Die Assistentin / Der Knochenjäger
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1999
- 76
- London: Hodder & Stoughton, 1997, Originalsprache
- München: Goldmann, 1999, Titel: 'Die Assistentin', Seiten: 506, Übersetzt: Hans-Peter Kraft
- München: Goldmann, 2000, Titel: 'Der Knochenjäger', Seiten: 511, Übersetzt: Hans-Peter Kraft
- München: Goldmann, 2002, Titel: 'Der Knochenjäger', Seiten: 511, Übersetzt: Hans-Peter Kraft
Nicht mehr aus der Hand zu legen
Der frühere Detective der Spurensicherungs-Abteilung der New Yorker Polizei, Lincoln Rhyme, ist seit einem Unfall im Dienst querschnittsgelähmt. Da er keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht, will er seinem Leben mit Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation selbst ein Ende setzen. Gerade an seinem geplanten Todestag wendet sich sein Ex-Kollege Lon Sellito mit der Bitte um Hilfe an einem ungewöhnlichen Fall an ihn:
Die junge Streifenpolizistin Amelia Sachs hat den senkrecht begrabenen Leichnam entdeckt. Nur eine Hand ragte aus dem Boden, am Ringfinger steckt ein Ring und das Fleisch ist bis auf den Knochen abgeschält. Mit ihrer Aktion, den Tatort großräumig abzusperren, löst sie ein ziemliches Chaos aus. Am Tatort werden Spuren gefunden, die der Täter offensichtlich absichtlich zurückgelassen hat.
Der zum Zyniker gewordene Rhyme lässt sich schließlich zur Mitarbeit überreden. Er fordert Amelia Sachs, die mit der Spurensicherung an sich überhaupt nichts zu tun hat, wegen ihrer unkonventionellen Art als Assistentin an. Nur langsam können sich die beiden zusammenraufen. Über Funk mit Rhyme verbunden sucht Amelia die Tatorte ab.
Man findet schließlich heraus, dass man einem Serienmörder auf der Spur ist, der durch fingierte Spuren jeweils Hinweise auf den nächsten Tatort legt. Das Rätselraten ist jedesmal ein Wettlauf mit der Zeit. Kann das nächste Ofer noch rechtzeitig gerettet werden?
Zug um Zug kombiniert das Team, dass alle Tatorte auf rätselhafte Weise mit historischen Schauplätzen im Untergrund von New York verbunden sind. Der Täter stellt dabei einen alten Kriminalfall aus dem Jahre 1906 nach: Ein deutscher Immigrant hatte damals willkürlich Menschen verschleppt und grausam ermordet.
Nur für ekelerprobte Leser ist dieser Thriller im Stile eines Thomas Harris geeignet. Abgeschälte Knochen, von Ratten angefallene Menschen oder Mord durch heißen Dampf sind eben nicht jedermanns Sache. Erst recht nicht, wenn sie so detailgenau geschildert werden wie hier.
Das besondere an diesem Buch ist die wissenschaftliche Schilderung der Spurenanalyse. Teilweise liest sich der Roman wie ein Lehrbuch der Forensik. Im Anhang findet man sogar eine Übersicht mir Erklärungen zu den wichtigsten fachspezifischen Ausdrücken.
Genial beschrieben ist die Untersuchung jeder einzelnen Spur, so daß der Leser den Ermittlungen im Detail folgen kann und sich gemeinsam mit dem Ermittlerteam Schritt für Schritt dem Täter nähert, ohne das nur einen Moment Langeweile aufkommt. Gut gemacht auch das Ermittlungsblatt, dass von Zeit zu Zeit im Buch ausgedruckt wird und sich immer mehr mit Hinweisen füllt, je weiter die Ermittlungen vordringen.
Die Hauptpersonen des Romans wirken zu Beginn nicht gerade sympathisch, man fiebert jedoch mit ihnen mit. Nicht gerade neu, aber doch immer wieder wirksam, wie die beiden sich entwickeln, sich besser kennenlernen und lernen miteinander umzugehen.
Jeffery Deaver hat dieses Buch überaus spannend geschrieben und es weist so gut wie keine Längen auf. Anders als z.B. bei Hannibal steht hier nicht der Schockeffekt im Vordergrund, sondern dient nur als fesselndes Begleitmittel der detailgenauen Schilderung.
Absolute Spitzenklasse ist der Schluß des Buches. Wenn man endlich die Lösung des Falles vor Augen hat und das Buch schon beiseite legen will, wird noch ein Hammer obendrauf gesetzt.
Der häufige Wechsel der Perspektive mit der jeweiligen Sichtweise von Täter, Opfer und Ermittlungsteam ist meiner Meinung nach gut gelungen, ohne daß beim Wechsel die Spannung gestört wird. Dies jedoch ist Geschmackssache, manch einer wird sich gerade daran stören.
Natürlich wird beim Herausfinden der Hinweise der Dramaturgie zuliebe gelegentlich etwas dick aufgetragen. Auf manches, was die genialen Spurensucher erraten, kann man eigentlich gar nicht kommen. Auch der Aufbau des Labors in einer Privatwohnung wirkt nicht gerade realitätsnah. Dennoch bleibt die Glaubwürdigkeit abgesehen von einigen dramaturgischen Stilmitteln in großen Teilen erhalten. Was jedoch am meisten stört, sind die Klischees, ohne die ein Thriller - zugegeben - selten auskommt.
Abgesehen von der Darstellung der wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden ist der Roman recht anspruchslos und als reiner Thriller zur Unterhaltung zu sehen. Man hätte vielleicht mehr daraus machen können, wie z.B. im Bereich der aktiven Sterbehilfe, das wäre dann jedoch sicher nur auf Kosten der Spannung gegangen.
Ein spannender Thriller, der einen so fesseln kann, dass man ihn nicht mehr aus der Hand legt. Jedoch nichts für zart besaitete Gemüter.
Jeffery Deaver, Goldmann
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