Novembermord
- Fischer
- Erschienen: Januar 2004
- 4
- Frankfurt am Main: Fischer, 2004, Seiten: 284, Originalsprache
Dieser Typ von Protagonist ist bestens bekannt
In das ländliche Kinzigtal zwischen Fulda und Hanau hat Berndt Schulz seine blutrünstige Handlung inmitten von Satanisten und merkwürdigen Gruppierungen verlegt.
In einer Wetterstation wird ein Meteorologe ("Wer soll denn in einer Wetterstation sonst ermordet werden?") durch 33 Stiche mit einem Stilett ermordet aufgefunden. Kommissar Matin Velsmann und seine beiden Assistenten Alfons Freygang und Tosca Poppe tappen - wie es so schön heißt - im Dunkeln. Keine Zeugen, kein Motiv.
Die Ermittlungen führen Velsmann zu dem einsam lebenden Lehrer Karl Petry. Seit dem Tod seines kleinen Sohnes, der in einem unangekündigten Schneesturm erfroren ist, ist er depressiv und hat sich ganz zurückgezogen. Doch sollte ein falscher Wetterbericht wirklich ein einleuchtendes Motiv darstellen? Der Bruder des Ermordeten besitzt Stilette der Art, die als Mordwaffe diente und hat eine rechtsradikale Gesinnung. Dies aber ist auch schon alles, was gegen ihn spricht. Weitere Spuren und Hinweise bringen einen Ritterverein, der in Gelnhausen Stadtführungen veranstaltet, und dessen unsympathischen Leiter Frank Welsch ins Spiel.
Schwedische Verhältnisse in Hessen
Freygang vermutet eine satanistische Sekte hinter der Tat und bringt weitere Beispiele, wo die Zahl 33 eine Rolle gespielt hat. 33 Jahre alt ist zufälligerweise (?) auch das nächste Mordopfer, ein Badegehilfe. Seine Leiche ist durch eine Machete grauenhaft verunstaltet. Auch hier kaum Hinweise für die Ermittler. Verbindungen zwischen den Opfern können keine gefunden werden.
Mit dem 58-jährigen Kommissar Martin Velsmann ist die Krimiwelt wieder um einen melancholischen Ermittler reicher, der mehr mit persönlichen Problemen zu kämpfen hat als gegen die Verbrecher. Er lebt von Frau und Kindern getrennt und bekommt nun allmählich Angst vor der Einsamkeit im Alter. Die zunehmende Verrohung der Gesellschaft macht ihm zu schaffen. (Kennen wir das nicht von irgendwoher aus Schweden?) Auch die Beschreibung des Wetters lässt eher an Ystad denn an Hessen denken. Denn wann hat es dort im November jemals so lange am Stück eine geschlossene Schneedecke gegeben? Von den Fakten her trägt Velsmann autobiografische Züge des Autors (wie Herkunft und Alter). Er wird mehrfach als "Hessens bester Polizist" bezeichet. Warum er aber kurz vor dem Pensionsalter erst Kommissar ist, darauf wird nicht eingegangen. Velsmann eckt bei seinen Vorgesetzten an, weil er mehr nach seinem Gefühl geht als stur nach Fakten zu ermitteln. Daß er damit zwar nicht immer richtig liegt, am Ende aber dennoch Erfolg hat, unterscheidet ihn ebenfalls nicht von vielen bekannten Protagonisten der Kriminalromanwelt.
Dicke Schnitzer des Autors
Die geografische Beschreibung ist exakt, doch mit einigen Ungenauigkeiten behaftet, die zum Teil wohl beabsichtigt sind. So wird aus dem Ort Steinau ein Stahlau und die Straßenbezeichnungen sind auch nicht immer zutreffend. Was sich der Autor aber sonst an Fehlern geleistet hat, geht nicht auf die berühmte Kuhhaut. So wird zum Besipiel die binäre Zahl 10111 als 33 bezeichnet und PCs laufen auch auf 33 bit.
Ganz anders als Schulz´ Protagonist ist der Plot zwar weit hergeholt, dafür aber originell und nicht alltäglich. Satanismus als Auslöser von Verbrechen ist in der realen Welt in jüngster Zeit mehrmals auftaucht, wird aber in der fiktiven Welt weitgehend totgeschwiegen. Hier legt der Autor eines gesundes Maß an, übertreibt keineswegs die Darstellung der Riten solcher Gruppierungen, leistet sich aber auch hier einen dicken Bock, indem er die Begriffe Satanismus, Esoterik und Rechtsradikalismus in den gleichen Topf wirft.
Nachdenkliche Phasen überwiegen
Die Handlung wechselt zwischen spannenden und nachdenklichen Phasen, wobei letztere zweifellos die Überhand haben, um schließlich nach einem actionreichen Showdown melancholisch zu enden. Schulz´ Schreibstil ist angenehm zu lesen. Die Darstellung seiner Charaktere ist recht ordentlich, die Nebendarsteller könnten etwas mehr Tiefgang vertragen. Es bleibt zumindest Spielraum für Folgeromane, denn solche kann man aufgrund der Ereignisse in Velsmanns Privatleben erwarten, auch wenn sich dieser bereits mit Gedanken nach einem vorzeitigen Ruhestand trägt.
Besser wäre sowieso eine höhere Gewichtung der beiden Assistenten, die von der Anlage her ein weit höheres Potential bieten als ein Kommissar, dessen Anleihen aus anderen Krimis doch zu offensichtlich sind.
Aufgrund der vielen Ungereimtheiten und plumpen Fehlern sowie imitierten Protagonisten und Atmosphäre taugt "Novembermord" allenfalls als leichte Unterhaltung ohne großes Nachdenken.
Berndt Schulz, Fischer
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