Kaltblütig

  • Limes
  • Erschienen: Januar 1967
  • 8
  • New York: Random House, 1965, Titel: 'In Cold Blood', Seiten: 343, Originalsprache
  • Wiesbaden: Limes, 1967, Seiten: 435, Übersetzt: Kurt Heinrich Hansen
  • Berlin: Volk und Welt, 1968, Seiten: 412
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1969, Seiten: 309
  • München: Herbig, 1999, Seiten: 380
  • Augsburg: Weltbild, 2005, Seiten: 351
  • Zürich: Kein & Aber, 2007, Seiten: 534, Übersetzt: Thomas Mohr
  • München: Goldmann, 2009, Seiten: 539, Übersetzt: Thomas Mohr
Kaltblütig
Kaltblütig
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Jörg Kijanski
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2005

Das meint Krimi-Couch.de:

November 1959 in Holcomb, einem verschlafenen Städtchen in West-Kansas. Der Farmer Herbert William Clutter und seine Familie (Frau Bonnie, Sohn Kenyon und Tochter Nancy) befinden sich in den Vorbereitungen auf die Hochzeit von Tochter Beverly, welche in der Weihnachtswoche stattfinden soll. Doch sie sollen die Hochzeit nicht mehr erleben, da die ehemaligen Gefängnisinsassen Richard "Dick" Hickock und Perry Smith in ihr Haus eindringen und sie in ihre Gewalt bringen. Hickock hat während der Haft von einem "Gefängniskollegen" erfahren, dass sich auf der Farm der Clutters ein Tresor befinden soll, welchen die beiden leer räumen wollen, um sich anschließend nach Mexiko absetzen zu können. Diese Information ist jedoch grundlegend falsch, da Clutter so gut wie nie Bargeld hat und nahezu ausnahmslos mit Scheck bezahlt. Als Hickock und Smith feststellen, dass sie nur schlappe 40 Dollar erbeuten können dreht der psychopathisch veranlagte Smith durch und ermordet die Familie auf grausame Weise. Nach dem Mord bricht in Holcomb eine schleichende Panik aus, da fast alle Einwohner die Mörder noch mitten unter sich vermuten.

Hickock und Smith gelingt währenddessen die "Flucht" nach Mexiko und der Leser glaubt, das perfekte Verbrechen gefunden zu haben. Vermutlich wären beide auch nie gefasst worden, wäre ihnen nicht das Geld ausgegangen und sie deshalb nach Kansas (so dumm muss man sein) zurückgekehrt. So begehen sie zwei kapitale Fehler und nachdem Hickocks ehemaliger Knastkumpan den Behörden auch noch den entscheidenden Hinweis gibt, kommt unausweichlich was kommen muss. Sie werden verhaftet und verzetteln sich schlussendlich in ihren zuvor abgestimmten Aussagen bis Smith ohne erkennbare Not sogar ein Geständnis ablegt. Bis dahin wäre womöglich noch einmal alles ganz anders gekommen. So findet ein Prozess in Kansas statt, den man aus heutiger Sicht als Schauprozess einstufen muss. Richter und Pflichtverteidiger kannten die Clutters gut und angesichts der Beweislage (Schuhabdrücke und Geständnisse) geht dann alles recht zügig voran. Am Ende heißt es "Tod durch den Strang". Hickock versucht aufgrund der Befangenheit der Beteiligten eine Neuaufnahme des Verfahrens anzustreben, doch obgleich zwischenzeitlich die Prozessbeteiligten nochmals kritisch befragt werden, verzögert sich letztendlich lediglich der Termin der Hinrichtung. Fünfeinhalb Jahre nach der Tat werden beide am 14. April 1965 gehängt.

Truman Capote erzählt ohne jede emotionale Regung die Geschichte aus den verschiedenen Blickwinkeln. Zunächst werden die letzten Stunden der Clutters haarklein beschrieben, danach widmet er sich den Fluchtversuchen der Täter und deren verzweifelter Rückkehr nach Kansas sowie den ergebnislosen Bemühungen der ermittelnden Beamten und deren Befindlichkeiten. Verschiedenste Methoden - Interview, Rekonstruktion, Reportage u. a. -, in denen oftmals Aussagen der Beteiligten eingeblendet werden (diese entstanden durch zahlreiche Befragungen Capotes, übrigens auch der der Täter, die Capote im Gefängnis besuchte), verwebt Capote zu einem kurzweiligen Lesevergnügen, an dessen Ende zwar "die Gerechtigkeit siegt", gleichwohl aber auch kritische Fragen zu stellen sind. Beispielsweise die Frage, inwiefern Straftäter ein Anrecht auf einen fairen Prozess haben, inwieweit der "Geisteszustand" bzw. die Vorgeschichte der Täter eine Rolle bei der Bewertung der Tat spielt bis hin zu der immer aktuellen Frage nach Sinn und Zweck der Todesstrafe. Eine Bewertung dieser Fragen überlässt Capote dabei ausschließlich dem Leser.

"Kaltblütig", das bereits 1965 geschrieben wurde, ist in jeder Hinsicht ein echter "Klassiker"! Ein packendes und authentisches Buch, das sich von den zahlreichen "Reißern" über ähnlich gelagerte Fälle wohltuend anspruchsvoll und ohne den oft verwendeten moralischen Zeigefinger auskommend absetzt, ohne je langatmig zu werden.

Dass das Buch ausgerechnet als "Bild"-Bestseller vom Weltbild-Verlag in einer aktuellen Aktion als Hardcover für nur 4,99 Euro angeboten wird, sollte einem ja zu denken geben. Muss es im vorliegenden Fall aber glücklicherweise nicht. KAUFEN!

Der Roman wurde übrigens 1967 von Richard Brooks und 1996 von Jonathan Kaplan verfilmt.

Kaltblütig

Truman Capote, Limes

Kaltblütig

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