Die Hände des Pianisten
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2005
- 6
- Barcelona: Tusquet, 2003, Titel: 'Las Manos del Pianista', Seiten: 272, Originalsprache
- München: Goldmann, 2005, Seiten: 320, Übersetzt: Christian Hansen
Schubert spielen und Papageien den Hals umdrehen
Eigentlich ist das eine kuriose Geschichte, und für den "Pianisten" ein Albtraum. Einst hat er als Musikstudent an sein Talent geglaubt, aber nach dem Tod seiner Eltern musste er das Studium aufgeben und spielt nun elektrische Orgel auf Volksfesten, Hochzeiten und Jahrmärkten. Weil das Geld nicht reicht, hat er einen Zusatzverdienst: Er beseitigt diskret und effektiv unliebsam gewordene Haustiere. Ein Tierhenker, der es im südspanischen Provinznest Breda zu einem einschlägigen Ruf gebracht hat.
Dieser Ruf verschafft ihm einen neuen, bisher nie dagewesenen Auftrag: Er soll einen Menschen töten, Martin Ordiales, den Firmenleiter der Baufirma Construcciones Paraíso. Als er sich dazu bereit erklärt hat (das Honorar war verlockend), verlässt ihn am Tatort der Mut, und er flüchtet.
Doch unerwartet erledigt jemand anderer diesen Job. Der entsetzte Pianist beauftragt nun den Privatdetektiven Ricardo Cupido, den Schuldigen zu finden und seine eigene Unschuld zu beweisen.
Der Roman spielt in der Provinzstadt Breda, einem einstmals verschlafenen, rückständigen Nest, wo der Fortschritt hereingebrochen ist, auch in Form von gigantischen Bauprojekten. Und die damit verbundenen Konflikte reichen bis in die Firmenleitung, wo es schwere Differenzen über kommende Projekte gab. Grund genug für Cupido, dort seine Nachforschungen zu beginnen...
Jedes Kapitel in einem neuen Licht
Nach dem wunderbaren, sehr homogenen Mörderwald wählt Eugenio Fuentes hier eine andere Erzählform: Einzelne Kapitel sind aus der Sicht des Pianisten in der Ich-Form geschrieben, andere in der dritten Person, wobei diese raffinierten Perspektivwechsel die Handlung aus verschiedenen Blickwinkeln verfolgen und sie in jedem Kapitel in ein neues Licht tauchen.
Ricardo Cupido kommt dadurch etwas in den Hintergrund, handelt aber in der gewohnten, interessanten und sympathischen Weise. In lockerer Zusammenarbeit mit der Polizei überlässt er dieser die Klärung der Fragen nach Motiv, Alibi oder Zeugen. Er selbst führt intensive Gespräche mit allen Beteiligten, und zieht daraus intuitiv seine eigenen Schlüsse. Dabei erweist er sich als genauer Beobachter, der stets richtig liegt.
Wenn es den Begriff "Psychologischer Krimi" gibt, dann ist "Die Hände des Pianisten" einer der Besten dieser Kategorie. Fuentes schreibt in einer literarisch hochwertigen Sprache, die dennoch angenehm zu lesen ist. Er zeigt wieder seine Neigung zur genauen, detaillierten Zeichnung seiner Figuren, als Beispiel unter vielen sei erwähnt das berührende Portrait von Cupidos (= Fuentes?) Mutter.
Die zeitlose Frage: Wie wird ein Mensch zum Mörder?
Doch der Kernpunkt der Geschichte, des Pudels Kern, sind die Hände des Pianisten. Hände, die Schubert oder Schumann spielen, aber auch Papageien den Hals umdrehen oder Katzenbabys im Fluss erschlagen. Wer kennt sie nicht, die Bilder der Obernazis, die braven Familienväter mit dem Kinderlächeln, das Blut der Juden noch unter den Fingernägeln? Wie wird ein Mensch zum Mörder? Dieser zeitlosen Frage geht Eugenio Fuentes in beeindruckender Weise nach.
Allein die psychologische Entwicklung der Figur des Pianisten, auf seinem Weg zum Mörder — auch wenn er in letzter Konsequenz Skrupel hat — ist eine bemerkenswerte literarische Leistung, die Eugenio Fuentes zu einem der bedeutenden spanischen Autoren der Gegenwart macht.
Eugenio Fuentes, Goldmann
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