Hotel Sphinx
- Duckworth
- Erschienen: Januar 2005
- 6
- New York: Random House, 2004, Titel: 'The Egyptologist', Originalsprache
- London: Duckworth, 2005, Originalsprache
- München: Goldmann, 2007, Seiten: 507
Faszinierend geschrieben, brillant erzählt
Schnell hat man die Klischees zur Hand: über Jahrtausende im Verborgenen gebliebene Gräber, giftige Skorpione, Unmengen von Gold und der Fluch des Pharaos. Romanen gegenüber, die sich den großen Ausgrabungen Ägyptens zu Anfang des 20. Jahrhunderts verschrieben haben, sind dank gräuslicher oder endlos übertriebener Leinwand-Umsetzungen ("Die Mumie") bestimmte Vorbehalte sicherlich angebracht. Doch ist der Ruf erst ruiniert... - besteht auch immer die Chance, Kritiker der "Buddel-Bücher" eines besseren zu belehren. Was dem US-Amerikaner Arthur Phillips mit seinem zweiten Roman "Hotel Sphinx" auf bemerkenswerte Weise gelingt.
Die anzüglichen Gedichte des Eros-Pharaos
Wir befinden uns im Ägypten der Zwanziger Jahre. Die Entdeckungen der Archäologen der letzten Jahre haben einen regelrechten Boom auf die Pharaonen-Gräber ausgelöst, noch-reiche britische Adlige und neu-reiche amerikanische Unternehmer investieren in die Ausgrabungen, was die Schatulle hergibt. Und Ralph Trilipush, englischer Landadel, passionierter Ägyptologe, ist auf der Spur des Grabs von Atum-Hadu, dem "Angeschwollenen". Bitte wer? Der Leser ist an dieser Stelle nicht der einzige, der die Existenz dieses Pharaos der XVIII. Dynastie anzweifelt. Doch ist sich der etwas schnullige Engländer seiner Sache sicher, hat er doch ein paar Jährchen zuvor unweit des Tals der Könige das sogenannte "Fragement C" im Wüstensand entdeckt. Hieroglyphen, vollgepackt mit anzüglichen Gedichten, die Trilipush seinerzeit als Band "Begierde und Betrug im alten Ägypten" den Lesern nahe bringen wollte.
Der Eros-Pharao mauserte sich so von einer fixen Idee aus Studienzeiten zur zentralen Lebensaufgabe des Archäologen. Unterstützt von den Geldern seines Bostoner Schwiegervaters in spe und der Liebe seiner Margaret, die sich die Wartezeit auf die Rückkehr ihres Geliebten mit berauschten Opium-Nächten um die Ohren schlägt, wähnt sich Ralph Trilipush im fernen Luxor seinem Ziel endlich nahe. Doch ahnt er nichts vom australischen Privatdetektiv Harold Ferrell, der erst auf der Suche nach Söhnen eines reichen Bierbrauers um die Welt fährt und schließlich an den Versen Trilipushs hängt. Sollte Trilipush ein Hochstapler sein? Gar ein Mörder? Denn von Ferrells Fahndungsobjekt, einem jungen Australier namens Paul Caldwell fehlt jedes Lebenszeichen. Und dessen Spur verliert sich im Wüstensand des Tals der Könige - genau an der Stelle, an der Trilipush sein "Fragment C" gefunden hatte...
Ein ganzer Roman nur aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen
Gute 500 Seiten stark (nicht dick) ist "Hotel Sphinx" und in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Kein Thriller im engeren und auch wenig im weiteren Sinne, der Kriminalfall - soweit überhaupt vorhanden - ergibt sich nur aus Andeutungen und Vermutungen seitens des australischen Privatdetektivs. Und dennoch erzeugt Arthur Phillips eine subtile Spannung, vor allem durch seine Erzähltechnik: Der ganze Roman besteht ausschließlich aus Tagebuchaufzeichnungen und Briefen Trilipushs sowie der Korrespondenz von Detektiv Ferrell an einen gewissen Macy, den Neffen Margarets - und der Dialog findet 30 Jahre nach der Reise Trilipushs nach Ägypten statt.
"Hotel Sphinx" ist dabei faszinierend geschrieben und ebenso brillant erzählt wie exzellent übersetzt und macht deutlich, auf welch immenses sprachliches Repertoire Autor Phillips zurückgreifen kann. Sind die Briefe des englischen Ägyptologen schwül und blumig lässt er den Australier entsprechend deutlicher und mit der Sprache des Arbeiters von der Straße formulieren - Britischer Landadel versus australisches Proletariat.
Golden-Age-Thriller oder Satire?
Allerdings: Mit seiner Einführung in Story und Charaktere übertreibt es der gute Arthur Phillips dann doch ein wenig. Ein gutes Drittel will gelesen sein, bevor die Geschichte an Fahrt aufnimmt und absolut fesseln kann.
Doch ist "Hotel Sphinx" noch ein Spannungsroman? Oder eher schon Satire? Dieser Ralph Trilipush kommt so warm daher, wie er jedem, dem er begegnet seinen altägyptischen Erotik-Gedichtband aushändigt und dabei ständig auf Applaus giert, in seiner Bessenheit auf der Suche nach Atum-Hadu, in seiner Selbstverliebtheit, dass er schon fast überzeichnet wirkt. Und mal ehrlich: Kann es wirklich einen altertümlichen Herrscher mit dem Beinamen "Der Angeschwollene" gegeben haben?
Satire trifft Thriller, Fun trifft Fiction - "Hotel Sphinx" passt in keine Schublade und gehört auch in keine hinein. Es ist ein Roman, der mit der Sprache und Wahrheiten spielt (Lügt der australische Detektiv? Zieht der Archäologe ein Schmierentheater ab?) und es dem Leser allzeit selbst überlässt, sich ein Urteil zu bilden.
Mit "Hotel Sphinx" ist es wie mit Lord Carters Fund des Tutanchamun-Grabs: eine wundervolle Entdeckung.
Arthur Phillips, Duckworth
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