Der rächende Zufall

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1956
  • 1
  • London: Collins, 1954, Titel: 'The crippled canary', Seiten: 192, Originalsprache
  • München: Goldmann, 1956, Seiten: 216, Übersetzt: Olga Otto
  • München: Goldmann, 1973, Seiten: 183
Der rächende Zufall
Der rächende Zufall
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2005

Der Mörder mit dem Kanarienvogel

Dem jungen Zeichner Jeffrey Waring ist in seinem Viertel Raydon's Hill wiederholt die junge Cherry Anderson aufgefallen, allerdings konnte er sich noch nicht überwinden, die attraktive Frau anzusprechen. Bei einem Abendspaziergang staunt Jeffrey nicht schlecht, fliegt ihm doch plötzlich ein blutdurchtränkter Kanarienvogel vor die Füße. Dieser stammt offenbar aus einem nahe gelegenen Gebäude, dessen Verandatür offensteht. Neugierig nähert sich Jeffrey der Tür und findet im Wohnzimmer des Hauses die Leiche von Howard Lycepton, der mit einem Beil erschlagen wurde. Kurz darauf rennt er einem Bobby in die Arme, der ihn als Verdächtigen festhält. Zurück in Lyceptons Haus trifft er dort auf die wenig später eintreffende Cherry, denn der Ermordete war ihr Stiefvater. Ein erstes Treffen und schon entsteht der Eindruck, dass Jeffrey ein Mörder sei. Dumm gelaufen, aber wenigstens glaubt Chefinspektor William Cromwell nicht an die Schuld des jungen Mannes und lässt diesen wenig später frei.

 

"Mr. Waring – Sie waren auf dem Schauplatz des ersten Verbrechens. Sie wurden dort in ziemlich zweifelhafter Verfassung mit einem blutdurchtränktem toten Kanarienvogel aufgegriffen. Zugegeben, Sie wurden bei dem zweiten Verbrechen nicht am Tatort gesehen. Aber Sie haben kein Alibi für den fraglichen Abend. Und heute werden Sie von einem Polizeibeamten am Ort des dritten Verbrechens festgenommen – wiederum sehr aufgeregt und mit einem blutigen, toten Kanarienvogel in der Hand."

 

Es dauert nicht lange, da wird auf Edgar Lycepton, den Verwaltungsdirektor des Electricity Boards ebenfalls ein Mordanschlag verübt. Erneut mit einem Beil und auch ein weiterer toter Kanarienvogel findet sich weit vom Tatort. Doch Edgar überlebt und Cromwell fragt sich, wie die beiden Fälle zusammen hängen, denn die zwei Lyceptons kannten sich nicht und waren auch nicht miteinander verwandt. Die Ermittlungen treten auf der Stelle, da schlägt der "Mörder mit dem Kanarienvogel" schon wieder zu...

Es war drei Minuten nach elf Uhr, als vor der Polizeistation in Norsham ein Polizeiauto vorfuhr und eine beinahe dürr zu nennende Gestalt in mittleren Jahren ausstieg. Der Mann trug einen schäbigen blauen Anzug und einen zerknitterten Mantel. Der zerdrückte weiche Hut war tief in die Stirn gezogen. Das Gesicht mit den buschigen Augenbrauen und dem verkniffenen Mund wirkte eisig ablehnend. Kurz gesagt, es war Chefinspektor William Cromwell von Scotland Yard.

Victor Gunn schrieb zahlreiche Kriminalromane in deren Hauptrolle immer der grantige Chefinspektor William "Old Iron" Cromwell, auch "Ironside" genannt, stand. An seiner Seite der stets ebenso gut gelaunte und wie gut gekleidete Sergeant Johnny Lister. In den 1950er und 1960er Jahren galt Gunn als einer der großen englischen Krimiautoren, geriet bis heute aber (weitgehend) in Vergessenheit. Der vorliegende Roman Der rächende Zufall erschien erstmals vor rund sechzig Jahren. Gelingt es, sich in die damalige Zeit hinein zu versetzen und zu berücksichtigen, welche Möglichkeiten damals die Ermittler hatten beziehungsweise vielmehr nicht hatten, so ist der Krimi immerhin ein kurzweiliger klassischer Whodunit. Trotz einem ordentlichen Spannungsbogen ist die "überraschende" Auflösung nicht wirklich überraschend, denn leider mangelt es an Alternativen.

Etwas angestaubt, aber immer noch lesbar.

Ganz im Sinne der "zehn kleinen Negerlein" (darf man das heute noch so sagen?) stirbt eine Figur nach der anderen, wobei einige Figuren nur deshalb vorkommen, um ermordet werden zu können. Kurzum, sie treten in der Handlung (als Leiche) auf, um im selben Moment abtreten zu können. Da Cromwell nicht nur ein kauziger Ermittler ist, sondern zudem öfters seine Erkenntnisse für sich behält, wird er von Johnny Lister gerne mit einem berühmten Kollegen verglichen.

 

"Schon gut, Sherlock Holmes."
"Was heißt das nun wieder?"
"Wenn du Launen hast, alter Junge, erinnerst du mich immer an den guten alten Holmes. Er ließ stets den armen Watson im dunklen tappen!"

 

Wer für "kleines Geld" den Roman im Antiquariat entdeckt, sollte einen Blick riskieren und in den alten Zeiten klassischer englischer Kriminalliteratur schwelgen. Das Lesevergnügen wird zwar durch eine kleine Staubschicht getrübt, aber Spaß macht es irgendwie immer noch.

Der rächende Zufall

Victor Gunn, Goldmann

Der rächende Zufall

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