Land der Mädchen
- Prolibris
- Erschienen: Januar 2003
- 9
- Kassel: Prolibris, 2003, Seiten: 255, Originalsprache
Künftig bitte weniger Klischees, dafür mehr Spannung
Der Karneval in Köln erreicht seinen Höhepunkt als die Eltern des neunjährigen Christian Seifert ihren Sohn als vermisst melden. Wenig später scheinbar ein totes Mädchen in der Wahner Heider gefunden, doch der zuständige Pathologe stellt umgehend fest, dass sich unter dem Mädchenkleid und der blonden Perrücke die Leiche eines Jungen, eben des vermissten Christian, befindet. Ein erster Verdächtiger, der frühere Lehrer Giancarlo Donatelli, findet sich in Rekordzeit, denn er war schon vor einigen Jahren wegen angeblicher Übergriffe auf junge Schulmädchen auffällig geworden. An der Unterwäsche des ermordeten Christian finden sich zudem seine Spermaspuren und das Fahrrad des Jungen finden die Ermittler im Keller Donatellis.
Doch während der vermeintliche Täter in Untersuchungshaft sitzt wird nur wenige Tage später eine weitere Kinderleiche entdeckt. Erneut handelt es sich um einen kleinen Jungen, der in Mädchenkleidern "in Szene" gesetzt wurde. Hauptkommissar Kai Grothe und Kollegin/Freundin Katja Sommer, die selber einen Sohn im Alter der ermordeten Jungen hat, leiten die Ermittlungen und jagen einen gefährlichen Serienmörder. Während die wenigen vorhandenen Zeugen als Täter eine ganz in weiß gekleidete Frau beschreiben, führt eine erste Spur zu dem Gynäkologen Professor Mangoldt, der vor zwei Jahren Donatelli und dessen Frau im Wege einer künstlichen Befruchtung zur Geburt ihrer Tochter verhalf...
Birgit C. Wolgarten setzt ihre Protagonisten hervorragend in Szene, stellt sie mit all ihren menschlichen Stärken und Schwächen vor und schafft damit ein hohes Identifikationspotential. Geradezu mustergültig wird die dienstlich-private Beziehung zwischen Grothe und Sommer beleuchtet. Auch die Rückblicke in die Vergangenheit "des Täters" und dessen Motivs sind gelungen, wenngleich hier dem Leser ein Höchstmaß an Phantasie abverlangt wird. Wie sagte einer der ermittelnden Beamten sehr bezeichnend: "Zum Land der Mädchen. Was auch immer das heißen mag."
Als die Polizei den Angehörigen der Opfer die traurigen Nachrichten überbringt glänzt Wolgarten einmal mehr, in der sie deren Emotionen, den nervlichen Zusammenbruch, den der Tod des geliebten Sohnes mit sich bringt, herausarbeitet. Gleichwohl drückt sie an manchen Stellen des Buches ein wenig zu sehr auf die Tränendrüse. Dennoch, die Charakterdarstellungen sind zweifellos die Stärke der Autorin, mit einer sympathischen Hauptfigur (Katja Sommer), die auch in den nachfolgen Werken die Protagonistin ist.
So gesehen ist vieles stimmig, aber einige handwerkliche Schwächen (so wird anfangs nervtötend oft der Name des Kölner Vorortes Raderberg genannt) führen dann leider doch zu Abschlägen in der Bewertung. Das Donatelli beispielsweise trotz der Spermaspuren nach nur 60 Seiten nicht der wahre Täter sein kann, ist für jeden Leser offensichtlich, nicht zuletzt weil noch rund 200 weitere Seiten folgen (wie Donatelli dann aber aus der Handlung "herausgeführt" wird verdient Anerkennung). Auch versäumt es Wolgarten dem Leser mehrere mitwirkende Figuren bzw. Verdächtige anzubieten. Wenn außer den Beamten nur noch eine Person mitspielt bzw. als Täter in Frage kommt, ist das Rätsel nicht allzu schwer zu lösen trotz einer anfangs sehr gut gelegten Finte. Das der Sohn der Ermittlerin zum Finale hin ebenfalls in die Fänge "der blonden Frau" gerät, ist nur noch ein weiteres, letztes ärgerliches Klischee, dass uns die Autorin nicht erspart, ebenso wie das vorhersehbare "Herzschlag"-Finale.
Trotz der aufgezeigten Schwächen ist das Debüt recht ordentlich. Künftig weniger Klischees, dafür mehr Spannung (Verdächtige) und man darf sich auf weitere Fälle von Katja Sommer und Co. freuen (auch wenn diese dann auf der Insel Rügen spielen).
Birgit C. Wolgarten, Prolibris
Deine Meinung zu »Land der Mädchen«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!