Bitterer Chianti
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2005
- 2
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2005, Seiten: 366, Originalsprache
Der Dick Francis des Weins?
Auf einschlägigen Weinseiten lässt sich folgendes lesen: "Adel verpflichtet! Unter diesem Motto werden in der Fattoria Cusona Weine höchster Perfektion erzeugt. Principe Strozzi, der letzte männliche Nachfahre der einflussreichen toskanischen Dynastie Strozzi, besitzt nicht nur das mit Abstand schönste Castello, sondern auch einige der besten Weinberge der Region." Und ebendieser Strozzi musste oder durfte seinen Namen einer Person leihen, die in einem Krimi mit Schauplatz Toskana eine tragende Rolle spielt. Ob dies mit seinem Einverständnis geschah, entzieht sich allerdings der Kenntnis der Rezensentin.
Toskana und Wein
Weitere Fattorias werden in dem Roman genannt, die wohl ähnliche Namen wie real existierende Weingüter tragen. Einem Leser, der nicht gerade Italienweinkenner in Perfektion ist, mag dies allerdings kaum auffallen. Was jedoch ins Auge fällt, wenn man sich generell ein wenig mit Wein beschäftigt hat, ist die Sachkenntnis, die Paul Grote in seinem Roman "Bitterer Chianti" zum Besten gibt. Mit einem Fotografen als Hauptfigur, der Fotos für ein Weinbuch liefern soll, aber über kein Expertenwissen verfügt, hat er einen guten Vermittler zwischen Leser und der Önologie gefunden. Und wenn man sich mit dem Auto schon einmal auf den Weg nach San Gimignano begeben hat, wird man sicherlich über die Stelle schmunzeln, an der Frank, der Fotograf, sich über die idiotischen Kreisverkehre rund um Poggibonsi ärgert. Stimmt!
Es gibt Autoren, die tummeln sich mit ihrem Roman in einem bestimmten Milieu, das sie besonders mögen oder in dem sie sich besonders gut auskennen, was kein Schaden ist. Wenn z.B. Pferdeliebhaber zum Krimi greifen wollen, dann kommen sie an Dick Francis nicht vorbei. Paul Grote schickt in seinem zweiten Wein-Krimi (der Erste spielt im Bordelais) einen Helden ins Gefecht - nämlich in die Weinberge der Toskana -, der sich als ähnlich widerstandsfähig wie jene des Rennsportmilieus erweist. Nicht umsonst heißt er mit Nachnamen Gatow, was im Italienischen soviel wie Katze (gatto) bedeutet. Da er mehrere Anschläge auf sein Leben überlebt, scheint er in der Tat die sprichwörtlichen sieben (oder neun) Leben einer Katze zu haben. Gerade dieses Detail mag dem einen oder anderen passionierten Krimileser nicht gefallen, aber es gibt auch Liebhaber dieses Genres. Dabei geht die Geschichte gar nicht in die Hau-einfach-drauf-Richtung, sondern Frank Gatow spielt einfach seine Fähigkeiten aus, wozu als Fotograf eben auch eine sehr gute Beobachtungsgabe und ein gehöriges Maß an Neugier gehört.
Ein Fotograf auf Abwegen
Als er bei einer Verabredung auf einem Weingut den Besitzer nicht antrifft und gerade das Panorama aufs Korn nimmt, wird er von zwei zwielichtigen Typen mit amerikanischem Akzent zusammengeschlagen. Dabei wird zwar seine neue, beste Kamera nahezu zerstört, aber sie scheinen es nicht auf ihn, sondern nur auf den belichteten Film abgesehen zu haben. Hat er etwas Interessantes fotografiert? Sein Besuch bei der Polizei verläuft nicht sehr erfolgsversprechend, denn der zuständige Polizist glaubt ihm kein Wort. Ein paar Tage später werden die Leichen von Vater und Sohn ebendieses Weingutes gefunden und Frank gerät unter Verdacht. Hinzu kommt, dass vielen Winzern der Gegend das Glück gerade nicht hold zu sein scheint: Stromausfall mitten in der Lese, so dass die Trauben zu verderben drohen, ein Brand, der Zusammenbruch einer wichtigen Brücke, die zu den Weinbergen führt. Ist Frank Gatow der Einzige, der hier eins und eins zusammenzählen kann?
Diese Überlegenheit macht zwar stutzig, insgesamt ist die Geschichte aber dennoch recht unterhaltsam und gepaart mit dem Ambiente der Toskana und den Details über die Weinherstellung bietet "Bitterer Chianti" ein kurzweiliges Lesevergnügen, das nicht zu anstrengend ist.
Seine Romane bringt der Autor Interessierten übrigens auch über Lesungen in Weinhandlungen nahe. Nur schade, dass ich gerade eine verpasst an meinem Wohnort verpasst habe.
Paul Grote, Rowohlt
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