Der weiße Drache
- Heyne
- Erschienen: Januar 2005
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- Stockholm: Forum, 2003, Titel: 'Södermalmsmorden', Seiten: 230, Originalsprache
- München: Heyne, 2005, Seiten: 352, Übersetzt: Ulrike Nolte
Überzeugt mit guten Charakteren und realistischer Ermittlungsarbeit
"Östermalmsmorden", "Södermalmsmorden", "Kungholmsmorden" - der schwedische Autor Lars Bill Lundholm benennt seine Romane aus der Krimiserie um den Kommissar Axel Hake nach Stadtteilen der schwedischen Hauptstadt. Nun liegt erstmals eines der Bücher in deutscher Übersetzung vor, merkwürdigerweise aber wieder mal nicht das erste der Serie, sondern das zweite.
Der deutsche Titel von "Södermalmsmorden" lautet "Der weiße Drache", denn ein solcher ist auf der Tätowierung zu sehen, die das unbekannte Mordopfer trug, das man aus dem Wasser gefischt hat. Mit einer Ankerkette befestigt stand die Leiche unter Wasser im Kanal, so daß sie zwar nicht sofort entdeckt wird, aber auch nicht allzu lange verborgen bleibt.
Zahlreiche Motive und Verdächtige
Die Tätowierung erweist sich als ein Zeichen der Fremdenlegion und über die Vermisstenkartei wird schnell der Gebrauchtwagenhändler Harry Stenman, wegen seiner roten Haare Red genannt, als Opfer identifiziert. Obwohl dessen Frau und Bruder, die in der Firma mitarbeiten, keinen Grund nennen können oder wollen, warum Red umgebracht worden sein könnte, findet die Polizei recht schnell einige Spuren, die auf mögliche Motive hindeuten. Um die Firma stand es nicht allzu gut, und Red hat sich eine größere Summe von einem Freund geliehen. Doch wofür? Jedenfalls nicht, um seine Schulden zu bezahlen. Dann scheint er auch mit Russen in Geschäfte mit gestohlenen Autos verwickelt gewesen zu sein. Und schließlich tauchen auch noch ehemalige Kameraden aus der Fremdenlegion auf, die nicht so gut auf Red zu sprechen waren. Die Ehefrau reiht sich ebenfalls in die Gruppe der Verdächtigen ein, da sie von einer hohen Lebensversicherung profotiert.
Das Ermittlerteam besteht aus dem Kommissar Axel Hake und seinen Mitarbeitern Oskar Lidman und Tobias Tobisson. Hake scheint mal ausnehmsweise ein Ermittler ohne irgendwelche psychischen Probleme und mit relativ intakten Familienverhältnissen zu sein, auch wenn Lebensgefährtin Hanna eine eigene Wohnung besitzt, in die sie sich mit der kleinen Tochter zurückzieht, wenn Hake mitten in einem Mordfall steckt. Hake ist ein sympathischer Typ, der eine gewisse Ausstrahlung besitzt, obwohl er durch eine Knieverletzung ständig auf einen Stock angewiesen ist. Auch Hakes Schwester Julia, eine Tierärztin, spielt eine Rolle in diesem Fall. Der übergewichtige Lidman ergänzt Hake mit seinen Schlüssen optimal und der leicht aufbrausende Tobisson ist eher für langwierige Ermittlungen zuständig.
Der Autor zeigt ein deutliches Bild des etwas heruntergekommenen Stadtteils Södermalm, das von einigen zwielichtigen Gestalten bevölkert ist. Eine behinderte Frau, die den ganzen Tag am Fenster sitzt, kann Hake wichtige Informationen liefern. Ein Obdachloser, der sich in einem VW-Bus unter einer Brücke eingerichtet hat, spielt eine zwielichtige Rolle. Und bei den Geschäftsleuten aus dem Viertel scheint nicht immer alles ganz astrein zu laufen.
Auch ohne Hochspannung genügend Stärken
Außer mit großartigen Milieuschilderungen und hervorragend dargestellten Charakteren überzeugt "Der weiße Drache" auch durch logische und realistische Ermittlungsarbeit. Stückchen für Stückchen gewinnen die Polizisten neue Erkenntnisse, deren Schlüsse der Leser gut nachvollziehen kann. Immer wieder neue Verdachtsmomente und überraschende Wendungen lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen. Lediglich die Penetranz, mit der Hake dem russischen Freund seiner Schwester eine Verbindung zu dem Mordfall andichten will, blos weil ein Russe ja den anderen kennen muß, passt nicht so recht ins Bild.
Daß die Ermittlungen niemals eintönig werden, dafür sorgen einige Nebenhandlungen. Hakes Schwester hat sich da in eine Sache reinziehen lassen, um die sich der Bruder natürlich kümmern muß. Dann scheint Freundin Hanna plötzlich in einer Lebenskrise zu stecken. Und zu allem Übel macht ihm sein unsympathischer Chef Rilke auch noch die Hölle heiß. Doch Hake lässt sich nicht unterkriegen.
Einzig der Spannungsbogen bleibt relativ flach, was jedoch die bereits geschilderten Vorzüge des Romans mehr als wett machen. Die überraschende Auflösung setzt schließlich noch das i-Tüpfelchen auf einen hervorragenden Kriminalroman, der erwarten lässt, dass sich Axel Hake in der Riege der skandinavischen Krimiermittler etablieren kann.
Lars Bill Lundholm, Heyne
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