Fenster zur Nacht
- dtv
- Erschienen: Januar 2005
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- London: Abacus, 2004, Titel: 'Night Windows', Seiten: 372, Originalsprache
- München: dtv, 2005, Seiten: 366, Übersetzt: Sophie Kreutzfeldt
- München: dtv, 2007, Seiten: 375
Das meint Krimi-Couch.de:
Patrick Balfour sonnt sich in seinem literarischen Ruhm. Der Direktor der exklusiven Londoner Privatschule, gern gesehener Gast im Fernsehen und in der Presse, hat eine Wohnung in der Schule und ein Haus, das er selten betritt, weil dort seine Frau wohnt, die ihr eigenes erfolgreiches Leben lebt. Balfour hat das Schulleben nach seinen Ansichten umstrukturiert, was ihm nicht von allen Lehrkräften Wohlwollen eingebracht hat. Doch der Erfolg gibt im Recht.
Und es könnte alles seinen geordneten Gang gehen, wenn nicht Inspektor Bevan den Schulleiter von diversen Beschuldigungen informiert hätte, die eine Festnahme und peinliche Verhöre nötig machen. Balfour soll bei einer Tankstelle ohne zu zahlen abgehauen sein und in seiner Schulwohnung unzüchtige Fotos von minderjährigen Schülern gemacht haben. Der Verdacht lässt sich allerdings nicht sofort entkräftigen, denn Mr. Balfour hat zum Einen kein Alibi und zum Anderen beweisen Videoaufzeichnungen und die genannten Fotos, dass er tatsächlich diese Untaten begangen haben muss.
Für Balfour beginnt eine schlimme Zeit, denn er fühlt sich unschuldig. Und die Nachrichten, die er von unbekannter Seite bekommt, zeigen deutlich, dass ihm jemand ans Leder will. Aber wer?
Der Engländer Jonathan Smith hat mit "Fenster zur Nacht" im Deutschen Taschenbuch Verlag einen Psychothriller veröffentlicht, der sich mit dem Thema des Identitätsdiebstahls beschäftigt. Dabei kann der Autor, der selbst 38 Jahre als Englischlehrer gearbeitet hat, auf leidvolle Selbsterfahrung zurück greifen, denn auch er war Opfer eines Persönlichkeitsdiebstahls.
Unter diesen Vorraussetzungen weiß Jonathan Smith natürlich, wovon er schreibt und dementsprechend eindringlich schildert er die Person des Patrick Balfour und dessen Seelenzustand während er in der Klemme steckt. Auch die Eigenarten der diversen Mitglieder des Lehrkörpers und deren Aktivitäten im Schulleben scheinen aus erster Hand zu stammen, und der Leser kann die oftmals skurrilen Gestalten sehr gut nachempfinden.
In zahlreichen Passagen merkt man deutlich den Bildungsgrad des Autors, der in Cambridge studiert hat. Besonders die vielfachen literarischen Hinweise, die sich wie eine Schnitzeljagd bis zur Lösung ansammeln, geben dem Roman einen vermeintlich höheren, intellektuellen Charme, der dieses Buch zu einer Höchstwertung treiben könnte, wenn nicht die streckenweise mangelnde Spannung dies verhinderte. Bis zur stark konstruierten, aber logischen Auflösung kann der Thriller zwar sprachlich überzeugen, der Handlungsablauf wird jedoch gelegentlich durch Rückblenden und Gedankenspielereien unterbrochen, die nur der Beschreibung des Menschen Patrick Balfour und seiner Handlungsweise dienen.
Das "Fenster zur Nacht" ist eine etwas andere Art von Krimi, der nicht von Mord- und Totschlag lebt, sondern vom Psychoterror rund um die geplante (gesellschaftliche) Vernichtung eines Menschen. Wer sich gerne mit menschlichen Schicksalen und dem Drumherum beschäftigt, wird auf den 376 Seiten nicht enttäuscht werden. Wer unkonventionelle Ermittler mag, wer einen Hang zur Forensik hat oder Leichen und Brutalität sucht, liegt bei diesem Buch absolut falsch. Hobbypsychologen und Freunde des Seelenstrips werden an dieser Erzählung über den Leidensweg des Patrick Balfour auf jeden Fall ihre helle Freude haben.
Jonathan Smith, dtv
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