wie die Heldin selbst. Die Szenen, in denen sich die beiden Handlanger eines mächtigen Waffenschiebers unterhalten, erinnern stark an den letzten Film mit John Travolta als Auftragskiller: Bevor der brutal und kaltlächelnd irgendwelche Auftragsmorde erledigt, plaudert er mit seinem Komplizen auch über das Essen, die Familie, die Altersversorgung und das Fernsehprogramm.
Janet Evanovich schildert ihre Krimifamilie mit leicht ironischem Unterton, die Icherzählerin Stephanie Plum nimmt sich da überhaupt nicht aus, und daher wirkt das ganze nicht etwa komisch, sondern, jenseits allen Humors, glaubwürdig. Zur Familie der Romanserie zählen natürlich nicht nur die eigentlichen Blutsverwandten, sondern auch die Kollegen aus dem Kopfgeldjäger(kautions-)büro sowie Stephanies Gelegenheitsliebhaber Joe Morelli von der Mordkommission Trenton - und der stellt gleichzeitig die für jeden Privatermittler unerläßlichen guten Kontakte zum Polizeiapparat her. Und dann sind da noch die Jugendfreundinnen von Stephanie Plum, die heute eher biedere Hausfrauen mit den typischen Problemen grüner Witwen sind. Diese "Schiene" der krimifamilie liefert zum einen Klatsch und Tratsch aus der Gesellschaft von Trenton, hin und wieder aber auch echte Informationen und Hinweise, die Stephanie weiter bringen.
Alle Krimis von Janet Evanovich, die in ihrem "früheren" schriftstellerleben Liebesromane geschrieben hat, tragen eine unverkennbar weibliche Handschrift. Das merkt man am Umgang der Hauptfigur mit der klassischen frage: "was ziehe ich heute an?" oder an den offen eingestandenen Mogeleien, wenn es darum geht, einen ihrer beiden Wunschpartner zu sich einzuladen (und da spielt dann auch wieder die Kleiderfrage eine Rolle). Diese feminine Stimme ist unüberhörbar, und doch steht Stephanie im Lleben ihren "Mann", auch wenn sie sich zahlreicher weiblicher Tricks bedient.
Unabhängig vom Ausgang des jeweiligen Einzelfalles sind die Krimikomödien von Janet Evanovich nicht nur spannend, sondern bringen den Leser durch eine Reihe von komischen Situationen ständig zum schmunzeln, und gesellschaftskritische Töne schwingen auch immer mit, besonders, wenn Stephanies Großmutter im Spiel ist. Ich habe den großen Test noch nicht durchgeführt, weil es Stephanie Plum noch nicht lange genug gibt, aber ich vermute stark, dass ich "Tödliche Versuchung" oder andere Plum-Krimis nach zehn oder zwölf Jahren wieder mit ebenso großem Vergnügen noch einmal lesen kann
Janet Evanovich, Goldmann
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