Harko und der V-Mann
- Hsb
- Erschienen: Januar 2004
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- Nagold: Hsb, 2004, Titel: 'Woga und der V-Mann', Seiten: 272, Originalsprache
- Nagold: Hsb, 2006, Seiten: 288, Originalsprache
Vielfältiges Buch als Kriminalroman verkleidet
"Woga und der V-Mann" ist ein in vielerlei Beziehung ungewöhnlicher Kriminalroman. Protagonist und Erzähler der Story ist der Autor selber, der argentinische Schriftsteller Roberto Bardéz, ausgewandert auf die griechische Insel Korfu. Ihm zur Seite steht der ehemalige Kriminalbeamte Woga, der einstmals in Stuttgart ein in Drogenkreisen gefürchteter Ermittler war, dann aber mit einem Oberstaatsanwalt Probleme bekam, aus dem Polizeidienst ausschied und seitdem ebenfalls auf Korfu lebt.
Bardéz beginnt sein Buch mit einer netten kleinen Geschichte zum Einstieg: Auf der Insel bricht eine Bande in Gaststätten ein und richtet dort Verwüstungen an. Gestohlen wird jedoch kaum etwas. Der ortsansässige Polizist verdächtigt die auf der Insel lebenden Albaner und bittet Woga um Hilfe. Der löst den Fall innerhalb weniger Tage und ertappt die Vandalen auf frischer Tat. Wie er dies durch einfaches Nachdenken zustande brachte, das bildet den Auftakt von Lektion Nummer 1 für den Kriminalschriftsteller, der sich von Woga gerne Tips für seine Romane holt.
Hilfestellung für Krimiautoren
Nach einigen touristischen Informationen für Korfu-Urlauber beginnt das Buch erst so richtig, als plötzlich Rudi auftaucht. Rudi war früher ein V-Mann von Woga und hat eine 5-jährige Haftstrafe zu verbüßen. Einen Freigang zur Beerdigung seiner Mutter nutzte er zur Flucht, nachdem auf ihn geschossen und seine Frau dabei getötet wurde. Rudi hat seine unverdient hohe Haftstrafe übrigens dem gleichen Oberstaatsanwalt zu verdanken wie Woga seinen Ärger, und so ist es Woga ein persönliches Bedürfnis, Rudi zu helfen. Unter dem Tarnmantel, dass Roberto Recherchen für sein neues Buch bei der deutschen Polizei betreiben möchte, reisen die beiden nach Stuttgart, wo Woga noch gute Kontakte besitzt.
Dort ist man auch gleich überaus hilfsbereit, und was Roberto dort erfährt, das erfährt der Leser natürlich ebenso detailliert. Zunächst gehts mal los mit einem Exkurs zum Thema Rauschgift. Auf etwa 30 der extrem klein bedruckten Buchseiten gibt ein Ermittler des Rauschgiftdezernats überaus informative, unterhaltsame und erschreckende Details zu Drogen im Allgemeinen und zu Ermittlungen im Besonderen preis.
Wer nun aber gedacht hat, danach geht los mit der eigentlichen Krimihandlung, der hat sich gründlich getäuscht. Bardéz´ Roman mutiert nun unweigerlich zum unterhaltsam geschriebenen Sachbuch. Man bekommt eine Vorlesung über Daktyloskopie bis hin zu Ohrabdrücken, dann kommen juristische Einblicke: wie arbeiten überhaupt Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter zusammen?
Ein Streifzug durch die Geschichte
Und weiter gehts in lehrreichem Stil. Eine intellektuelle Prostituierte erhält von Bardéz erste Lektionen in "Wie werde ich Schriftsteller?" Zwischendurch kommt man dann über Hitlers "Mein Kampf" vom Nationalsozialismus zur deutschen Wiedervereinigung und den Irakkrieg. Schwäbische Kultur darf ebenso wenig fehlen wie das Schimpfen über die Mißstände bei der Deutschen Bahn, das man gar nicht mehr hören mag.
Der Erzähler wird immer mehr zum Alleskönner, als er zwei mit Schlagringen bewaffnete Typen mal locker ins Reich der Träume schickt - später jedoch setzt ihn eine Prostituierte problemlos außer Gefecht.
Die Krimihandlung konzentriert sich dann auf die letzten 70 Seiten des Buches. Da der Autor dabei jede Menge Zufälle nutzt und den Täter dann erraten lässt, kann man diese nicht so richtig ernst nehmen. Der Autor versucht immer wieder klar zu machen, dass die Grenzen zwischen "Gut" und "Böse" fließend sind, bringt aber andererseits immer wieder Klischees und überwiegend Charaktere ein, die entweder klar auf der einen oder auf der anderen Seite stehen.
Unterhaltsames Buch mit sympathischen Typen
"Woga und der V-Mann" ist ein als Kriminalroman verkleidetes unterhaltsames Buch mit sympathischen Typen, das viel Spaß macht, sofern man die angebotenen Fakten nicht alle für bare Münze nimmt, sondern sie nutzt, um politisches Geschehen auch mal aus anderen als den gewohnten Aspekten zu betrachten.
Eine möglichst objektive Gradwertung für diesen Roman abzugeben fällt mir schwer. Für kriminalistische Ermittlungen hätte er bestenfalls 30 Grad verdient. Schriftstellerisch hat er seine Schwächen, lässt sich jedoch prima lesen. Wer einfach locker unterhalten werden möchte, Spaß haben und mitfierbern will, dem biete ich gerne 90 Grad an. Auf jeden Fall ist es ein Buch, das seine Leserschaft polarisieren wird.
Roberto Bardéz, Hsb
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