Lemmings Himmelfahrt

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2005
  • 6
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2005, Seiten: 288, Originalsprache
  • Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2006, Seiten: 8, Übersetzt: Stefan Slupetzky
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Wolfgang Weninger
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2005

Wortgewaltiger, morbider Humor in breitestem Wienerisch

Leopold Wallisch, genannt Lemming, Ex-Polizist und reichlich herunter gekommen, wacht auf und steht im Nassen. Ein ansonsten relativ harmloses Erdbeben hat einen Wasserrohrbruch ausgelöst und jetzt schwimmen ihm die Pantoffel bei der Wohnungstür hinaus. Soll sich der Hausherr darum kümmern, Lemming schnappt seinen Koffer und begibt sich morgens um Vier zu seiner Freundin. Dort kommt er aber nicht unter, denn diese vergnügt sich gerade anderweitig.

Um diese Zeit haben am Wiener Naschmarkt die letzten Lokale noch geöffnet und andere sperren schon wieder auf. Lemming geht ins Café Dreher, um seinen Kummer zu ersäufen. Der Typ am Nebentisch verarscht ihn deswegen ordentlich, spendiert ihm trotzdem ein paar Drinks aus seiner Whiskyflasche. Irgendwann wird es dem Lemming zuviel. Er haut ab, der Unbekannte hinter ihm her und nur wenige Schritte außerhalb des Lokals taucht zwischen den Marktbuden eine Gestalt auf, zückt eine Pistole und schießt auf den Lemming, trifft aber den hinter ihm stehenden Mann tödlich und haut schnellstens ab. Es sieht aus, als ob der Lemming der Mörder wäre. Also hat er nichts Besseres zu tun, als unterzutauchen.

Ab ins Sanatorium, ab in diese obskure Anstalt

Durch seine Kontakte zur Gerichtsmedizin erfährt der Lemming, dass der Tote Pfleger in einem Sanatorium für geistig Behinderte war. Und auch der Mörder soll ein Insasse des Instituts sein. Doch die Polizei fahndet nach dem Lemming. Da bleibt ihm wohl nichts Anderes übrig, als zu seiner Entlastung selbst den Mörder zu finden und wenn er sich dazu als Patient in dieser obskuren Anstalt einschleusen muss.

Stefan Slupetzky hat im rororo-Verlag "Lemmings Himmelfahrt" veröffentlich, in dem der skurrile Lemming seinen zweiten Fall erlebt. Der Lemming, von den Frauen Poldi genannt, ist nicht gerade eine Geistesgröße und bewegt sich demgemäss in eher unterdurchschnittlichem Milieu, was der Autor zum Anlass nimmt, seine Dialoge teilweise in breitestem Wiener Dialekt ablaufen zu lassen. Da darf sich derjenige, der des Wienerischen nicht mächtig ist, schon arg seine kleinen grauen Gehirnzellen anstrengen, um dem Idiom auf die Spur zu kommen. Aber genau das macht einen Teil des morbiden Humors aus, auf dem Slupetzky gekonnt herum reitet.

Politiker und Ärzte werden zur Zielscheibe von Witz und Spott

Abgesehen davon findet der Leser auch genügend Situationskomik, damit die Spannung nicht gar zu übermächtig wird. Und für die etwas elitärer denkende Leserschaft hat der Autor auch nicht vergessen sozialkritische und philosophische Themen aufzugreifen, bei denen es zum Einen darum geht, die Denkweisen der manipulierten Massen an den Pranger zu stellen, zum Anderen zwangsläufig die Herkunft und Existenz von Verhaltensmustern derer zu dokumentieren, die als Politiker, Beamte, Ärzte usw. durch gelegentliches Fehlverhalten mit Recht Zielscheibe von Witz und Spott sind.

Als Krimi betrachtet ist des "Lemmings Himmelfahrt" eine ganz brauchbare Geschichte, die über passable Spannung und nicht zu komplizierte Handlungsabläufe verfügt. Die Geschichte lebt aber in erster Linie von der Wortgewalt des Autors, mit der er die absonderlichsten Gestalten kreiert und ihnen Worte und Gedanken in den Mund legt. Dabei kommt natürlich die schwarze Seele des Wieners prachtvoll in Schwung und bietet eine Mischkulanz zwischen dem "Herrn Karl" (verkörpert durch Helmut Qualtinger) und dem Proletencharme eines Edmund Mundl` Sackbauer (genial dargestellt von Karl Merkatz). Hintergründigkeit und Wiener Herz bieten hier eine Einheit, die es fast unmöglich macht, dieses Buch nicht zu mögen.

Lemmings Himmelfahrt

Stefan Slupetzky, Rowohlt

Lemmings Himmelfahrt

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